Lidl führt Fleischkennzeichnung nach Haltungskriterien ein

Vierstufiges Modell ab April auf Eigenmarken

Lidl will ab April in Deutschland eine Haltungskennzeichnung auf Frischfleisch-Verpackungen seiner Eigenmarken einführen. Wie das Unternehmen kürzlich mitteilte, wird die Kennzeichnung in Form eines Vier-Stufen-Modells analog zur Eierkennzeichnung erfolgen und sich auf Schwein, Rind, Pute und Hähnchen beziehen.

Lidl will ab April eine Haltungskennzeichnung auf Frischfleisch-Verpackungen seiner Eigenmarken einführen.

Foto: imago images/Dean Pictures

Nach Angaben des Discounters entspricht die Stufe 1 „Stallhaltung“ den gesetzlichen Vorgaben. Die Stufe 2 „Stallhaltung Plus“ biete den Tieren mehr Platz sowie Beschäftigungsmaterial. In Stufe 3 „Auslauf“ müssten die Tiere Zugang zu Außenklima­bereichen haben und gentechnikfrei gefüttert werden. Die Stufe 4 entspreche den gesetzlichen Bestimmungen für Biofleisch.

Lidl will alle Akteure der Lieferkette „mitnehmen“

Längerfristig will das Unternehmen das komplette Eigenmarkensortiment im Bereich Frischfleisch „auf mindestens Stufe 2“ anheben. Der Geschäftsleiter Einkauf bei Lidl Deutschland, Jan Bock, erklärte, man wolle alle Akteure der Lieferkette mitnehmen und insbesondere Landwirte unterstützen. Ziel sei es, sukzessive den Standard in Sachen Tiergesundheit und Tierwohl zu steigern. Ab Anfang 2019 soll rund die Hälfte aller Lidl-Frischfleischprodukte mindestens auf Stufe 2 sein. Parallel dazu will der Discounter sein Biosortiment ausbauen und mit dem Deutschen Tierschutzbund weiter am Label „Für Mehr Tierschutz“ arbeiten. Während sich der Berufsstand offen gegenüber der Ankündigung zeigt, wurden gleichzeitig von Seiten der Ökoverbände und von Umweltschützer die Rufe nach einer staatlichen verpflichtenden Kennzeichnung lauter.

Ferkelerzeugung berücksichtigen

Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht das geplante Stufenmodell nicht als Gegenentwurf, sondern als Umsetzung der Initiative Tierwohl (ITW) in den Eigenmarken des Discounters an. Nach den bisher bekanntgewordenen Plänen würden die Frischfleischerzeugnisse der Stufe 2 denen der ITW-Anforderungen entsprechen, hieß es beim DBV in Berlin. Verbandspräsident Joachim Rukwied erinnerte außerdem im Deutschlandfunk an die derzeitige Diskussion um eine verpflichtende Kennzeichnung der Haltungsform. Hier priorisiere der DBV die Dreistufigkeit. Die Diskussion habe man aber noch nicht abschließen können. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) nannte den Ansatz „interessant und mutig“. Man sei gespannt, ob und wie der Kunde an der Ladentheke darauf reagiere. Am Ende werde es aber entscheidend sein, die ganze Kette bei der Kennzeichnung zu berücksichtigen. Auch die Ferkelerzeugung, die Lidl bislang noch außen vorlassen will, müsse als entscheidender Teil der Kette sehr schnell eingebunden werden, fordert die ISN. Werde sie nicht berücksichtigt und würden zusätzliche Leistungen nicht honoriert, gerieten die ohnehin „gebeutelten deutschen Ferkelerzeuger“ weiter ins Hintertreffen.

Der Tierschutzbund begrüßte den von Lidl angekündigten Schritt. Allerdings wäre es wünschenswert, wenn sich Lidl noch stärker an der Staffelung bei den Eiern orientiert hätte, mit der dortigen Abstufung von 0 für Bio bis zu 3 für die Käfighaltung, so die Tierschützer. Der Geschäftsführer des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Peter Röhrig, sprach von einem „Vakuum“, das die Politik gelassen habe und das der Handel nun fülle. Die neue große Koalition müsse sich gut überlegen, ob sie weitere vier Jahre der Realität hinterherlaufe „oder mutig eine echte Haltungskennzeichnung einführt“. Für den Vorsitzenden der grünen Bundestagsfaktion, Anton Hofreiter, ist es ein „Armutszeugnis für die Bundesregierung“, dass einzelne Handelsketten ein eigenes Fleischkennzeichnungssystem entwickeln. Er hätte gerne die Einführung einer gesetzlichen Kennzeichnungspflicht verbindlich im Koalitionsvertrag von Union und SPD festgehalten gesehen. Nach Ansicht der verbraucherschutzpolitischen Sprecherin der FDP-Fraktion, Katharina Kloke, ist der geplante Lidl-Haltungskompass dagegen ein gutes Beispiel für „einfache und transparente Verbraucherinformation“. Anstatt die Konsumenten staatlich zu bevormunden oder die Hersteller und Händler durch weitere Auflagen oder Gebühren zu gängeln, setze man auf den mündigen Verbraucher.

age – LW 7/2018