Streuobstpflege dringend erforderlich

Für professionellen Schnitt, Pflege und Nutzung sorgen

Rund dreißig Teilnehmer zeigten Anfang Juli großes Interesse bei der ersten in diesem Jahr stattfindenden Präsenzveranstaltung der Akademie Ländlicher Raum Rheinland-Pfalz. Unter dem Titel „Obstwiesen – Schnitt, Pflege und Nutzung im Sommerhalbjahr“ fand die Veranstaltung organisiert durch das DLR Westpfalz in Finkenbach-Gersweiler im Donnersbergkreis statt.

Die drei Referenten Dr. Jürgen Lorenz, Dr. Markus Setzepfand und Dr. Gunter Mattern zeigen den Teilnehmern des Streuobstkurses das richtige Werkzeug für die Pflege.

Foto: Qareti

Drei Referenten gaben den Teilnehmern in Theorie- und Praxis Beispiele und Lösungen für eine nachhaltige zukunftsorientierte Streuobstbewirtschaftung an die Hand.

Worin liegen die Herausforderungen und die Bedürfnisse einer nachhaltigen Streuobstent-wicklung? Die Dringlichkeit einer geeigneten Pflege und Bewirtschaftung der Streuobstbe-stände stellte Dr. Jürgen Lorenz vom DLR Rheinpfalz bereits in den ersten Minuten seines Vortrags dar: „Realistisch gesehen ist es heute Viertel nach Zwölf für die meisten Streuobstbestände!“.

Viele Streuobstbestände bedürfen der Verjüngung

Nicht nur das zunehmende Alter und die damit schwindende Lebenserwartung, sondern auch mit dem Klimawandel einhergehende Trockenheit, Hitze oder der zunehmende Befall durch Schädlinge und Parasiten, stellt den Streuobstbau vor immer neue Herausforderungen. So ist neben der bedarfsorientierten Pflege der Flächen und Bäume auch eine an die Klimaveränderungen angepasste Sortenauswahl notwendig. Problematisch ist zudem der Nährstoffmangel vieler Bäume. Durch den Abtransport der Nährstoffe mit Wiesenschnitt- und Erntegut sind insbesondere Kalium und Phosphat nicht mehr in ausreichender Menge für die Bäume verfügbar. Die Folge ist ein Vitalitäts- und Stabilitätsverlust der Bäume bis hin zum Absterben. Eine der Fläche angepasste Bewirtschaftung ist also unumgänglich, um diese langfristig erhalten zu können. Der sich daraus ergebene Arbeitsaufwand muss allerdings auch einen gewissen Erlös bieten und eine Attraktivität für den Bewirtschafter darstellen. „Mit 25 Euro für 100 kg Mostobst von Streuobstwiesen wäre eine Basispflege möglich. Bei 6 bis 7 Euro lohnt das einfach nicht, da ist die anschließende Reinigung des Autos teurer“, so Lorenz weiter. Für eine zeitsparende effektive Bewirtschaftung wurden verschiedene Beispiele von Obstsammelgeräten vorgestellt. Zudem gab Dr. Lorenz einen Einblick in die Verarbeitungsmöglichkeiten des Ernteguts. Cider stelle momentan einen regelrechten Megatrend dar, aber auch die Veredelung zu Schaumwein ist durchaus eine attraktive Möglichkeit. Letzterer konnte von den Teilnehmern in Form des Birnenschaumweines „Prickelbeer“ von der Fördergemeinschaft Streuobst Pfalz e.V. im Anschluss an die Vorträge verkostet werden.

Wann Sommer-, wann Winterschnitt?

Wann ist der richtige Zeitpunkt von Winter- und Sommerschnitt und was ist im speziellen bei einem Sommerschnitt zu beachten? Dazu gab Dr. Markus Setzepfand, Dipl. Forstwirt und zertifizierter Baumwart einen Einblick. Während der Winterschnitt idealerweise bei trockenem frostfreiem Wetter ab Ende Februar oder Anfang März durchgeführt wird, empfiehlt sich der Sommerschnitt an einem trocknen bewölkten Tag ab Ende Juli oder Anfang August. Dr. Setzepfand setzt auf eine gute Vorbereitung bevor der erste Schnitt erfolgt.

