Landwirte in Hessen erwarten unterdurchschnittliche Erträge

Sommer-Braugerste zurzeit nicht wettbewerbsfähig

Bei 37 Grad und bestem Erntewetter fand Mitte vergangener Woche ein Pressegespräch des Hessischen Bauernverbandes zum Thema „Braugerstenernte 2016“ in Leeheim im Hessischen Ried (Kreis Groß-Gerau) unweit des Rheins statt. Bei der Ernte einer Braugerstenfläche sah man einen gut entwickelten Bestand. Und doch enttäuscht die Gerste dieses Jahr viele Landwirte im Ertrag und vor allem im Preis.

Informierten über die Braugerstenernte 2016, von links: Karsten Schmal, Präsident des Hessischen Bauernverban­des; Werner Wald, Vorsitzender des Hessischen Braugerstenvereins; Hessische Braugerstenkönigin Stella I; Peter Klingmann, Geschäftsführer Marketinggesellschaft Gutes aus Hessen; Dirk Sewe, Pfungstädter Brauerei.

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„Letztes Jahr war das Frühjahr und der Sommeranfang zu trocken, dieses Jahr war es zu nass. Vor drei Jahren mussten wir viele Felder mit Sommerungen bestellen, weil die Bestände ausgewintert waren. Während der vergangene Winter eigentlich keiner war und das Wintergetreide sich gut darstellte.“ Mit diesem Blick auf die sich in jedem Jahr für Landwirte neu darstellenden Herausforderungen, um Erträge zu erwirtschaften, eröffnete HBV-Präsident Karsten Schmal die Veranstaltung vor den Medienvertretern in der Halle von Landwirtschaftsmeister Werner Wald. Schmal informierte über den Stand der Getreideernte 2016 in Hessen und über die Situation der Betriebe.

Bislang seien die Ergebnisse der Gerste ernüchternd, nicht selten sogar enttäuschend, konstatierte Hessens Bauernpräsident. Die Ernte 2016 in Hessen sei Anfang Juli angelaufen. Die Ernte habe in diesem Jahr auch in seiner Heimat in Waldeck früh begonnen. Die Landwirte seien überrascht worden, wie schnell die Gerste in wenigen Wochen abgereift ist. So lag dieses Jahr der Erntestart in Nordhessen kaum hinter dem in Südhessen. Üblicherweise sei es etwa zwei Wochen später.

Und nun: „Die Wintergerstenernte in Hessen ist durch. Als erstes Ergebnis stellen wir fest, dass die Erträge nicht passen und auch nicht die Hektolitergwichte“, so Schmal. Der HBV-Chef begründet das nicht zufrieden stellende Ergebnis damit, dass die letzte Phase, die Abreife des Korns, nicht optimal gelaufen sei. Das Getreide hat infolge der vielen Niederschläge im Frühjahr nicht tief gewurzelt, dann sei es aber aufgrund der plötzlichen Hitze zu schnell gereift. Bei Gerste erwartet der HBV einen um circa 10 Prozent niedrigeren Ertrag gegenüber dem Mittel.

Empfindliche Einbußen bei Menge und Qualität

Schwierig stelle sich die Lage für die Braugerstenanbauer dar, die besonders hochwertige Gerste erzeugen müssen, damit sie an die Mälzereien verkauft werden kann und nicht im Futtertrog landet. Bei Braugerste soll ein Vollgerstenan­teil von mindestens 90 Prozent und eine Keimfähigkeit von über 98 Prozent sowie ein Eiweißgehalt von um die 10 Pro­zent erreicht werden. Dieses Jahr hat sich gezeigt, dass aufgrund des hohen Pilzdrucks im Juni Fungizid behandelte Bestände einen circa 20 bis 30 Prozent höheren Ertrag gegenüber unbehandelten Beständen brachten.

Preis liegt deutlich niedriger als zur Ernte 2015

Hessens Landwirte werden dieses Jahr im Ackerbau vermutlich auf breiter Front enttäuscht, ist seine Sorge. So rechnet Schmal damit, dass auch der Raps als Folge des Pilzbefalls im späten Frühjahr, wie der Weißstängeligkeit, nicht ganz den Ertrag bringt, den sich die Landwirte erhoffen, obwohl auch hier die Be­stände im Frühjahr durchweg gut aussahen.

Für Braugerste werden aktuell nur etwa 16 Euro pro Dezitonne gezahlt. Vor einem Jahr erhielten die Bauern noch über 18 Euro. Grund für den Preisverfall beim Getreide ist, dass in der EU sowie weltweit gute Ernten erwartet werden.

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Dieser verhaltene Trend zeichne sich ebenfalls für den Weizen ab. Zumindest deuteten die ersten Mähdrusch­ergebnisse aus Südhessen darauf hin, die etwas niedriger seien, als in den Vorjahren. Für eine abschließende Beurteilung sei es zwar noch zu früh, betonte der Präsident des HBV, aber nach dem Beginn der Getreideernte ließen die ersten Ergebnisse diese Prognose zu.

