Notreife und Zwiewuchs – Was tun?

Manch alte Weisheit gilt nicht mehr

Das feucht-kühle Frühjahr hat viele Bestände in der Hauptwachstumszeit verwöhnt. Der ausbleibende Niederschlag ab Mitte Mai hat dann gerade in der Kornfüllungsphase gefehlt, so dass auf den schwächeren Standorten die Ährenspitzen nicht mehr voll bekörnt wurden. Der kräftige Wind hat die Austrocknung der Böden noch weiter gefördert. Mitte Juni sah man auf den leichteren Böden bereits notreife Bestände. Einige Betriebe haben mit GPS versucht, den Schaden zu begrenzen. Die Niederschläge kamen mancherorts noch rechtzeitig, für andere brachten sie Zwiewuchs. Was es bei der Einstellung des Mähdreschers zu beachten gibt, erläutert Dr. Andrea Feiffer, Feiffer Consult, Sondershausen

Welche Verluste toleriert werden müssen, ist je nach Situation neu zu bewerten.

Foto: Feiffer

Beim Übergang von der Grün- in die Gelbreife kann man die Abreife der Bestände und Schlagteile gut einschätzen und die Reihenfolge des Drusches schon im Voraus besser präzisieren. Bei Trockenheit und Nortreife zeigt sich jeder Bodenpunkt, und Schlagteile auf den schwächeren Standorten reifen sichtbar schneller ab. Bei größeren Schlageinheiten, die sich in der Abreife deutlich unterscheiden, kann sich ein zeitversetzter Drusch über Ertrag, Qualität und Druschverluste lohnen.

Den Erntetermin beim Raps nicht leichtfertig verschieben

Eine längere Wartezeit beim Rapserntetermin, der oft empfohlen wird, um den Höchstertrag bei Korn und Öl auszureizen, gilt in notreifen Gebieten nicht. Hinzu kommt, dass die heutigen Bestände durch die Restriktionen bei Beize und Bestandesführung oft nicht mehr so vital und grün sind wie in den vergangenen Jahren. Die Abreifedifferenzen zwischen den oberen und den unteren Schoten sind dann nicht mehr so stark ausgeprägt.

In den letzten Trockenjahren wurde sogar eine Umkehrung der Aufplatzneigung von oberen und unteren Schoten beobachtet. Durch die Hitze waren die oberen Schoten zu „Betonschoten eingebrannt“, die sehr spröde und dennoch fest waren, wo hingegen die unteren Schoten infolge der Notreife zartere Hülsenschalen hatten, die zum Aufplatzen neigten. Deshalb sollte der Ausfall nicht nur oben, sondern die Abreife und Aufplatzneigung auch in den unteren Etagen betrachtet werden. Ist die Ausfallgefahr gering, gilt: Weizen vor Raps.

 – LW 27/2023