Initiative Tierwohl ist der richtige Weg

Deutsche Bauern wollen Tierhaltung weiterentwickeln

Die Tierhaltung in der Landwirtschaft muss sich weiterentwickeln. Darin waren sich die Teilnehmer des Forums „Zukunftsfähige Tierhaltung“ auf dem Deutschen Bauerntag einig. In dem Forum wurde der Bogen weit gespannt, sowohl die Landwirtschaft als auch die Ökonomie sowie die Ethik und die Rolle der Kommunikation wurden beleuchtet.

Friedhelm Schneider: „Die Debatte um den Tierschutz müssen wir ernst nehmen.“

Foto: Brammert-Schröder

Die Tierhaltung ist in Deutschland ein wirtschaftlich erfolgreicher und bedeutender Sektor. Das machte der Präsident des Hessischen Bauernverbandes, Friedhelm Schneider, in seiner Begrüßungsansprache des Forums „Zukunftsfähige Tierhaltung“ auf dem Deutschen Bauerntag vergangene Woche in Bad Dürkheim deutlich. Schneider, der im DBV-Präsidium für die Rinderhaltung zuständig ist, verdeutlichte seine Aussage mit einigen Zahlen. „Der Produktionswert der deutschen Tierhaltung ist auf über 27 Mrd. Euro gestiegen“, erklärte er. Das entspreche 49 Prozent des Produktionswertes der Landwirtschaft. Zwei Drittel der rund 4,6 Mio. Beschäftigten in der gesamten Lebensmittelwirtschaft erwirtschaften nach Aussage Schneiders ihr Einkommen durch die Tierhaltung. „Das sind Zahlen, mit denen wir nach draußen gehen können“, betonte er.

„Tierschutz ist für uns Bauern eine Selbstverständlichkeit“, erklärte Schneider. Dennoch werde um das Thema Tierschutz eine heftige Debatte geführt. „Diese Debatte müssen wir ernst nehmen und mit Argumenten begegnen. Sie gefährdet die Zukunft unserer landwirtschaftlichen Familienbetriebe und damit auch die Zukunft des ländlichen Raumes“, warnte der Präsident des Hessischen Bauernverbandes. In dem Forum Tierhaltung wurde aus verschiedenen Sichtweisen hinterfragt, wo die Herausforderungen für die Tierhaltung in Deutschland liegen.

Nutztierhaltung ist kein Streichelzoo

Für Johannes Röring, Präsident des Westfälischen Landwirtschaftsverbandes und im DBV-Präsidium für Tierwohl und Schweinehaltung zuständig, liegen die Herausforderungen für die Tierhaltung in Deutschland ganz klar in der Entwicklung der Initiative Tierwohl für Schweine und Geflügel. Die Tierhaltung habe sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich weiterentwickelt. „Aber wir müssen auch erkennen, dass eine Entfremdung zwischen der Landwirtschaft und der Bevölkerung sowie auch eine Werteveränderung stattgefunden hat“, sagte Röring, der auf seinem Betrieb Ackerbau und Schweinemast betreibt. „Die Debatte ist tief im politischen Alltag angekommen“, erklärte er.

„Wir setzen große Hoffnungen in die Initiative Tierwohl“, betonte der Landwirt aus dem Münsterland. Daran beteiligt sind neben der Landwirtschaft auch die Unternehmen der Fleischbranche und des Lebensmitteleinzelhandels. „Wir wollen auf breiter Basis das Thema Tierwohl weiterentwickeln.“ Das gehe nur mit der Bevölkerung zusammen, die gesamte Produktionskette müsse weiterentwickelt werden. Röring lud alle Beteiligten, auch die Tierschutzorganisationen, zum Dialog ein, um den gesamten Sektor so weiterzuentwickeln, dass er allen Kriterien standhält.

Eine klare Absage erteilte Röring allerdings überzogenen Anforderungen an die Tierhaltung: „Wenn die Herausforderungen der politischen Vorgaben so weitergehen, mache ich mir große Sorgen um die kleinstrukturierte Tierhaltung“, sagte er. Für viele Wünsche fehlten fachliche Lösungen. „Es gibt viele Zielkonflikte, auch mit der Ökonomie. Wir betreiben schließlich keinen Streichelzoo, sondern Nutztierhaltung.“

Zukunftskonzept Landwirtschaft entwickeln

Die gesellschaftlichen Vorstellungen über Tierhaltung und die Gefühlswelten der Verbraucher erläuterte Professor Gunther Hirschfelder. „Ethische Grundsätze sind ständig im Wandel“, so der Kulturwissenschaftler von der Universität Regensburg. Dies sei auch eine Chance für die Landwirtschaft, die augenblickliche Wahrnehmung der Bevölkerung zu wandeln. Denn häufig werde ein eindimensionales Bild von der Tierhaltung gezeichnet, nämlich das der Massentierhaltung. „Wir haben keine Qualitätskrise, sondern eine Vertrauenskrise“, so Hirschfelder.

