Landwirtschaftsnahe Sozialversicherung

Die Diskussion um eine eigenständige Sozialversicherung der Landwirte hat mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Hofabgabeklausel an Fahrt aufgenommen. Das Gericht hat bekanntermaßen die Klausel in Teilen für verfassungswidrig erklärt, wenn sie dem Landwirt in unzumutbarer Weise Einkünfte entzieht, die zur Ergänzung der nur als Teilsicherung ausgestalteten Altersrente notwendig sind. Ob die Klausel in irgendeiner Form weiter bestehen bleibt, ist fraglich. Die Union will an ihr festhalten, weil sie von den agrarstrukturellen Wirkungen überzeugt ist, die SPD möchte sie seit langem komplett abschaffen. Durch die Anpassungen in den vergangenen Jahren erfasst die Hofabgabeklausel ohnehin nur noch einen Teil der Landwirte. Auch das hat das Verfassungsgericht gerügt. Der Bund unterstützt die Alterssicherung der Landwirte im Rahmen der Defizithaftung mit erheblichen Zuschüssen, derzeit zirka 80 Prozent der Leistungsausgaben, im Verhältnis weit mehr als die gesetzliche Rentenversicherung. Dies wurde von Befürwortern der Hofabgabeklausel in den Diskussionen oft warnend vermerkt. Das Argument: Sollte die Gestaltungsmöglichkeit der Politik mit dem Ziel einer besseren Agrarstruktur wegfallen, könnte der Wille, die eigenständige Absicherung zu stützen, schwinden.

Entscheidend ist allerdings die Frage, ob sich der Bund ein eigenständiges System leisten will. Er unterstützt die Sondersysteme der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, weil die Bewältigung der Lasten des Strukturwandels – immer weniger Einzahler und im Verhältnis immer mehr Leistungsempfänger – als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen wird. Dieser Verantwortung muss sich der Bund weiter stellen. Die Landwirte auf der anderen Seite müssen sich bewusst sein, dass das eigenständige, landwirtschaftsnahe System viele Vorteile bietet und auf die spezifischen Bedürfnisse der Betriebe abgestimmt ist. In einem großen Topf in einer allgemeinen gesetzlichen Versicherung wird dies kaum darzustellen sein.

Cornelius Mohr – LW 38/2018