EU-weit werden relativ gute Getreideernten erwartet, vielfach gibt es auch Restbestände aus dem Vorjahr, die noch auf den Markt kommen, so Schmal. So sind es vor allen Dingen die zu niedrigen Erzeugerpreise, die den Anbau von Mähdruschfrüchten unrentabel ma­chen. Weizen bringe derzeit circa 13 Euro/dt. Für Win­­ter­gers­te erziele man höchstens 11 Euro je dt. Vor einem Jahr erhielten die Bauern noch 15 Euro. Für Braugerste sei im Vorjahr 18,50 Eu­ro/dt bezahlt worden, dieses Jahr 15 bis 16 Euro. Dem Braugerstenanbauer fehlen damit mehr als drei Euro je dt, stelle er fest.

Sommergerste: Kosten sind 200 Euro/ha über Leistung

Werner Wald, Vorsitzender des Hessischen Braugerstenvereins, erläuterte den Braugersten­anbau der Wald GbR von Werner (62) und Mario (35) Wald, den sie mit Partnerin und zwei Mitarbeitern betreiben. Der Betrieb ist in der siebten Generation der Familie Wald und umfasst einschließlich Bewirtschaftungs­verträge mit mehreren Sonderkulturbetrieben circa 800 ha. Auf 170 ha wird Braugerste angebaut, davon auf 110 ha die Winterbraugerstensorte Te­ppee zur Vermehrung.

Eine Kernaussage seines Beitrags lautete, dass der Ertragsabstand von Winterbraugerste zur Sommerbraugerste in diesem Jahr besonders groß ist. Im Schnitt hat der Betrieb Wald bei der Winterbraugerste 75 dt/ha geerntet, bei Eiweißwerten zwischen 10,2 und 10,5. Die Erträge bei Sommergeste seien um 24 dt/ha niedriger gegenüber der Winterbraugerste. „Die Ernte ist nicht so, wie wir uns das im Vorfeld vorgestellt haben. In diesem Jahr haben wir kaum Vollgerste. Die Gerste ist nicht bauchig, das ist für uns Braugerstenanbauer schwierig“, stellte Wald fest. Bei Sommergerste sei keine kostendeckende Produktion möglich. „Landwirte bringen 200 bis 300 Eu­ro je ha beim Anbau von Sommer-Braugerste mit. Wir haben uns daher von der Sommer-Braugerste verabschiedet“, lautete sein Fazit.

Neben dem Ertragsrückstand zur Winterung spreche ein Standort bedingter Grund für den Anbau von Winterbraugerste im Betrieb. Produktionstechnisch seien Sommerungen auf den ansonsten mit circa 60 Bodenpunkten fruchtbaren Riedflächen wegen der „Minutenböden“ schwierig anzubauen. Die Flächen sind im Frühjahr nur in kurzen Phasen bearbeitbar. So lasse sich im Betrieb besser der Anbau von Winterbraugerste bewerkstelligen.

Er sagte, die Malzfabriken der Pfungstädter Brauerei akzeptieren auch gute Winterbraugerste. Wald fügte hinzu: „Nicht nur bei den Mälzereien und Brauereien ist der Wettbewerbsdruck zwischen den Unternehmen enorm. Auch in der Landwirtschaft: Wenn Du einen Mähdrescher fährst, der 400 000 Euro kostet, dann muss der 600 ha in einer sehr kurzen Zeit leisten können.“

Dirk Sewe, Leiter für das Marketing der Pfungstädter Brauerei, betonte ein klares Bekenntnis seines Unternehmens zur Region. Regional erzeugtes Bier sei zentraler Teil des Geschäftsmodells der Pfungstädter Brauerei. „Wir sind eine Brauerei aus der Region und brauen das Bier für unsere Kunden in der Region. Die Braugerste beziehen wir ausschließlich von Betrieben aus Hessen. All dies schätzt der Verbraucher in den letzten Jahren wieder mehr“, ist sein Eindruck. Man wisse, dass man mit den Landwirten in der Region verlässliche Partner habe und bekomme eine solide Qualität über Jahre hinweg geliefert.

Anteil Landwirtschaft an der Wertschöpfung erhöhen

Peter Klingmann, Geschäftsführer der Marketinggesellschaft Gutes aus Hessen, informierte über die seit 27 Jahren bestehende Marketinggesellschaft mit zurzeit 700 Partnerbetrieben an der Regionalmarke „Gutes aus Hessen“, darunter drei Mälzereien und zwei Brauereien (Pfunstädter und Kronenhof). Im Jahr werden 280 Mio. Euro Umsatz mit Produkten unter „Gutes aus Hessen“ erzielt, davon 36 Prozent auf der Erzeugerstufe der Landwirtschaft. Allerdings lag der Anteil bereits bei 40 Prozent. Ziel sei, den Anteil der Landwirtschaft an der Wertschöpfung zu erhöhen, so Klingmann.

Die erste Hessische Braugerstenkönigin, Stella Korinski aus dem südhessischen Bickenbach, meinte „Man will immer alles ganz günstig haben, aber vergisst diejenigen, die dahinter stehen wie die Bauern und Verarbeiter.“ Es gerate in Vergessenheit, woher die Erzeugnisse kommen, begründete die 19-Jährige ihr ehrenamtliches Engagement für die Braugerste.

Moe  – LW 30/2016