Mittlere Flächenausstattung, überdurchschnittliche Leistung

Milch und Futterbau sind Stärken der Betriebe Nordhessens

Landwirtschaft in Nordhessen – aufgestellt für die Zukunft? Dieser Frage ging in der vergangenen Woche der Kreisausschuss des Landkreises Waldeck-Frankenberg im Naturparkzentrum Kellerwald in Vöhl unter Leitung von Landwirtschaftsdezernent und Kreislandwirt Friedrich Schäfer mit rund 30 Teilnehmern nach.

Ein Großteil der Flächen im Kreis Waldeck-Frankenberg wird zur Futterer­zeu­gung genutzt. Der überwiegende Anteil des Einkommens der Betriebe kommt aus der Rinderhaltung. In der Milcherzeugung sind die Betriebe besonders leistungsstark. Die lang anhaltende Krise am Milchmarkt hat aber auch hier Betriebe zur Aufgabe gezwungen.

Foto: Dr. Hildebrandt

Anne Mawick, Fachgebietsleiterin Ökonomie und Markt beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, informierte über die hessischen Betriebsstrukturen und ging in einem detaillierten Vergleich auf die Landwirtschaft im Landkreis Waldeck-Frankenberg ein. Dabei stützte sie ihre Aussagen auf Ergebnisse der hessischen Regionalstatistik und Buchführungsauswertungen des hessischen Testbetriebsnetzes. Von den 16 400 landwirtschaft­lichen Betrieben, die 2015 in Hessen erfasst waren, wirtschafteten 37 Prozent mit 80 ha Landwirtschaftliche Nutzfläche (LF) im Haupterwerb und 63 Prozent mit rund 25 ha LF im Nebenerwerb. Die Durchschnittsgröße der landwirtschaftlichen Betriebe beträgt rund 46 ha LF. Von der hessischen Gesamt-LF mit 769 500 ha werden 472 100 ha als Ackerland (61,4 Prozent) und 290 800 ha als Dauergrünland genutzt.

Der Mittelgebirgsstandort Wal­deck-Frankenberg mit 1 748 Betrieben und 68 651 ha LF unterscheidet sich in den Betriebsstrukturen nur gering, verfügt jedoch naturbedingt über einen höheren Grünlandanteil (42 zu 38 Prozent). Die Höhenlage und rauheren Klimabedingungen haben zudem bei den wichtigsten Ackerfrüchten wie Weizen, Raps und Zuckerüben ein geringeres Er­tragsniveau zur Folge. Jedoch werden in Nordhessen deutlich mehr Tiere gehalten. Während der Viehbesatz in Hessen bei 0,62 Großvieheinheiten (GV) je ha liegt, werden im Kreis Waldeck-Frankenberg pro ha 0,84 GV gehalten. Mehr als im hessischen Schnitt, allerdings noch weit unter den Tierbeständen der viehstarken Regionen in Nordwestdeutschland.

Die Milch hält eine ganze Region „auf Trab“

Insbesondere findet sich in den Mittelgebirgsregionen, zu denen der Landkreis Waldeck-Frankenberg zählt, eine stärkere Rinder- und Milchviehhaltung. Im Rahmen struktureller Anpassungen sind die Milchviehbestände seit 1971 in Hessen auf 43 Prozent und in Waldeck-Frankenberg auf 68 Prozent gefallen. Gleichzeitig haben die Bestandsgrößen überproportional zugenommen, sodass immer weniger Milcherzeuger mehr Kühe halten, heute sind dies im Durchschnitt 46 Kühe pro Betrieb. In Waldeck-Frankenberg liegt die durchschnittliche Bestandsgröße bei 80 Milchkühen. Die Wachstumsschwelle für Milchviehbetriebe liegt inzwischen bei mehr als 100 Kühen.

Optimistisch sieht die Referentin die künftige Milchpreisentwicklung, die derzeit aus dem Preistal der vergangenen Monate kommen dürfte. Als Indiz führt Mawick eine steigende Nachfrage, Spotpreise, die seit Anfang Oktober bereits bei über 40 Cent/kg liegen und anstehende positive Abschlüsse mit dem Lebensmitteleinzelhandel. Zudem gebe es perspektivisch gute Exportaussichten wegen des steigenden Ölpreises und eines langfristig ungebrochenen Nachfragesogs aus Schwellenländern.

