Raus aus der Opferrolle – Landwirtschaft hat Zukunft

Spielregeln der Kommunikation beleuchtet

Angesichts der aktuellen Herausforderungen wie Klimaschutz, Tierwohl und Artenvielfalt trägt die landwirtschaftliche Branche ihre Unzufriedenheit über geplante Reformen auf die Straße. Das Forum Landwirtschaft Schwalm Eder beschäftigte sich damit, wie sich Landwirte aktiv in den Veränderungsprozess einbringen können und Kommunikation gestaltet werden muss, damit sie Früchte trägt.

Die Organisatoren des Forum Landwirtschaft gemeinsam mit den Referenten (v.l.): Norbert Klapp, Tim Hilgenberg, Elke Pelz-Thaller, Michael Stein, Lothar Koch, Thomas Preuße.

Foto: llh

Nach dem Kuhhandel des Agrar-Pakets zum Insektenschutz seien die in der Folge aufgestellten grünen Kreuze, deren Botschaft unklar war und sich auf die Opferrolle reduzierte, für die Kommunikation wenig hilfreich gewesen, so Thomas Preuße, von den DLG-Mitteilungen. Erst die von „Land schafft Verbindung“ (LSV) organisierte Schlepper-Demo in Berlin habe bundesweite Aufmerksamkeit bewirkt. Diese müsse zur Kommunikation genutzt werden, so Preuße. Die Landwirtschaft brauche eine neue Geschichte. Die alte Geschichte der Welternährung ziehe nicht mehr.

Eigene Fachlichkeit nicht absolut setzen

Die eigene Fachlichkeit würde stets absolut gesetzt und die Fachlichkeit von Geologen oder Umweltvertretern, die damit Ziele wie Rote Gewässerkörper oder Insektenaufkommen verbänden, außer Acht gelassen.

Immer wieder käme es zu sozialen Kipppunkten, die Umstände neuordnen würden und Handlungsweisen ablösten. Die Thematik Klimawandel sei auch ein solcher Kipppunkt. Einen solchen anzunehmen sei letztlich keine Frage von Wahrheit oder Lüge, sondern die Zukunftsfrage eines Betriebes.

So würden erfolgreich wirtschaftende Betriebe schwächere weg konkurrieren, indem diese auf geringere Verkaufspreise eingingen und dennoch einen auskömmlichen Gewinn erzielen könnten.

Nach Preuße haben die Bauern nicht gegen etwas, sondern für ihre Zukunft demonstriert: Effiziente Betriebe, die gleichzeitig ihre Geschichte erzählen könnten und sich mit den neuen Selbstverständlichkeiten auseinandersetzten, seien auf einem guten Weg.

Mit Tiefgang und Humor vermittelte die Persönlichkeitstrainerin und Landwirtin Elke Pelz-Thaller, wie die Landwirtschaft zu einer höheren Wertschätzung und Wertschöpfung gelangen kann. „Wir müssen die Spielregeln der Kommunikation kennen um erfolgreich zu sein“, erläuterte die Mentalbäuerin, wie sie sich selbst nennt.

Fehlendes Wissen führt zum Verlust der Wertschätzung

Als ursprüngliche Städterin betrachtet sie die Landwirtschaft auch von außen. Mit drei Grundregeln könne die Kommunikation verbessert werden. Nur wer mit Liebe und Leidenschaft bei der Sache sei, könne erfolgreich sein. Jugendliche übernähmen 80 Prozent der Verhaltensweisen von ihren Eltern.

Der Betriebszweig solle nicht aus Ehrfurcht vor den Eltern, sondern aus Leidenschaft fortgeführt werden. Denn wenn ein Mensch seiner Neigung nachgehe, werde er automatisch in Richtungen denken, die ihn zum Erfolg bringen. Gerade für Menschen, die Öffentlichkeitsarbeit betreiben, sei die Verkörperung der Leidenschaft wichtig, um sie mitzunehmen.

Gemeinsamkeiten suchen und Blickrichtung ändern

Ein weiterer Erfolgspfeiler sei, die eigene Situation zu reflektieren. Aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens bleibt dies meist aus. In Hinblick auf den Konflikt zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft sei es aber wichtig, sich anzuschauen, wie es dazu gekommen sei, um zukünftig etwas zu verändern. Über die Arbeitsweise sei zu wenig kommuniziert worden.

Dass Konsumenten weniger von der Art Landwirtschaft zu betreiben verstehen, läge auch daran, dass diese nicht mehr wie einst in der Mitte der Gesellschaft stattfinde. Im Zuge der Aussiedlung vieler Höfe sei der Kontakt verloren gegangen. Mit dem Verlust des Wissens über die Produktionsweise sei auch der Verlust der Wertschätzung verbunden.

„Wir produzieren Ferrari-Lebensmittel, nur unserer heimischen Bevölkerung ist dies nicht bewusst“ stellt Pelz-Thaller fest. Wichtig sei aber auch ein sympathischer, selbstbewusster und souveräner Auftritt. Es dürfe nicht beim Gegenüber der Eindruck entstehen eine dumme Frage gestellt zu haben. Zu einer gelingenden Kommunikation gehöre auch, sein Gegenüber zu beobachten und Ähnlichkeiten zu finden. Bei Gemeinsamkeiten seien Menschen eher bereit, sich zu öffnen. Demgegenüber sollte bei Dissens die Stärke aufgebracht werden, seinen eigenen Standpunkt kurzzeitig zu Gunsten der anderen Sichtweise zu verlassen.

Verantwortung für eigenes Handeln übernehmen

Der dritte und letzte Erfolgspfeiler seien Vorbilder. Meist werde die Schuld für die unliebsame Situation auf Politik, Verbände und Verbraucher übertragen, wodurch die Landwirte die Opferrolle einnähmen. Auf diesem Weg werde aber, so die Referentin, nicht nur Verantwortung, sondern auch Macht abgegeben. Dadurch sei man vom Wohlwollen anderer abhängig.

Zur Verdeutlichung führte sie den Unterschied zwischen einem Frosch und einem Adler an. Der Frosch überlässt die Verantwortung über das Leben der Natur und kümmert sich nicht selbst um seine Brut. Der Adler hingegen übernimmt die volle Verantwortung für seine Brut. Er baut sein Nest, legt die Eier, brütet sie aus, ernährt sie. Landwirte müssten die Verantwortung wieder übernehmen und aktiv werden. Denn Wissen alleine reiche nicht aus, Erfolg entstehe erst durch handeln.

llh – LW 9/2020