Milcherzeuger vor neuen Herausforderungen der Märkte
Starker Strukturwandel innerhalb weniger Jahrzehnte
Wenn der Verbraucher im Lebensmittelmarkt einen Liter Milch kaufte, merkte er nichts von den komplexen Regeln eines quotierten europäischen Milchmarktes. Für die einen Milcherzeuger war die QuoÂtenregelung ein Segen, für die anderen ein Fluch. Dr. Günther Lißmann vom Regierungspräsidium in Kassel hat sich über viele Jahre mit der Quotenverwaltung befasst und wirft einen Blick zurück.

Foto: Moe
Das Quotenregime mit seiner Milchpreisstützung entschärfte den Strukturwandel. Hingegen Kritiker sagen, dass die Quote eine Achterbahnfahrt der Milchpreise nicht verhindern konnte. Das galt aber nicht für die 22 Quotenjahre bis zum Jahr 2006. In dieser langen Zeit bewegten sich die Jahresdurchschnittspreise in einem relativ engen Korridor von 27 bis 31 Cent/kg Milch.
Erst in der Zeit danach, als die Maßnahmen zum Quotenausstieg, wie Abbau der Intervention, Öffnung des EU-Marktes und Aufstockung der Quote, Wirkung zeigten, entstanden die starken Preisschwankungen. Die Einführung der Quote war keine leichtfertige Entscheidung. Bei der Einführung der Quote im Jahr 1984 kämpften die damaligen zehn EU-Mitgliedsstaaten mit Überschüssen, die sich in Milchseen und ButterÂbergen manifestierten.
80 Prozent der Betriebe beendeten Milcherzeugung
Die Ausgaben für die MilchÂmarktÂordnung beliefen sich damals auf jährlich über 6 Mrd. Euro. Zu der Zeit den Milchmarkt ohne jegliche Regelung den freien Kräften des WeltmarkÂtes auszusetzen, wäre den Landwirtsfamilien gegenüber aus sozialpolitischen Gründen nicht zu verantworten gewesen. Alleine in West-Deutschland gab es zu dieser Zeit noch 370 000 milchkuhhaltende Betriebe mit insgesamt 5,6 Mio. Kühen. Heute dagegen verfügt Gesamtdeutschland nur noch über rund 77 000 MilchkuhÂhalter und 4,3 Mio. Kühe. Der gewaltige Strukturwandel, in dem 80 Prozent der MilchÂerÂzeuger aufgaben, wurde durch die Quote nicht verhindert, aber erÂheblich abgemildert und sozialverträglicher gestaltet.
Dr. Günther Lißmann – LW 45/2015