Land der Melkroboter
Vier Betriebe beim Rindertag in Diemelsee vorgestellt
In Waldeck schlägt das Herz der Bauern für die Milch. Gemolken wird immer weniger im klassiÂschen Melkstand. Stattdessen erledigen das im beschaulichen Waldecker Land immer häufiger modernste Melksysteme. Die Struktur in der Region mit ihren mittelgroßen und innovativen Milchbetrieben scheint besonders geeignet für die Verbreitung des Melkroboters zu sein. So stellten Anfang dieser Woche gleich vier Landwirte aus einem Dorf, Sudeck, beim Waldeck-Frankenberger Rindertag ihre Betriebe mit automatischen Melksystemen vor.
Vorher hörten die 200 Landwirte in der Dansenberghalle in Diemelsee-Adorf Fachliches von Experten. Viele Junglandwirte waren im Saal und nachmitÂtags auf den Betrieben in Sudeck. Melkroboter sind in Hessen auf über 200 BetrieÂben im Einsatz.Mathias Harsch vom Landwirtschaftlichen Zentrum BaÂden-Württemberg (LAZBW Aulendorf) sprach über Chancen und RisiÂken des MelkÂroboters für den Betrieb. Richtig genutzt biete der MelkÂroboter, für den rund 150 000 Euro zu investieren sind, ein ideales System, besonders für Familienbetriebe, die häufig in der Arbeitswirtschaft an Grenzen stoßen. Neben den wirtschaftlichen und betriebliÂchen Aspekten stellte Harsch die mit automatischen Melksytemen einhergehenden neuen Anforderungen an die Landwirte heraus.
Weniger Routine, mehr Kontrolle
Wichtig sei für den Landwirt, sich auf die neue Arbeitsweise einzustellen, die zwar deutlich weniger Routinearbeiten, durch den Wegfall des starren zweimal täglichen Melkens, alÂlerdings deutlich mehr ManaÂgeÂment- und Kontrollaufgaben erfordere. So müssten neben der modernen Melktechnik, auch die Fütterung und Bestandsüberwachung im Griff behalten werden. Auch sprach Harsch über Untersuchungen, die er in Zusammenarbeit mit dem EutergesundheitsÂdienst Aulendorf durchgeführt hat. Das Thema Milchqualität habe in klassischen Milchbetrieben sehr hohen Stellenwert, es müsse in MelkÂroÂboterbetrieben neben dem Herdenmanagement höchste Priorität haben.
Harsch warnte davor, nicht vorschnell in ein neues Verfahren zu investieren. Automatische Melksysteme müssten zum Betrieb und seiner Arbeitsorganisation passen. Der Melkroboter habe viele Vor- aber auch einige Nachteile: „Das Euter nachmelken und es einschmieren, das kann der Roboter nicht.
Auch die Selektion roter (blutiger) Milch macht er erst dann, nachdem der Landwirt dies im System eingegeben hat“, so Harsch. Auch werde der Liter Milch bei automatischen Melksystemen teuerer erzeugt, gegenüber Betrieben, die beispielsweise mit im Fischgrätenmelkstand arbeiten. Und schließlich gebe es zwischen den Fabrikaten technische Unterschiede, die einige Landwirte begrüßten, andere aber ablehnten, wie zum Beispiel der seitliche oder frontaler Ein- und Ausstieg der Kuh.
