Regionale Lösungen werden Menschen und Natur gerecht

Expertenrunde zu Artenvielfalt und Pflanzenschutz

Es ist der Beginn eines Dialogs. Die geplante EU-Verordnung zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hat für einen Aufschrei unter Winzern und Landwirten in Rheinhessen gesorgt, besonders am Höllenbrand bei Gundersheim gab es zahlreiche Protestaktionen der Landwirte und Winzer. Mit mehreren Resolutionen hat sich die Kommunalpolitik hinter sie gestellt.

Foto: Rheinhessenwein
Die Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat diese nicht unterstützt. Elisabeth Kolb-Noack aus Dittelsheim-Heßloch und Jean-Sebastien Larro aus Udenheim haben stattdessen eine Expertenrunde zusammengerufen, um mit Vertretern von Landwirtschaft, Weinbau und Naturschutz gemeinsam, Wege zur Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln zu suchen. „Das Problem muss regionalisiert werden“, fordert Eberhard Hartelt, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd. Landwirte, Winzer, Umweltverbände und Naturschützer müssten für jede Region gezielte Schritte besprechen. Für diese allerdings müssten die Landwirte einen Ausgleich bekommen. „Ein solches Kooperationsmodell funktioniert bereits in den Niederlanden – also in Europa!“ Sein Verband werde es nicht zulassen, dass „Autokraten in Brüssel“ bestimmen, wie in welchem Gebiet zu handeln sei. Denn vor allem Deutschland wäre von einem Verbot von Pflanzenschutzmitteln in sensiblen Gebieten besonders betroffen – denn hier wurden in der Vergangenheit landwirtschaftliche Flächen zu Schutzgebieten erklärt. Bei deren Ausweisung habe die Politik erklärt, es werde keine Auflagen für die Bewirtschaftung geben, sagt der Präsident des Deutschen Weinbauverbandes, Klaus Schneider.

Reduktion von Pflanzenschutz weit fortgeschritten

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sei bereits auf 65 Prozent reduziert worden, doch jetzt solle der Entwurf von Sarah Wiener, im EU-Parlament Berichterstatterin für die neue Verordnung, das Erreichte wieder auf null setzen. Schneider fordert eine schlüssige Definition sensibler Gebiete. „Ein Totalverbot in Schutzgebieten wird nicht funktionieren“, ist auch Jutta Paulus, für die Grünen im EU-Parlament, überzeugt. „Dann wird es keinen Weinbau mehr geben.“ Die Verordnung sei deshalb in der vorliegenden Form nicht mehrheitsfähig. Vor einer Entscheidung müsse genauer definiert werden, was sensible Gebiete sind, welche Mittel und welche Bewirtschaftung wo zugelassen werden sollen. „Wir müssen gemeinsam weiterkommen“, sagt Paulus, denn klar ist auch: „Ein ,Weiter so“ darf es nicht geben.“

Dr. Erwin Manz, Staatssekretär im Mainzer Umweltministerium, kritisiert die Methode der EU, die auf Verordnung statt – wie die Landesregierung – auf Dialog setze. Der Ausbau des Ökolandbaus sei wichtiger Teil der Strategie im Kampf um die Biodiversität. Vor allem in sensiblen Gebieten müsse umgestellt werden – das gehe aber nur gemeinsam. „Ja, ein Herbizid-Verzicht ist möglich und ein wichtiger erster Schritt“, bestätigt der Dolgesheimer Winzer Axel Seck, Sprecher des Naturlandverbandes, „aber das geht nicht überall“. Heute werde im Vergleich zu vor 50 Jahren nur noch ein Bruchteil der Pflanzenschutzmittel verbraucht, das sei der richtige Weg, aber der Weinbau müsse möglich bleiben.

Nicht vor Ort schützen und alles importieren

„Wir können uns nicht die Umwelt schön machen und dann Produkte importieren, ohne darauf zu achten, wie in anderen Ländern produziert wird!“ Obwohl seit 2009 geregelt sei, dass zuerst natürliche und dann erst chemische Mittel eingesetzt werden müssen, sei der Pestizidverbrauch seither nicht zurückgegangen, argumentiert die Landesvorsitzende des BUND, Sabine Yacoub. Wenn bestimmte Stoffe bis 2030 verboten werden sollten, müssten die Betroffenen dafür aber einen Ausgleich erhalten. „Wir brauchen eine Chancengleichheit unserer Landwirte mit denen in anderen Ländern, aus denen importiert wird.“ Doch es müsse auch pestizidfreie Gebiete geben, kommunale Flächen, Friedhöfe oder auch private Gärten. Aber auch solche, in denen so wenig wie möglich davon eingesetzt werde.

