Nadelholz und Artenschutz
Briloner Waldsymposium griff aktuelles Thema auf
Im Rahmen der DLG-Waldtage fand das 11. Briloner Waldsymposium auf dem Messegelände in Madfeld statt. Höhepunkt war die Diskussion zum Thema Nadelholz und Artenschutz – ein Widerspruch? Nein, sagen die Befürworter des Nadelholzes, die Nationale Strategie für biologische Vielfalt zitieren die Gegner des Nadelholzanbaus.

Foto: Setzepfand
Es wird viel mehr Nadelholz als Laubholz genutzt
Und dass in Deutschland die Flächenanteile von Laub- und Nadelholz in einem klaren Missverhältnis zum Einschlag stehen, dass bestätigte Dr. Björn Seintsch vom Thünen-Institut für Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie aus Hamburg. Demnach stehen auf den 11,4 Mio. ha Gesamtwaldfläche in Deutschland laut Bundeswaldinventur III von 2012 56 Prozent Nadelholz und 44 Prozent Laubholz.
In den jüngsten Altersklassen von ein bis 20 Jahren weist das Nadelholz einen Anteil von 42 Prozent und das Laubholz einen Anteil von 58 Prozent auf. „Die tatsächliche Nutzung in Deutschland, also der jährliche Einschlag, lag von 2002 bis 2012 im Durchschnitt bei 75,7 Mio. Efm, davon 76 Prozent Nadelholz und nur 24 Prozent Laubholz“, betonte Seintsch.
Wobei der Laubholzanteil überwiegend in die energetische Nutzung gelangte und das Nadelholz zu über 90 Prozent in die stoffliche Nutzung floss und somit eine hohe Wertschöpfung generierte.
Ähnliche Zahlen legte Dr. Volker Ehlebracht vom Cluster Wald und Holz NRW vor. Demnach lag die Gesamtnutzung in NRW von 2002 bis 2012 bei rund 7,9 Mio. m3, davon waren 5,8 Mio. m3 Nadelholz und 2,1 Mio. m3 Laubholz. „Allein die Sägewerke und die Holzwerkstoff- und Zellindustrie benötigen in NRW jährlich 6,2 Mio. m3 Nadelholz“, sagte Ehlebracht. Das Cluster Wald und Holz NRW stehe bundesweit dem Umsatz nach vor den Holzclustern in Baden-Württemberg und Bayern. Und die Anzahl der Beschäftigten im Gesamtcluster Wald und Holz NRW liege nach der Metallverarbeitung, dem Baugewerbe und dem Maschinenbau an vierter Stelle in NRW. Ehlebracht zog folgendes Fazit: „Das Land NRW bleibt zukünftig Importland von Nadelholz, die Stärke des Clusters Wald und Holz beruht auf der Nadelholzverarbeitung und auch zukünftig muss Nadelholz auf geeigneten Standorten angebaut werden, damit es gelingt, eine ausreichende Versorgung der Unternehmen in NRW mit Nadelholz sicherzustellen.“
„Wir verlangen in internationalen Gremien, dass zehn Prozent der weltweiten Wälder unter Schutz gestellt werden, um die Artenvielfalt zu erhalten und schaffen es selbst nicht, fünf Prozent des deutschen Gesamtwaldes und zehn Prozent des öffentlichen Waldes unter Schutz zu stellen“, sagte Dr. Anke Höltermann vom Bundesamt für Naturschutz. Diese Vorgaben wurden in der Nationalen Strategie für biologische Vielfalt festgelegt, das sei eine ressortabgestimmte Strategie der gesamten Bundesregierung. „Da Holz nach wie vor das wichtigste marktgängige Produkt der Forstwirtschaft ist, können andere Ökosystemleistungen des Waldes sowie die gesamten Funktionen der Daseinsvorsorge einschließlich der Naturschutzleistungen finanziell nur selten in Wert gesetzt werden und schlagen auch in öffentlichen Forstverwaltungen per se als Nutzungs- oder Ertragsausfall zu Buche“, bemängelt Höltermann in ihrem Beitrag zum Briloner Waldsymposium.
