Informieren, dann agieren

10. Fachtagung Ackerbau im Main-Kinzig-Kreis

Stefan Brand, LLH-Berater, Organisator und Moderator der Veranstaltung in Gründau-Gettenbach, konnte sich zum Jubiläum über eine große Teilnehmerzahl freuen, welcher ein umfangreiches und interessantes Programm zu den Themen Wetterprognosen, Vermarktung, Düngeverordnung und Steuergesetzgebung geboten wurde.

Den Anfang machte Dr. Udo Busch vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach. Er erläuterte, wie heute Wettervorhersagen entstehen, was sie leisten und was sie nicht leisten können. Eines der ersten brauchbaren Instrumente zur Einschätzung der Wetterlage seien die althergebrachten Bauernregeln gewesen. Sie beruhten auf langjährigen Beobachtungen und Erfahrungen und träfen in etwa zwei Dritteln der Fälle zu; allerdings seien sie nur in der Region gültig, in der sie entstanden seien.

Von der Bauernregel zum Supercomputer

„Heute stützen wir unsere Aussagen auf eine sehr große Datenmenge, die fortlaufend erhoben wird und in Vorhersagemodelle einfließt. So erreichen wir eine gute Vorhersagequalität bis zu etwa zehn Tage im Voraus. Bei der Temperatur haben wir eine Trefferquote von 90 Prozent für die nächsten vier Tage; bei Niederschlägen ist dies schwieriger, da sie kleinräumiger auftreten. Die zu verarbeitende Datenmenge veranschaulichte Dr. Busch eindrücklich mit dem Stromverbrauch des Großrechners in Offenbach: Dort fallen monatlich 1 Mio. Euro Stromkosten an. Der DWD habe sich in den letzten Jahren mehr und mehr auf Angebote für Profi-Anwender konzentriert, unter anderem im Bereich Agrarmeteorologie. „Wir arbeiten mit etwa 60 Leuten an Spezial-Vorhersagen beispielsweise zu Bestandes- und Bodenklima, Beregnungssteuerung und optimalen Aussaattermi-

nen für verschiedene Kulturen.

Angesprochen auf die Wettertrends der vergangenen und kommenden Jahre sagte er feuchtere Winter und trockenere Sommer voraus. Insgesamt werde die Niederschlagsmenge bei uns wohl gleich bleiben, auf die veränderte Verteilung müsse und könne sich die Landwirtschaft in Deutschland einstellen. Die in den letzten Wochen gefallenen Niederschläge hätten ausgereicht, um die Reserven in den Böden wieder aufzufüllen, stellte der Meteorologe fest.

Wie zeitgemäß ist die Preisgestaltung bei Brotweizen?

Zur Qualitätsbewertung von Weizen sprach Jens Begemann vom Max-Rubner-Institut in Detmold. Er zeigte, dass die heute praktizierte Bemessung der Backqualität aufgrund von Fallzahl, Proteingehalt und Sedimentationswert nicht mehr zeitgemäß ist, da moderne Züchtungen auch mit weniger Protein ein hohes Backvolumen liefern könnten. „Hier geht ein großes Potenzial zur Effektivitätssteigerung in Ackerbau verloren, denn weniger Protein bedeutet auch, dass weniger N-gedüngt werden könnte; das macht sich aber bei der Abrechnung an der Gosse nicht bezahlt.“ Hier müssten unbedingt Anpassungen vorgenommen werden, denn die durch die neue Düngeverordnung künftig reduzierte N-Düngung werde dazu führen, „dass mehr als 40 Prozent des heimischen A-Weizens die Proteingehalte von 13 Prozent TS nicht mehr erreichen werden“, so der Referent. Hier spiele auch die Sorte eine entscheidende Rolle, denn Protein sei nicht gleich Protein. Es gebe heute Sorten am Markt, die schon mit 11 Prozent Rohprotein hohe Backqualitäten lieferten.

Aktiv vermarkten oder einlagern heißt auch spekulieren

„Einen Markt im jetzigen Sinne gibt es im Ackerbau erst seit rund zehn Jahren. Für den Zuckerrübenanbau kommt er jetzt. Das hat zur Folge, dass die Preise deutlich stärkeren Schwankungen unterworfen sein werden, was neben Risiken auch Chancen beinhaltet“, erläuterte Hans Jürgen Hölzmann von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Denn der langfristige Trend gehe weiter hin zu mehr Nachfrage am Weltmarkt. Die derzeitige Preisschwäche habe mehrere Ursachen, vor allem sei der hohe Lagerbestand in den USA dafür verantwortlich in Verbindung mit einer weltweit gestiegenen Produktion. Um die Chancen am Markt zu nutzen, sei es unabdingbar, die Entwicklungen an den Börsen zu beobachten. „Die Spekulanten, die auf steigende oder fallende Getreide- und Ölsaatenpreise setzen, tun dies nicht ins Blaue, sondern stützen ihre Entscheidungen auf Marktindikatoren wie die globalen Lagerbestände, Aussaatflächen und den Bedarf wichtiger Marktteilnehmer. Wenn sie daneben liegen, werden sie von der Wirklichkeit eingeholt. Wer diese Mechanismen kennt, kann Trends ableiten und davon profitieren.“