„18 oder 20 Dürrejahre in Folge schaden auch den Weingütern“, sagt Winzerin Hanneke Schönhals, Sprecherin von Ecovin. Es bringe nichts, auf andere Branchen zu zeigen oder auf die Verbraucher, die es ja nicht anders wollten. „Wir müssen das Problem jetzt und hier angehen. Es gibt Möglichkeiten, es anders zu machen.“

Wie es anders gehen könnte, zeigt das Projekt „Lebendiger Moselweinberg“, das die GrünenLandtagsabgeordnete Jutta Blatzheim-Roegler vorstellt. Dabei wurde untersucht, wie das Potenzial der Biodiversität im Weinberg verbessert werden kann. In zehn Jahren seien so zahlreiche Tagfalter- und Wildbienenarten zurückgekehrt. Der Brüsseler Entwurf werde jetzt weiter diskutiert. „Wir in Rheinland-Pfalz werden alles dafür tun, um gemeinsam etwas auf den Weg zu bringen.“ Wie dieser gemeinsame Weg aussehen könnte, klingt zwischendrin an. Denkbar wäre ein runder Tisch, an dem Erfahrungen, Initiativen und Ideen aus Landwirtschaft und Naturschutz zusammengeführt werden.

Bald nur noch Ökoanbau in Schutzgebieten

 

Gespräch mit Adolf Dahlem, Landwirt am Höllenbrand

 

Anfang März fand in Dittelsheim-Heßloch die oben genannte Expertenrunde zu den Plänen der EU-Kommission, in Schutzgebieten Pflanzenschutzmittel zu verbieten, mit Landwirten, Winzern und Politikern statt. Adolf Dahlem aus Gundersheim war dabei. Ihm liegt die Artenvielfalt ebenso wie sein Betrieb am Herzen.

LW: Welches Fazit haben Sie für sich, die Landwirtschaft sowie den Weinbau vor Ort aus dieser Veranstaltung gezogen?

Dahlem: Die Politiker aus der Region (in diesem Fall Frau Kolb-Noack und Herr Larro) haben erkannt, dass die Herausforderungen nur gemeinsam mit den Landwirten und Winzern gelöst werden können. Daher war diese Veranstaltung gut und wichtig, aber bestenfalls ein erster Schritt auf einem langen Weg. Ich habe nach wie vor den Eindruck, dass seitens der Umweltorganisationen und der Grünen Politiker die Meinung vorherrscht Ökolandbau gut – konventioneller oder integrierter Landbau nicht gut. Ich befürchte, wenn in den Schutzgebieten die Pflanzenschutzmittel für den Ökoweinbau wie Schwefel und Kupfer zugelassen werden, also der Ökoweinbau im „Höllenbrand“ auch zukünftig möglich ist, sind die Politiker und Umweltverbände damit einverstanden und fragen nicht nach der Umweltrelevanz von Kupfer, dann müssten alle auf Ökoweinbau umstellen. Das kann und darf nicht die Lösung sein.

LW: Sie engagieren sich seit vielen Jahren in zahlreichen Gremien für die Berufskollegen, was liegt Ihnen am Herzen?

Dahlem: Klimawandel, Artenschwund, Rückstände im Grundwasser, und manches mehr, sehr ernste und überaus wichtige Themen, dafür Lösungen und Verbesserungen zu finden, liegt mir persönlich sehr am Herzen. Allzu oft stehen wir als Landwirte und Winzer am Pranger ganz vorne, obwohl es sehr viele Verursacher gibt. Das hat sich trotz vieler Gespräche und Diskussionen nicht wirklich ändern lassen. Trotzdem dürfen wir nicht müde werden zu fordern, dass fachlich fundierte Erkenntnisse, ohne ideologischen Krampf als Grundlage der Anbauregeln genommen werden. Und zwar für die heimische Produktion, die Produktion in der EU und bei den Importen.

LW: Wie kann es aus Ihrer Sicht gelingen, die landwirtschaftlichen Ziele besser durchzusetzen?

Dahlem: Wir werden die Ziele nur durchsetzen können, wenn ein starker Bauernverband auf der großen politischen Ebene einher geht mit einer engagierten Basis, die vor Ort in kleinen Schritten und persönlichen

Gesprächen, mit Aktionen und Beispielen Probleme und Lösungsmöglichkeiten aufzeigt. Ein gelungenes Beispiel: Während der Flurbereinigung im Höllenbrand entstand ein guter Kontakt zum NABU und zum BUND. Da gab es unterschied­liche Ansichten und Herangehensweisen. In der praktischen Umsetzung haben wir immer einen Weg gefunden, mit dem Winzer und Umweltverbände leben konnten.

LW: Von allen Landwirten und Winzern sowie dem BWV wurde stets eine Folgenabschätzung gefordert, gibt es diesbezüglich Antworten der EU?

Dahlem: Ich hoffe sehr, dass die EU die Zusage hält, eine fundierte Folgenabschätzung ausarbeiten zu lassen, auch wenn die Kommission nach eigener Aussage nicht alle vom Ministerrat angeforderten Daten vorlegen kann.

Es ist absolut notwendig, dass die Auswirkungen auf die Betriebe und die geänderten Rahmenbedingungen durch den Ukraine-Krieg Berücksichtigung finden. Zufrieden bin ich erst, wenn die Folgenabschätzung wirklich auf dem Tisch liegt und einer kritischen Prüfung Stand hält.

Mit Adolf Dahlem sprach Elke Setzepfand
Christine Bausch – LW 13/2023