Landwirtschaft zwischen Wunsch und Wettbewerb
Debatte beim Startschuss „Tag des offenen Hofes“
Der „Tag des offenen Hofes“ bietet nicht nur echte Landwirtschaft im Stall und auf dem Feld, sondern ist auch ein Forum lebhafter Diskussionen. Beim Bundesauftakt auf dem landwirtschaftlichen Betrieb der Familie Purpus in Seesbach kamen auch die Herausforderungen und Perspektiven der Branche zur Sprache. Politische Schwergewichte aus Landwirtschaft, Ministerien und Verbänden debattierten über „Landwirtschaft zwischen Wunsch und Wettbewerb“.

Foto: Carina Gräschke, BDL
Pragmatische Lösungen werden gebraucht
Milchviehhaltung und Ackerbau sind zwei der Standbeine des Familienbetriebs. Aufgrund der Lage im Ort erschweren Baurecht und Emissionsschutzrichtlinien den Umbau. Dass mehr Tierwohl dennoch gelingt, ist der Leidenschaft und Kreativität der Landwirte zu verdanken. „Es braucht mehr Unterstützung und weniger Bürokratie, damit unsere Höfe Zukunft haben“, so Purpus beim „Talk im Hunsrück“. Dazu gehöre angesichts der steigenden Risiken durch die Klimaveränderungen auch die Einführung einer gesamtdeutschen Lösung für Mehrgefahrenversicherungen, wurde der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, konkret. Der Berufsstand wolle nachhaltigen Pflanzenschutz, aber keine SUR Deutschland (Sustainable Use Regulation - SUR). „Vielmehr brauchen wir pragmatische Lösungen, die mit der Praxis und der Wissenschaft erarbeitet werden“, stellte er sich gegen ordnungsrechtliche Ideen.
Zur Diskussion um das geplante „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ sagte Oliver Conz, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Minister Özdemir plane aktuell keine Verbote im Bereich des Pflanzenschutzes: „Wir werden nicht mit dem Ordnungsrechthammer kommen“, versprach er im Hunsrück und warb um Verständnis für die Menschen, die sich Sorgen um die Artenvielfalt machen.
Theresa Schmidt brachte die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft auf die Hunsrücker Bühne, die gesamtgesellschaftlich vor drei Jahren ausgehandelt wurden und noch immer der Umsetzung harren. „Das bremst uns aus“, sagte die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend. Zukunft brauche gute Rahmenbedingungen. Dazu gehöre eine solide und auch flächendeckende Junglandwirte-Förderung. „Dazu gehören aber auch Mobilfunk und Internet, die nicht an Bergen scheitern, wie hier auf dem Hof. Die Digitalisierung kann unsere Arbeit leichter machen. Sie kann uns helfen, weniger Pflanzenschutz einzusetzen und Arbeitskräfte einzusparen, aber wenn auf dem Feld der Empfang so „gut“ ist wie hier in der Maschinenhalle, geht das nicht“, sagt die Landjugend-Vorsitzende.
Nur elf Prozent der Betriebe werden von Frauen geleitet
Ursula Braunewell berichtete, dass aktuell nur elf Prozent der Betriebe von Frauen geleitet werden. Dabei sei der Fachkräftebedarf enorm. „Das liegt nicht an ihrer Ausbildung, sondern an strukturellen Zugangshindernissen“, so die Vize-Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbands. Neben überholten Geschlechterbildern, die sich nur langsam wandeln, geht es um die Lücken in der sozialen Absicherung von Frauen – egal ob bei Schwangerschaft oder im Alter.
Die Diskussion zeigte eindrucksvoll, wie vielfältig und komplex Landwirtschaft heute ist. Mit Blick auf die anstehenden Haushaltsverhandlungen in Brüssel und auf die enormen Herausforderungen in der Landwirtschaft forderte Bauernpräsident Joachim Rukwied, das Agrarbudget „deutlich auszuweiten.“
Klare Worte, für die der „Tag des offenen Hofes“ Verständnis schafft, aber dessen Perspektivwechsel auch Denkanstöße für zukünftige Entwicklungen geben.
bdl – LW 25/2024