Dass die Preisschwankungen an den Märkten für landwirtschaftliche Produkte auch Chancen für die Erzeuger bieten, erläuterte Hans Jürgen Hölzmann.

Dr. Udo Busch hat bezüglich der Jahreszeiten festgestellt, dass die Vegetationszeit im Frühling zehn Tage länger geworden ist, sich im Herbst aber kaum verändert hat.

Kosten senken und Pachten flexibilisieren

Außerdem könne man dem regionalen Handelspartner ganz anders bei Preisverhandlungen gegenübertreten, wenn man die Preise beispielsweise in Rotterdam kennt. „So verhandeln Sie auf Augenhöhe und verschaffen sich Respekt“, ist Hölzmann sicher. Und man sei heute eben nicht mehr darauf angewiesen, die gesamte Ernte an der nächsten Gosse abzukippen. Zumindest einen Teil der Ernte sollte man über moderne Vermarktungsinstrumente verkaufen, wie etwa Prämien- oder Mindestpreiskontrakte, die einerseits als Risikoabsicherung dienen und andererseits die Teilhabe an steigenden Preisen sichern könnten. „Entscheidend ist, dass Sie Ihre Produktionskosten kennen“, sagte der Marktexperte. Als weitere Handlungsoptionen gab er den Praktikern mit auf den Weg, dass nach wie vor Kostensenkungen ganz oben auf der Tagesordnung stehen müssen. Dies könne bei unseren relativ kleinen Betrieben durch eine Intensivierung, beispielsweise auch bei den angebauten Kulturen (Salat statt Getreide), oder auch durch Kooperationen erreicht werden. Außerdem müsse sich der Pachtmarkt bewegen und ebenso wie die Erlöse flexibler werden.

Düngeverordnung und kein Ende

Über die Auswirkungen der vermutlich im Sommer in Kraft tretenden neuen Düngeverordnung (DVO) informierte Dierk Koch vom LLH in Kassel. Im Vergleich zu den bisherigen Regelungen zur Ausbringung, Lagerung, Bedarfsanalyse und den durchzuführenden Nährstoffvergleichen kam er zu folgenden Aussagen:

  • Der Arbeitsaufwand wird höher und die Ausbringung teurer.
  • Die Beschränkungen vor allem zur Herbst-, aber auch zur Frühjahrsdüngung führen zu engen Zeitfenstern und dazu, dass die Betriebe an die Grenzen des technisch Machbaren stoßen werden.
  • Vorgenannte Punkte werden die überbetriebliche Ausbringung befördern.
  • Die Einschränkungen bei der Phosphat-Bilanz können ein komplettes Verbot der Gülleausbringung auf gut P-versorgten Flächen bedeuten.
  • Um die Bilanzgrenzen nicht zu reißen, sind hohe Erträge nötig.
  • Die Vorgaben zur Ermittlung des Düngebedarfes schränken den Spielraum weiter ein.
  • Beim Einsatz organischer Dünger ist eine möglichst hohe Nährstoffausnutzung anzustreben.
  • Der Lagerraum für Fest- und Flüssigmiste muss weiter ausgebaut werden, wird dadurch teurer und den Strukturwandel weiter anheizen.

Getreide und Raps haben schon viel N aufgenommen

Dr. Matthias Peter vom Ingenieurbüro Schnittstelle Boden, Ober-Mörlen, stellet die aktuelle Situation der Wintergetreide und Raps-Bestände in der Region vor. „Sowohl das Getreide als auch der Raps sind sehr gut entwickelt und haben bereits viel Stickstoff aufgenommen. Im Getreide muss eine Andüngung mit 50 bis 60 kg N erfolgen. Die Schossergabe wird auch relativ früh zu terminieren sein. Natürlich immer unter Beachtung der Nmin-Werte im Boden.“ Außerdem solle man zum Schossen und Ährenschieben rechtzeitig N-Tester-Messungen durchführen beziehungsweise anfordern und eine Schwefelgabe von etwa 20 kg einplanen.