Hierbei spielten auch die Medien eine große Rolle: „Sie leben von Skandalen, und die Massentierhaltung eignet sich dafür gut. Bilder sind leicht zu bekommen.“ Deshalb müsse die Landwirtschaft ein Zukunftskonzept entwickeln und dies in die Gesellschaft kommunizieren. „Der Dialog ist eine Chance“, sagte der Kulturwissenschaftler. Wichtige Voraussetzung dafür sei aber, die aktuelle Rolle von Landwirtschaft und Tierethik konsequent mit Selbstbewusstsein zu beschreiben. Hirschfelder ist sich sicher, dass uns die Umweltbedingungen eine verschärfte Ethikdebatte aufzwingen werden. „Die globalen Nahrungsmittelkrisen werden bis 2050 zunehmen. Da rollt noch einiges auf uns zu.“

Mehr Tierwohl nur gegen Bezahlung

Dass die Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Welternährung beiträgt, machte Dr. Albert Hortmann-Scholten von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen deutlich. „Wir haben eine hocheffiziente Tierhaltung, die auch im internationalen Vergleich ganz vorn dabei ist“, erklärte der Marktexperte. Wachstum ist nach seinen Worten für die Betriebe wichtig, um sinkende Margen auszugleichen. Gerade in der Milchviehhaltung gebe es derzeit einen riesigen Strukturwandel. „Die Wachstumsschwelle liegt inzwischen bei mehr als 100 Kühen. Jeden Tag geben 10 bis 11 Milchviehbetriebe auf, dafür wachsen die Betriebe mit mehr als 200 Kühen um mehr als 11 Prozent, die mit 100 bis 199 Kühen um 9,4 Prozent.“ Je größer die Betriebe sind, desto mehr könnten sie ein Mehr an Tierwohl realisieren.

Betriebswirtschaftlich sieht der Berater kaum Realisierungsspielräume für gesellschaftliche Wünsche, es sei denn, sie würden gesondert über spezielle Prämien honoriert. Dies hat sich die Initiative Tierwohl vorgenommen. Hortmann-Scholten warnte aber: „National Alleingänge beim Tierwohl sind nur mit finanziellen Add-ons möglich, sonst droht unseren Tierhaltern das Aus!“

Er verwies auf den Einbruch auf dem Eiermarkt, als in Deutschland die Käfighaltung der Legehennen verboten wurde. Die Eierproduzenten haben dadurch mindestens 20 Prozent Marktanteil verloren, und die Produktion sei ins Ausland verlagert worden. „Das müssen wir beachten, wenn wir das Thema Tierschutz debattieren. Am besten ist es, Mitbewerber aus dem Ausland mit ins Boot zu holen.“ Und noch etwas gab Hortmann-Scholten zu bedenken: „Je mehr Auflagen von der Politik gemacht werden, desto mehr kleine Betriebe steigen aus der Tierhaltung aus. Hier besteht ein Zielkonflikt.“ Zumal das Tierwohl als Absatzargument auf dem Weltmarkt keine Rolle spielt. Hier zählt einzig die Qualität des Fleisches.

Tierwohl frühzeitig kommunizieren

Für den Kommunikationsexperten Armin Huttenlocher müssen die Bauernfamilien ihre Tierhaltung anders kommunizieren als bisher. Ein erhebliches Problem bereite, dass die meinungsbildenden Medien und auch große Teile der Politik den Bezug zur praktischen Landwirtschaft verloren hätten. „Landwirtschaft fand in den Medien nicht mehr statt, nur noch bei Skandalen.

Die Reaktionen der Branche darauf waren nicht offensiv genug und nicht vertrauensschaffend. Lähmungen und Ausweichen sind fatal. Dann übernehmen andere das Wort. Das ist in der Landwirtschaft passiert“, erklärte Huttenlocher. Um dies zu ändern, würden neue Konzepte des Dialogs benötigt. „Die Initiative Tierwohl hat das Potential für ein Epoche übergreifendes Konzept“ lobte Huttenlocher. Allerdings nur, wenn es offensiv präsentiert werde und aktiv in die öffentliche Debatte hineingetragen werde. „Das ist bisher noch nicht geschehen“, erklärte der Kommunikationsexperte.

Das Kommunikationsverhalten habe sich grundsätzlich geän­dert. „Frühzeitige Kommunikation ist wichtig. Nehmen Sie die Verbraucher mit auf den Weg. Die Öffentlichkeit sollte sehen, von wem die Initiative ausgeht und auch mitbekommen, wo die Probleme liegen“, erklärte Huttenlocher. Das gelinge nicht, wenn erst über die Initiati­ve Tierwohl kommuniziert werde, wenn alles in trockenen Tüchern ist.

Imke Brammert-Schröder – LW 27/2014