Mangelhafte Grundlagen für die Ausweisung von Roten Gebieten
Stand der Dinge beim Normenkontrollverfahren
Die Flächenbewirtschaftung in Roten Gebieten im Rahmen der Düngeverordnung ist erheblich eingeschränkt. Unzureichende und zum Teil fehlerhafte Grundlagen für die Ausweisung und die ungenügende Berücksichtigung anderer Quellen für die erhöhten Nitratwerte im Grundwasser sind die Kritik des Berufsstandes. Der Hessische Bauernverband (HBV) hat deshalb ein Gutachten von einem Hydrogeologischen Institut erstellen lassen. Mehrere betroffene Landwirte haben gegen die hessische Ausführungsverordnung der Düngeverordnung eine Normenkontrollklage angestrengt. Das LW schildert im Folgenden den Stand der Dinge.

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Sechs Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof
In Hessen besteht die Möglichkeit, gegen Verordnungen der Landesregierung ein Normenkontrollverfahren vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung der Verordnung einzuleiten. In diesem Verfahren kann jeder, der von der Verordnung betroffen ist, diese auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen lassen, ohne dass er bereits eine Anlastung wegen eines Verstoßes gegen die Verordnung von der Behörde erhalten hat. Wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel auf Anfrage des LW mitteilte, sind sechs Normenkontrollverfahren bei Gericht eingegangen. Die Verfahren werden von dem für Wasserrecht zuständigen Senat des Verwaltungsgerichtshofs bearbeitet.
Wenn der Verwaltungsgerichtshof die Verordnung formell oder inhaltlich als rechtswidrig einstuft, erklärt er sie für alle Betroffenen für unwirksam, unabhängig davon, ob der einzelne Landwirt ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geführt hat. Es ist aber auch möglich, dass der Verwaltungsgerichtshof nur die Ausweisung einzelner Roter Gebiete oder einzelne Auflagen als rechtswidrig einstuft, dann würde die Verordnung nur in Teilen für ungültig erklärt.
In Rheinland-Pfalz kein Normenkontrollverfahren
Darin unterscheidet sich die Normenkontrolle von individuellen Klagen, die sich gegen eine Entscheidung einer untergeordneten Behörde richten. Dort bindet der Ausgang des Verfahrens nur die unmittelbar beteiligten Personen oder Behörden.
Ein negatives Urteil des Verwaltungsgerichts Trier auf eine Klage eines rheinland-pfälzischen Landwirts hat für Verunsicherung unter den hessischen Landwirten gesorgt, ob sich ein Gerichtsverfahren überhaupt lohnt. Anders als in Hessen, gibt es in Rheinland-Pfalz jedoch kein Normenkontrollverfahren gegen Verordnungen der Landesregierung.
Daher hatte in Rheinland-Pfalz ein Landwirt eine Feststellungsklage erhoben, mit der er erreichen wollte, dass die verschärften Auflagen in den Roten Gebieten für ihn nicht gelten. Diese Klage hat das Verwaltungsgericht Trier aus formalen Gründen abgelehnt, zum einen weil die Auflagen erst 2021 gelten und der Landwirt daher noch nicht davon betroffen ist, zum anderen hat das Gericht festgestellt, der Landwirt könnte bei einer Anlastung wegen eines Verstoßes gegen die verschärften Auflagen die Rechtmäßigkeit der Landesdüngeverordnung in jenem Verfahren klären lassen. Es bestehe kein aktuelles Rechtschutzbedürfnis.
Klagen durch Gutachten des HBV untermauert
In den Verfahren beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof werden die Klagen wesentlich durch die Befunde aus dem Gutachten zum Nitrat-Messstellennetz, das von der Hydroconsult GmbH im Auftrag des Hessischen Bauernverbandes erstellt wurde, untermauert. Neben der hessischen Ausführungsverordnung wird von dem Verwaltungsgerichtshof auch mittelbar geprüft, ob die Düngeverordnung des Bundes mit höherrangigem Recht insbesondere mit dem Grundgesetz und den EU-Vorgaben vereinbar ist.
Wie ändert sich die Lage durch die neue Verordnung?
Ob die klagenden Landwirte nach der Neuausweisung der Roten Gebiete weiter betroffen sein werden, ist derzeit noch nicht absehbar. Denn mit der Änderung der Düngeverordnung des Bundes vom 1. Mai 2020 ist eine Überprüfung und Binnendifferenzierung der Roten Gebiete, die bisher einen ganzen Grundwasserkörper umfassen, bis zum 31. Dezember 2020 vorgeschrieben. Sollte diese Neuausweisung bis dahin nicht erfolgen, müssen die Auflagen bei der Bewirtschaftung in den Roten Gebieten entsprechend der hessischen Ausführungsverordnung zur Düngeverordnung vom August 2019 beachtet werden.
Dann hätte aber jeder Landwirt, der in einem Roten Gebiet liegt, die Möglichkeit, sich mit einer Feststellungsklage und einem Eilantrag an das örtliche Verwaltungsgericht zu wenden, um gerichtlich überprüfen zu lassen, ob die Auflagen noch Bestand haben, obwohl die vom Bundesgesetzgeber vorgeschriebene Neuausweisung der Roten Gebiete nicht fristgemäß erfolgt ist.
Sollte ein Landwirt mit seinen Flächen sowohl in den alten Roten Gebieten als auch nach Neuausweisung in den neuen Roten Gebieten liegen, kann er die neue Hessische Ausführungsverordnung wiederum mit einem Normenkontrollverfahren innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung überprüfen lassen, da die Neuausweisung aufgrund einer neuen gesetzlichen Bundesvorgabe, Düngeverordnung 2020, und anderen fachlichen Bewertungsvorgaben erfolgt. Genauso kann ein Landwirt, der erstmals in einem Roten Gebiet liegt, die Verordnung mit einem Normenkontrollverfahren überprüfen lassen.
Nur eine Messstelle für 163 Quadratkilometer
Dass die mit den gerichtlichen Verfahren aufgezeigten Mängel nicht unbeachtlich sind, zeigt sich zum Beispiel daran, dass in der nun in Kraft getretenen Verwaltungsvorschrift des Bundes zur Düngeverordnung ein Messstellennetz von mindestens einer Messstelle je 50 Quadratkilometer für die Beurteilung eines Grundwasserkörpers gefordert wird. Diese Messstellendichte ist aus Sicht der Fachwissenschaften noch immer zu grobmaschig, nötig wäre eine Messstelle je 12,5 bis 20 Quadratkilometer.
Das Gutachten der Hydroconsult im Auftrag des Hessischen Bauernverbandes hat aufgedeckt, dass in einem Fall dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) eine einzige Messstelle für ein Gebiet von 163 Quadratkilometer genügt hat, um eine Einstufung als Rotes Gebiet vorzunehmen. Nach Informationen aus einigen Landkreisen werden Messstellen derzeit saniert oder auch neue angelegt.
LW – LW 42/2020