Beim Winterraps hält Dr. Peter eine frühe Düngung nicht für notwendig, da die Bestände noch keine Blattverluste aufwiesen und die frühe N-Gabe vor allem der Regeneration diene. Zur zweiten Gabe, die der Ertragsanlage diene, dürfe kein Mangel entstehen; bei einer Ertragserwartung von 4,5 bis 5 Tonnen müsse man 160 bis 180 kg N und 40 kg S kalkulieren. Er machte folgende Düngebedarfsrechnung für Winterraps auf: Sollwert 290 kg N -20 kg Nmin -100 kg N-Aufnahme =170 kg N/ha

Bei regelmäßiger Gülle-/Gärreste- ausbringung: =150 kg N/ha.

Dr. Matthias Peter bewertete die aktuelle Versorgung der Pflanzenbestände mit Nährstoffen.

Jens Begemann: „Es gibt heute Weizen-Sorten, die schon mit 11 Prozent Rohprotein hohe Backqualitäten liefern.“

Dierk Koch vom LLH in Kassel musste zur neuen Düngeverordnung feststellen: „Es wird nicht einfacher.“

Foto: Becker

Plus und Minusbei der Steuerlast

Dass auch bei der Steuergesetzgebung vieles in Bewegung ist, verdeutlichte Brigitte Barkhaus, Geschäftsführerin der LBH-Steuerberatungsgesellschaft in Friedrichsdorf. In Bewegung heißt aber auch, dass viele Sachverhalte noch nicht eindeutig geklärt sind, wie beispielsweise die Abschreibung von Zahlungsansprüchen. Hier hatte die Finanzverwaltung bisher keine lineare Abschreibung vorgesehen. Das Finanzgericht habe nun aber eine lineare Abschreibung auf zehn Jahre zugelassen; der Fall liege jetzt beim Bundesfinanzhof. Falls dieser sich der Auffassung des Finanzgerichtes anschließe, werde dies auch Auswirkungen für die neuen Zahlungsansprüche haben, schätzte Barkhaus.

Positives gab es zum Investitionsabzugsbetrag zu berichtet. Dieser kann den Gewinn mindern und somit die Steuerbelastung im Abzugsjahr senken. Die damit angekündigte Investition müsse nun nicht mehr exakt angegeben werden, was eine höhere Flexibilität für die Betriebe bedeute. Wenn das Geld dann, beispielsweise aufgrund einer schlechten Ertragslage, doch nicht investierte werde, sei allerdings eine Nachzahlung fällig. „Das kann gegenwärtig bei vielen landwirtschaftlichen Unternehmen ein Problem sein“, so die Referentin. Zu den Entwicklungsmöglichkeiten für die Betriebe zählte Barkhaus verschiedene Gesellschaftsformen von der Kommanditgesellschaft über Arbeitserledigungsgesellschaften bis zu atypischen stillen Gesellschaftsformen auf, die für verschiedenste, teils sehr ungleiche Partner, eine auch steuerlich günstige Option sein können.

Steuerlichen Nachteilen rechtzeitig begegnen

Ein Gestaltungshinweis beinhaltete die Nutzung freier Vieheinheiten: Wenn etwa ein viehstarker Betrieb expandieren will, können die sich aus den eigenen Flächen ergebenden zulässigen Vieheinheiten schnell überschritten werden. Oft ist aber der Ankauf oder die Zupacht weiterer Flächen nicht möglich. Dann sollte sich der Viehhalter nach einem (Ackerbau-) Betrieb umsehen, der bereit ist, seine nicht benötigten Vieheinheiten in eine Tierhaltungskooperation einzubringen. Beide Betriebe dürften hierbei höchstens 40 km auseinanderliegen. „Der Ackerbauer erhält für die Zurverfügungstellung seiner freien Vieheinheiten eine Vergütung, ohne selbst Viehhaltung zu betreiben, und der Viehhalter kann seinen notwendigen Erweiterungsschritt vornehmen“, beschrieb die Steuerberaterin die Vorteile. Und: Alle Einkünfte werden aus der Landwirtschaft erziel, die Umsatzsteuerpauschalierung bleibt bestehen. Einen Tipp hatte die Expertin noch zur Verschonungsregelung bei der Erbschaftssteuer. Diese müsse bis zum 30. Juni wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtes in diesem Teilbereich geändert werden. „Wenn der Gesetzgeber aber aufgrund der aktuell drängenden Probleme, zum Beispiel in der Flüchtlingspolitik, diesen Zeitrahmen nicht einhalten kann, könnte die Verschonungsregelung ausgesetzt werden. Wer also in naher Zukunft eine Betriebsübergabe plant, sollte jetzt schon notariell eine Übergabe vorbereiten, um eventuelle steuerliche Nachteile zu verhindern.

KB – LW 7/2016