Verhüten geht vor Vergüten
Wildschaden: Neue Richtsätze für Aufwuchsschäden 2013/14
Richtwerte zur Ermittlung von Aufwuchsschäden in landwirtschaftliÂchen Kulturen sind eine wertvolle Hilfe für Wildschadenskalkulationen. Noch hilfreicher ist eine wirksame Schadensverhütung, um Schäden gar nicht erst entstehen zu lassen. Neben der Darstellung der aktuellen Richtwerte, erörtert Dr. Günther Lißmann, Regierungspräsidium Kassel, auch Möglichkeiten zur Wildschadensverhütung.
Hat der Jagdpächter im Jagdpachtvertrag die gesetzliche Wildschadenshaftung übernommen, muss er Wildschäden, wenn diese von Schalenwild, Wildkaninchen oder Fasanen verursacht wurden, ersetzen. Das sich daraus ergebende Haftungsrisiko aber auch seine Hegeverpflichtung gemäß § 1 Abs. 2 Bundesjagdgesetz (BJG), mit dem Ziel Wildschäden möglichst zu vermeiden, sind Ansporn genug, alle Möglichkeiten zur Wildschadensverhütung zu nutzen.Wirksame Wildschadensverhütung besteht nicht aus einer Maßnahme, sondern aus der Vielzahl von Aktivitäten, die nur zusammen auf Dauer zum gewünschten Erfolg führen. Das Schwarzwild ist Problemwildart Nummer eins bei den Feldwildschäden. Für seine erfolgreiche Bejagung müssen die jagdtechnischen Möglichkeiten in vollem Umfang genutzt und die nötige Motivation dafür geschaffen werden.
Schwarzwild sollte im Wald nur an wenigen Tagen im Jahr aber dann konsequent, im Rahmen von gut organisierten Bewegungsjagden auf die angestrebte Wilddichte reduziert werden. Darüber hinaus muss für Schwarzwild im Wald Ruhe herrschen aber im Feld die ganzjährige Jagd eröffnet sein. Sind im Wald noch entsprechende Ablenkfütterungen mit Suhlen, Althölzern zum Brechen und einer Äsungsfläche vorhanden, gibt es für das Schwarzwild an 360 Tagen im Jahr weniger Gründe, im Feld und hier insbesondere auf Grünland sowie im Mais Schäden anzurichten. Mit Mais bebaute Wildäcker an geeigneten Waldanschlussflächen sind eine gute Ergänzung. Sie eignen sich nicht nur um Strecke zu machen, sie halten auch die Schwarzkittel vom teuren Mais der Landwirte fern.
Vormontierte Zaunelemente für den schnellen Aufbau
Alle jagdlichen Maßnahmen, einschließlich großzügig angelegter Bejagungsschneisen in großen Maisschlägen, können Schäden in gefährdeten Revierbereichen jedoch nicht völlig verhindern. Zusätzlich ausprobieren kann man Vergällungs- und Verstänkerungsmittel sowie optische und akustische Wildscheuchen. Bei diesen Mitteln tritt beim Wild aber schnell eine Gewöhnung ein und sie sind somit nur in Randbereichen und auf weniger gefährdeten Flächen einsetzbar. Als bewährter und wirksamer Wildschadenschutz sind gerade in Waldnähe, Elektrozäune zu empfehlen. Insbesondere für Mais, nach der Aussaat und ab der Milchreife, ist ein guter und fachkundig aufgestellter Elektrozaun eine zuverlässige Wildschadensabwehr. Voraussetzung ist ein hochwertiges und leistungsfähiges Weidezaungerät. Für längere Zäune im Dauerbetrieb sind 12-Volt-Akkugeräte zu empfehlen. Zur Wildschadensabwehr sollte die Spannung in allen Bereichen des Zaunes mindestens 4 000 Volt, besser 8 000 Volt betragen. Als Zaunpfähle haben sich Kunststoffpfähle bewährt, welche sich leicht transportieren lassen und einen schnellen Aufbau ermöglichen. Der Pfahlabstand sollte 6 m nicht überschreiten. Für die Ecken sollten dicke Holz- oder spezielle Kunststoffpfähle, die sich nach dem Spannen des Zaunes nicht schief ziehen, verwendet werden.
