Süßkartoffeln aus heimischem Anbau
Timm Bernhard kultiviert die rote Knolle in der Wetterau
Die rotschalige Süßkartoffel stammt ursprünglich aus Mittel- und Südamerika. Mit ein paar Tricks gedeiht die wärmeliebende Pflanze aber auch bei uns, wie der Familienbetrieb der Bernhards in der Wetterau zeigt. Für den Betrieb ist der Kartoffelanbau ein wichtiges Standbein. Als vor etwa fünf Jahren die Süßkartoffeln in den Medien als neues Trendgemüse gefeiert wurden, wollte Agrarwissenschaftler Timm Bernhard (33) auch diese Knolle anbauen – damit es eine regionale Alternative zu importierten Süßkartoffeln aus USA, China, Mittel- und Südamerika gibt.

Foto: Mohr
Dazu wird der Boden mit der Kreiselegge fein vorbereitet – damit das spätere Pflanzen mit der selbstgebauten Maschine reibungslos funktioniert. Dann kommt auf dem Wetterauer Betrieb die einzige Kartoffelmaschine zum Einsatz, die nahezu unverändert auch bei den Süßkartoffeln ihren Zweck erfüllt: Mit der Dammfräse entstehen Dämme, in die Schläuche für die Bewässerung eingezogen werden, bevor die Pflanzen in die Erde kommen. Die Pflanzmaschine wurde allerdings komplett umgebaut; bis auf den Rahmen ist nichts beim Alten geblieben. Zwei hinten aufsitzende Mitarbeiter lassen die Pflänzchen, um durch Rohre in die Pflanzrinne auf dem Damm fallen, die dann durch die Maschine wieder zugestrichen wird.
Keine Probleme mit Krankheiten
Bis die Wurzeln ausreichend entwickelt sind und das oberirdische Pflanzenwachstum beginnt, dauert es vier Wochen. In dieser Zeit müssen die Dämme dauerhaft feucht gehalten werden. Später ist eine Bewässerung nur noch bei extremer und langandauernder Trockenheit erforderlich.Die Süßkartoffel hat keine Probleme mit Krankheiten. Und bis auf Mäuse hat die exotische Pflanze keine Schädlinge in unserer Region. Weil es in Deutschland keine zugelassenen Herbizide für die Süßkartoffelpflanze gibt, ist nach der Pflanzung noch eine mechanische Unkrautbekämpfung nötig. In den ersten Jahren hat Bernhard Mulchfolie verwendet – auch damit die Dämme schneller erwärmen und das Pflanzenwachstum früher einsetzt. Wenn allerdings später die Blätter Kontakt mit der Folie haben, verbrennen sie leicht.
Außerdem fühlen sich Mäuse unter der Folie wohl. Die sind ein großes Risiko im Süßkartoffelanbau. Seit Bernhard die Mulchfolie nicht mehr einsetzt, gibt es auf seinem Süßkartoffelfeld kaum noch Mäuseschäden. Mit bis zu 30 Prozent Ausschuss durch Mäusefraß musste er vorher rechnen.
Ab Mitte September sind die Knollen groß genug für die Ernte, Haupterntemonat ist der Oktober. Den Kartoffelroder kann der Betrieb für die empfindlichen Süßkartoffeln nicht einsetzen. Die Schale ist sehr dünn und würde Schaden nehmen. Mit dem Frühkartoffelroder klappt es etwas besser, allerdings kommt man damit nicht tief genug in die Erde, so dass große Süßkartoffeln brechen. Geerntet werden die Wetterauer Süßkartoffeln deshalb von Hand.
Ernte der empfindlichen Knollen per Hand

Foto: Mohr
Für die Nachbehandlung und Lagerung der Süßkartoffeln hat der Kartoffelhof einen wärmeregulierbaren See-Container angeschafft. Darin liegen die exotischen Knollen zwei Wochen lang bei 30 Grad Celsius. Das ist nötig, damit sie länger lagerfähig sind. Diesen Prozess nennt man „Curing“ (wörtlich übersetzt: Heilung), da nicht nur die Schale trockener und fester wird, sondern auch Verletzungen heilen. Danach regelt Bernhard die Temperatur schrittweise auf 13 bis 15 Grad Celsius runter. So halten die Süßkartoffeln bis ins Frühjahr. Bei Bernhard liegen sie bis etwa Mitte Januar – dann hat er seine Ernte meistens abverkauft. Der Betrieb vermarktet die Knollen ab Hof und über den Lebensmitteleinzelhandel. Für die Direktvermarktung bauen die Bernhards außerdem neben Kartoffeln Zwiebeln, Rote Beete und Kürbisse an. Ansonsten stehen Winterweizen, Winterraps und Zuckerrüben in der Fruchtfolge.
Landwirten, die in den Süßkartoffel-Anbau einsteigen wollen, empfiehlt der Agrarwissenschaftler, zunächst mit kleineren Mengen anzufangen und Erfahrungen zu sammeln. Auch später rät er von zu großen Anbaumengen ab. Timm Bernhard hält seine Ware lieber knapp. Seine Kunden sehen es ihm nach, wenn mal etwas ausverkauft ist. „Problematisch ist ein Überangebot – das verdirbt auch den Preis“, sagt er.
Infos über den Betrieb unter: www.landwirtschaftlicher-be...
MGH – LW 36/2022