Agrarinvestitionsförderung sollte genutzt werden

Bei Betrachtung der Investitionen im Rahmen der Agrarinvestitionsförderung im Zeitraum 2007 bis 2013 (die Zahlen für die sich anschließende Förderperiode werden erst 2017 veröffentlicht) wies die Referentin auf die regionalen Förderschwerpunkte in den hessischen Mittelgebirgsregionen hin. Neben Waldeck-Frankenberg lagen auch im Vogelsberg und in der Rhön die Förderschwerpunkte beim Bau von Rindviehställen, während im Landkreis Kassel und Schwalm-Eder-Kreis Schweineställe die größere Investitionsvolumen in Anspruch nahmen. Auch Geflügelställe nah­men hier einen bedeutenden Anteil ein. Investitionshilfen zur Diversifizierung wurden demgegenüber in den Ballungsgebieten in Anspruch genommen. Die Buchführungsergebnisse der geförderten Betriebe weisen zwischen 2007 und 2013 einen Umsatzanstieg von plus 99 Prozent aus. Bei den Betrieben ohne Förderung lag das Umsatzplus bei lediglich plus 56 Prozent. Hinsichtlich der Betriebsgewinne mussten die hessischen Betriebe nach den Ergebnissen der hessischen Regionalstatistik im Wirtschaftsjahr 2014/15 im Vergleich zum Vorjahr Einbußen von Minus 42,4 Prozent hinnehmen (81 000 zu 47 800 Euro). Nach einer Vorauswertung für das laufende Wirtschaftsjahr rechnet die Referentin mit einem weiteren Gewinnrückgang von Minus 10 Prozent. Dabei seien die Einkommensschwankungen zwischen den erfolgreichen und weniger erfolgreichen Betrieben enorm.

Bei den Futterbaubetrieben erzielten die weniger erfolgreichen Betriebe im Wirtschaftsjahr 2014/15 einen Verlust von Minus 5 111 Euro, der Durchschnitt 48 777 Euro und die erfolgreichen Betriebe 107 039 Euro. Im Kreis Waldeck-Frankenberg erzielten die Vergleichsbetriebe Gewinne von 6 071, 49 412 und 103 685 Euro. Gemessen am notwendigen Familieneinkommen von rund 50 000 wird diese Marge lediglich von den Durchschnittsbetrieben mit über 100 Kühen oder den erfolgreichen Betrieben mit rund 50 Kühen erreicht. Zukunftsfähige Betriebe müssen laut Mawick neben einem ausreichenden Einkommen Strategien und Ziele zur Unternehmensentwicklung verfolgen. Entscheidend sei die Frage, wohin sich das Unternehmen entwickeln soll. Besonders wichtig sei betriebswirtschaftliches Rüstzeug zur Bestimmung der Produktions- und Festkosten mit dem Ziel eine optimale Auslastung der Ressourcen zu erreichen. Erfolgreiche Betriebe fänden Wege, die Produktion zu optimieren und Reserven kurzfristig zu nutzen. Dabei würden auch Marktinformationen in die Entscheidungen einbezogen. Liquiditätsplanung würde immer als Controllingsinstrument genutzt. Wichtig sei für den Fall der Fälle auch ein Risikomanagement bei dem beim Ausfall des Betriebsleiters mittels Notfallordner die notwendigen Schritte leichter vollzogen werden können.

Anforderungen an die Betriebe steigen weiterhin

Für die Fortentwicklung der Landwirtschaft im Landkreis Waldeck-Frankenberg könnten sich allerdings die bestehenden Rahmenbedingungen weiter verschärfen. Mawick weist in diesem Zusammenhang auf viele Zielkonflikte in der Tierhaltung hin. Darunter seien unter anderem Konflikte zwischen Biodiversität und intensiver Grünlandnutzung, Emissionen versus Stallfläche, Frei­landhaltung versus Para­siten und Emissionen, Witterungsschutz versus Naturschutz, Laufhöfe versus Versiegelung und Emissionen und die regionale Erzeugung, die aber nicht vor meiner Nase statt finden soll zu verstehen. Gesellschaftliche Anforderungen nähmen zu und würden verstärkt auf Fragen der Produktion und Haltung Einfluss nehmen. Damit Landwirtschaft weiter erfolgreich betrieben werden kann, müsse die Politik bei der Verabschiedung weiterer Auflagen und der Verschärfung von Rahmenbedingungen dafür Sorgen, dass ein Ausgleich zwischen Kosten und Erlösen möglich ist.

Dr. Ernst-August Hildebrandt – LW 47/2016