Gerade an den Ecken müssen die Pfähle gut verankert sein, damit die Zaunspannung erhalten bleibt. Für die Bespannung sind zwei, besser drei Drähte erforderlich. Die Drähte/Litzen sollten auf etwa 20, 50 und 80 cm angebracht werden. Bewährt haben sich Kunststofflitzen mit 1 cm Breite. Der Zaum ist dann für Wild gut sichtbar und verhindert sowohl eine Unterquerung als auch ein Ãœberspringen. Alle 50 m werden die Litzen miteinander verbunden um einen gleichmäßigen Stromfluss zu gewähren. Voraussetzung für die dauerhafte Funktionstüchtigkeit ist eine regelmäßige Kontrolle und das Freihalten des Zaunes vor Bewuchs. Die führenden Hersteller mobiler Zaunsysteme bieten inzwischen eine ausgereifte Zaun- und Batterietechnik an. So gibt es vormontierte Systemteile, die sich als Netz- oder Litzensystem mit eingebauten Stangen und Haspel, zeitsparend auf- und abbauen lassen. So ist mit vertretbaÂrem Zeitaufwand und bei überschaubaren Kosten eine wirksame Wildschadensabwehr möglich.
Wenn sich Bewirtschafter und Jagdpächter dann noch zusammenraufen und gemeinsam die Zäunung vornehmen und die Jagdgenossenschaft sich an den Kosten zur Beschaffung des ZaunÂmaterials beteiligt, ist ein wichtiger Schritt zur Wildschadensabwehr getan. Die Zäunung ist einerseits zwar mit Zeit- und Kostenaufwand verbunden, zählt aber bei fachgerechtem Aufbau zu den wirksamsten Maßnahmen der Wildschadensverhütung.
Zukünftig werden die Landwirte, wenn sie ihre Flächenprämien voll ausschöpfen wollen, um Greeningmaßnahmen auf voraussichtlich 5 Prozent der Ackerflächen nicht vorbei kommen (Hinweis: Derzeit liegen noch keine konkreten Entscheidungen zum Greening vor). Diese ökologischen Vorrangflächen können sehr gut für Maßnahmen der Wildschadensverhütung eingesetzt werden. Landwirte haben damit eine ideale Möglichkeit an wildschadensbefangenen Waldrandlagen entsprechende Ackerrandstreifen als Greeningflächen zu reservieren.
Bei entsprechender Pflege ist auf solchen Streifen ein- und auswechselndes Wild zu kontrollieren und solche Randstreifen bieten auch genügend Platz, um gerade zwischen Wald und Feld, bei wildschadensgefährdeten Kulturen entsprechende Elektrozäune zur zuverlässigen Wildschadensabwehr zu installieren. Laut Urteil des Landgerichts Koblenz vom 21. Mai 2010 kann ein Geschädigter kein Wildschaden verlangen, „… wenn er vom Jagdausübungsberechtigten zur Abwehr von Wildschäden getroffene Maßnahmen, wie beispielsweise einen Elektrozaun, unwirksam macht. Ebenso werde behandelt, wer die Errichtung von Schutzmaßnahmen von vornherein ohne triftigen Grund untersagt“. Beispiele für eine schuldhaft herbeigeführte Unwirksamkeit sind: Der Zaun wird vom Bewirtschafter zerstört und nicht umgehend repariert. Ein Zaun wird für die Bewirtschaftung geöffnet und vergessen zu schließen.
Die Richtwerttabellen 1 und 2 (siehe unten) zur Kalkulation von Aufwuchsschäden an landwirtschaftlichen Marktfrüchten und Futterpflanzen für das Wirtschaftsjahr 2013/14 sind außerdem im Internet unter www.rp-kassel.de erhältlich. Unter dieser Adresse können in Kürze auch die Richtwerte für ökologisch wirtschaftende Betriebe abgerufen werden.
Dr. Lißmann – LW 37/2013