Bisher sind 1,9 Prozent des Gesamtwaldes aus der Nutzung
Bis 2013 wurden 1,9 Prozent des Gesamtwaldes aus der Nutzung genommen und drei Prozent des öffentlichen Waldes. Werden die nationalen Naturerbeflächen mit dem Ziel der Einstellung der forstlichen Nutzung zum öffentlichen Wald gezählt, hätte dieser sein Ziel bereits übererfüllt. Insgesamt sollen 581 307 ha Waldfläche im öffentlichen Wald aus der Nutzung genommen werden und 553 790 ha aus dem Gesamtwald, also insgesamt über 1,1 Mio. ha. „Defizite bestehen in öffentlichen Wäldern der Länder und Kommunen. Von einer weiteren Stilllegung forstlicher Flächen werden auch nadelholzgeprägte Wälder in begrenztem Umfang betroffen sein“, schreibt Höltermann in ihrem Beitrag.
Sie bemängelt, dass wichtige Ziele der Bundesregierung im Bereich Waldnaturschutz nicht erreicht wurden. Daher müsse das Engagement öffentlicher Waldeigentümer für die Ausweisung von Wäldern mit natürlicher Entwicklung, für ökologischen Waldumbau und angepasste Schalenwildbestände forstgesetzt und intensiviert werden. Die Bedeutung des Nadelholzes muss in diesem Zusammenhang kritisch hinterfragt werden, Der Nadelholzanteil in deutschen Wäldern beträgt laut BWI 3 immer noch 57 Prozent, in der natürlichen Vegetation wäre er bei 2 bis 3 Prozent, so Höltermann.
Im Anschluss referierte Jutta Seuring, Forstamtsleiterin Kellerwald-Edersee, über das UNESCO-Weltnaturerbe „Buchenwälder der Karpaten und Alte Buchenwälder Deutschlands“. Heute stelle keiner mehr diesen Schutz in Frage, doch es gab andere Zeiten, erinnerte Seuring an die 20 Jahre dauernde Ausweisung. Insgesamt seien 4 391 ha Buchenwäldern in Deutschland im Schutze des Weltnaturerbes. „Hier haben wir eine globale Verantwortung wahrzunehmen. Hessen als Buchenland hat sich der Aufgabe gestellt“, so Seuring und betonte, dass der Prozess der Ausweisung dann klappte, als die ethischen, moralischen und rechtlichen Argumente der Bevölkerung vor Ort gehört und in Workshops Lösungen gemeinsam erarbeitet wurden. Nur mit Sachargumenten, wie Daten und Fakten, komme man da nicht weiter.
Es zeigte sich mehr und mehr, dass das Thema Nadelholz und Artenschutz – ein Widerspruch, dem Thema Schutz und Nutzung gleichgestellt wurde. Denn keiner der Referenten führte eine Studie an, ob Nadelwald wirklich artenärmer als Laubwald ist. Und Prof. Dr. Andreas Bitter von der TU Dresden bemerkte, dass in der Gesellschaft ein Wertewandel stattgefunden habe, weg von der Kielwassertheorie mit der einhergehenden Multifunktionalität der Wälder hin zur Segregation, das strikte unter Schutz stellen und aus der Nutzung nehmen. „Im Grunde geht es um Verfügungsgewalt, das ist der eigentliche Punkt“, so Bitter. „Und es sei kein Wunder, dass sich die Menschen in der dritten Welt von uns fremdbestimmt fühlen und sich in Deutschland die Landbevölkerung fremdbestimmt fühlt von der urbanen Bevölkerung. Diese rasen in schnellen Autos, fliegen in Urlaub, arbeiten in Fabriken und wollen mit Spenden an Naturschutzverbände oder dem Wählen von Grün etwas Gutes tun. Die Eigentümerautonomie wird beschränkt“, ist sich Bitter sicher.
Erst werden wissenschaftliche Untersuchungen gestartet, dann ein Thesenpapier aufgelegt und dann sei es Gesetz. Man müsse die politischen Entscheidungen akzeptieren, eben auch dass Land- und Forstwirtschaft von der dänischen Grenze bis zum Bodensee grün regiert werden. „Dass dies nicht die Meinung der ländlichen Bevölkerung ist, ist klar. Doch dann müssen wir in die politische Arena, um das zu ändern, dann müssen mehr mobilisiert werden“, so Bitter. Das sei eine große Aufgabe aller auf dem Land wirtschaftenden und arbeitenden Menschen.
Nur in Bayern scheint die Welt noch in Ordnung, dort gilt „Schützen durch nützen“, wie Bernhard Breitsameter von der Waldbauernvereinigung Aichach erklärte, hier ist klar, dass jeder Geld verdienen will mit seinem Wald.
zep – LW 26/2015