Jüdischer Weinhandel, koscherer Wein, Boden und Terroir
Weinbausymposium in Meisenheim blickt zurück
Aus Anlass zweier Jubiläen organisierte das Weingut Klostermühle Odernheim KG ein Symposium mit anerkannten Experten zum Themenfeld „Weinbau an der Nahe“ im Meisenheimer „Haus der Begegnung“.

Foto: Norbert Krupp
Einfluss des Klimawandels auf den Weinbau
Den Einfluss des Klimawandels auf den Weinbau beschrieb Dr. Ulrich Matthes vom Mainzer Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Rheinland-Pfalz mit beeindruckenden Daten: „Seit den 1990er Jahren ist bei uns ein starker Anstieg der Durchschnittstemperaturen festzustellen. Seit 1987 ist die Durchschnittstemperatur im Saar-Nahe-Bergland um 1,6 Grad gestiegen – mehr als im Landes- und Bundesdurchschnitt. Unreife Jahrgänge hat es hier seitdem nicht mehr gegeben.“ Der Winter sei inzwischen 16 Tage kürzer, und der Herbst setze früher ein. Dadurch ergebe sich eine längere Vegetationsperiode – auch für den Weinbau. Allerdings sei in Zukunft häufiger mit Spätfrösten im Frühling und Starkregen im Sommer zu rechnen. Die Reife der Trauben setzte im Schnitt 30 Tage früher ein als noch vor 50 Jahren.
Die Zukunftsaussichten aus Sicht des Referenten: Je nach Szenario werde die Durchschnittstemperatur in unserer Region bis zum Jahr 2100 um 2,2 bis 5,9 Prozent steigen. Die Niederschläge in der Vegetationsperiode könnte in dieser Zeitspanne um zehn Prozent sinken oder aber auch um bis zu 20 Prozent zunehmen. Weil die Niederschläge oft als nicht versickernder Starkregen fielen und zudem mehr Verdunstung erfolge, bleibe insgesamt weniger Wasser für die Pflanzen und die von ihnen durchgeführte Phootosynthese.
Im Winter werde es kaum noch zu Schneebedeckung kommen und auch harte Winterfröste seien fast kein Thema mehr. Wertvoller Tipp des Experten im Hinblick auf Sonneneinstrahlung, Hitze und Wassermangel: „Am besten legt man die Rebzeilen von Süd-Westen in Richtung Nord-Osten an.“
Die Rolle von Juden im Weinbau und Weinhandel
„Die Rolle von Juden im Weinbau und Weinhandel“ beleuchtete Dr. Elke Vera Kotowski vom Moses-Mendelsohn-Zentrum in Potsdam: Der Weinhandel war seit dem Mittelalter eine Domäne der Juden in Mitteleuropa. Nach der Machtübernahme der Nazis brach 1933 der deutsche Weinvertrieb zusammen, denn 70 Prozent der Weinhändler waren damals jüdischen Glaubens und international gut vernetzt. Als neuer Vertriebsweg wurde damals die „Deutsche Weinstraße“ geschaffen. Kotowski könnte sich vorstellen, einen Forschungs- und PräsenÂtaÂtionsÂstandÂort zum Judentum im Weinbau in Meisenheim einzurichten.
Über die strengen Bedingungen für die Herstellung von koscheren Weinen und deren Vermarktungschancen berichtete Max von Kunow, der das renommierte Weingut von Hövel in Konz-Oberemmel betreibt. Nach der Lese übernehme Rabbiner Mendel Edelmann aus Luxemburg solange die Regie in seinem Betrieb bis die Weine auf Flaschen abgefüllt sind: Das sei „Kontrolle pur“, so von Kunow. Der bekennende Freund Israels will durch Produktion koscherer Weine einen Beitrag zur Versöhnung von Christen und Juden leisten und Frieden schaffen. Seine Mutter, eine geborene Heß, hatte jüdische Wurzeln – wie 20 Prozent der Deutschen.
Die Zusammenhänge zwischen Wetter, Klima und Boden verdeutlichte Prof. Dr. Dieter Hoppmann, der viele Jahre in Geisenheim gelehrt hat, anhand seiner Erkenntnisse aus dem Rheingau. Die Ursprünge des vinologischen Begriffs Terroir erläuterte Prof. Dr. Klaus Schaller, ebenfalls ehemaliger Hochschullehrer in Geisenheim.
Zum Abschluss des Symposiums diskutierten Winzer über „Wege und Irrwege im Naheweinbau“. Dabei wurde deutlich, dass Dr. Peter Crusius, Armin Diel, Martina Linxweiler, Werner Schönleber und Thomas Zenz die Entwicklungen differenziert bewerten, weil sie diese aus unterschiedlichen Perspektiven sehen. Diels Resümee: „Die Nahe ist der Gewinner der letzten 20 Jahre.“
Norbert Krupp – LW 48/2017