Eine Baumansprache mit Blick auf Obstart, mögliche Baumschäden, Stabilität und Vitalität sowie Nutzbarkeit kann der geplanten Schnittmaßnahme eine gewisse Richtung vorgeben. Geht es dann los, sind die Schnitt­eingriffe möglichst klein, sauber und glatt zu halten. Durch Ableiten auf einen gut ausgerichteten Trieb soll den zu kürzenden Ästen eine Wuchsrichtung vorgegeben werden. So können unpassende Wuchsreaktionen vermieden werden. Eine trockene Witterung fördert das Austrocknen der Wunden und eine schnelle Heilung.

Sommerschnitt ist das Mittel der Wahl bei starkwüchsigen Bäumen. Bei älteren und wenig wüchsigen Bäumen sollte immer im Winter geschnitten werden, da dieser Schnitt das kommende Wachstum fördert. Im Sommer kann durch Ausdünnen die Besonnung der Früchte für eine bessere Fruchtqualität unterstützt werden. Es bietet sich an, geschädigte Früchte und angebrochene oder dürre Zweige zu entfernen. Neben dem Schnitt gibt es bei einjährigen Trieben auch die Möglichkeit eines Sommerrisses im Juni. Durch Reissen können dabei „schlafende Augen“ (ruhende Knospenanlagen) mit entfernt werden. Anhand verschiedener Bildbeispiele machte Dr. Setzepfand deutlich, wo sich ein Sommerschnitt anbieten würde und wo weniger. Gerade für das Nacharbeiten vorangegangener Schnittmaßnahme kann ein Sommerschnitt durchaus sinnvoll sein.

Welche Fördermöglichkeiten gibt es für Streuobst in Rheinland-Pfalz? Dr. Gunter Mattern, Vertragsnaturschutzberater im Kreis Kusel und im Donnersbergkreis, erörterte die Möglichkeiten der Förderung von Streuobstbeständen in EULLa, den Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen des Landes.

Zwei Maßnahmen der Streuobstförderung in RLP

Im Bereich Vertragsnaturschutz besteht mit zwei EULLa-Programmteilen die Möglichkeit der Förderung von Streuobst – zum einen die der Neuanlage von Streuobstwiesen, die auch die Pflanzung von Jungbäumen fördert, und zum anderen die Unterstützung von bestehendem Streuobst, bei der eine Prämie für die Pflege der Bäume angeboten wird. Neben den Prämien diskutierte Dr. Mattern die Vorgaben zu den einzelnen Programmen, die bei Nichteinhaltung bei einer Kontrolle beanstandet werden könnten. Zu diesen Vorgaben zählen Pflegemaßnahmen wie der fachgerechte Verbissschutz an Jungbäumen oder das Offenhalten der Baumscheibe, aber auch Vorgaben zur Düngung, zum Pflanzenschutz und zur Unternutzung der Fläche. Daraus resultiere ein recht hoher Aufwand bei der Bewirtschaftung, der aber erforderlich ist, um vitale Streuobstbäume auf einer Fläche zu etablieren. Dieser im Verhältnis zur Förderprämie hohe Arbeitsaufwand wird von Landwirten und Hobby-Bewirtschafter oft unterschätzt, so Dr. Mattern.

Bypass- oder Ambossschere – was ist das passende Arbeitswerkzeug? Im zweiten Teil der Veranstaltung leiteten die Referenten mit einer Vorstellung der verschiedenen Arbeitswerkzeuge und deren Verwendung in die Praxis über.

Verschiedene Astscheren, Handsägen, Teleskopsägen und Leitern wurden vorgestellt, bis es für die Teilnehmer in zwei Gruppen unter Anleitung selbst an die Streuobstbäume ging. Es wurde angeregt über mögliche Schnitte diskutiert und das ein oder andere Werkzeug ausprobiert. Das Interesse an einer weiterführenden Veranstaltung zum Thema Winterschnitt war groß – die bearbeiteten Bäume würden es danken.

Mirke Qareti, Akademie Ländlicher Raum – LW 35/2021