Für den Landwirt bedeute der Einsatz insgesamt kaum weniger Arbeitszeit, weil er statt des Melkens, nun explizit mehr Zeit zur Herden- und Einzeltierüberwachung am Computer verbringen muss, damit der Betrieb erfolgreich läuft. Und doch sei der Zuspruch für dieses System gewaltig, weil der Landwirt flexibler seine Arbeit gestalten kann – für viele Bauern das ausschlaggebende Argument für den Melkroboter oder wie es Harsch auf den Punkt brachte „Der Melkroboter-Landwirt braucht nicht von der Eurotier abends um fünf zurück sein.“
Fördermittel für AMS-Einbau
Weitere Redner folgten: Der Einbau eines Melkroboters wird zurzeit in Hessen noch gefördert. Und zwar durch Kofinanzierung aus dem EuÂropäischen LandÂwirtÂschaftsfonds für Investionen im ländlichen Raum im Rahmen des Entwicklungsplans für den ländlichen Raum des Landes Hessen 2007 bis 2013. Heinz Werner von der LLH-BeÂratungsstelle in Fritzlar gab einen Ãœberblick zu den Möglichkeiten der einzelbetrieblichen Förderung im Milchviehbereich und den Fördervoraussetzungen. Werner verwies darauf, dass es derzeit unsicher sei, ob der Einbau eines Melkroboters ab 2014 noch gefördert werde.
„Precision-Livestock-Farming“
Tierarzt Adolf Höhmann von der gleichnamigen Firma „Tierbeobachtung“ aus Wichdorf im Schwalm-Eder-Kreis beschrieb zum Titel „Precision-Livestock-Farming“ modernste Technik zur Geburts- und Herdenüberwachung mit Stallkameras. Diese sollten mit robusten GeÂhäusen zum Schutz vor Spritzwasser und Staub, mit guter NachtsichtÂoptik und EDV ausgestattet sein.
Eine Kamera am Melkroboter liefere dem Landwirt wichtige Informationen zur Herdenführung, wie: Geht die Kuh zügig im Melkstand oder hat sie Angst? Gibt es Rangeleien der Tiere am Melkroboter?Im Betrieb der Brocke GbR wurden die FunkÂtioÂnen einer Stallkamera von Höhmann im Praxiseinsatz erläutert. Stallkameras werden auch über der KalÂbebucht angebracht. Sie filmen mittels Infrarottechnik auch im Dunkeln. „Mit einer guten Stallkamera kann der Landwirt am Feierabend im KuhÂstall bequem nach dem Rechten sehen und braucht kein Licht einzuschalten, sodass auch die Kühe Ruhe haben“, so Höhmann. Die Stallkamera steht über Kabel beziehungsweise kabellos (WLAN) mit der Zentraleinheit des Melkroboters in Verbindung. Die Aufnahmen werden gespeichert und durch entsprechende Software im Zeitraffer abgespielt. Wichtig ist weiterhin, dass der Landwirt die Bilder aktuell über seine Computer oder Smartphone abrufen kann, beispielsweise vom Schlepper aus.
Von der Menge bis zur Mortellaro
In Sudeck konnten am Nachmittag vier MelkÂroÂboterbetriebe besichtigt werden. Das Dorf mit rund 170 Einwohnern hat sieben Milchviehbetriebe, auf die fast 700 Milchkühe kommen. Besichtigt werden konnten die Betriebe von Heiko Behle, die Biederbick GbR, die Brocke GbR und der Betrieb Heinz Grebe. Die Landwirte erläuterÂten ihren Kollegen neben wichtigen Wartungs- und Pflegearbeiten des Melkroboters auch die praktische Nutzung der vielen Kontrollfunktionen am Display des Roboters. Diese informieren weit mehr als „nur“ über die Milchmenge und Inhaltstoffe. Ausgeklügelte Funktionen unterstützen professionell ebenso in der Gesundheitsüberwachung und warnen den Landwirt beispielsweise vor einer sich anÂkündigenden Mortellaroerkrankung der Klauen oder helfen, die Kuh in der sensiblen Transitphase, die Zeit circa einen Monat vor und nach dem Abkalben auch energetisch zu überwachen.
Eröffnet wurde der Rindertag von Wilhelm Spangenberg vom Fachdienst Landwirtschaft im Kreis Waldeck-Frankenberg und Stephanie Wetekam vom LLH, die das unÂterÂnehmerische Engagement der Landwirte und ihrer berufsständischen Vertretung in Hessen herausstellten.
Moe – LW 47/2012