Vom Zukunftspakt bis zur Webcam

HBV-Präsident nimmt Stellung zu aktuellen Themen

Zukunftspakt, Initiative Tierwohl, Antibiotika-Datenbank, Gemeinsamer Antrag – die letzten Wochen brachten eine Reihe von Themen auf die Tagesordnung, mit denen sich der Bauernverband zum Teil schon seit Jahren befasst. Das LW hat den Präsidenten des Hessischen Bauernverbandes, Friedhelm Schneider, nach seiner Beurteilung befragt.

HBV-Präsident Friedhelm Schneider.

Foto: dbv

LW: Sie haben kürzlich den neuen Zukunftspakt für die Landwirtschaft zusammen mit 26 weiteren Organisationsvertretern unterschrieben. Beim Vorgängerpakt mit der hessischen Landesregierung, der vor zweieinhalb Jahren besiegelt wurde, stand Ihre Unterschrift von landwirtschaftlicher Seite noch alleine auf dem Dokument. Stört Sie dieser Verlust der Alleinvertretung?
Friedhelm Schneider:
Ich finde es gut, dass der Zukunftspakt eine noch breitere berufsständische und politische Basis hat. Das kann uns Bäuerinnen und Bauern nur nützen. Wenn die anderen Organisationen das unterschreiben, was wir damals maßgeblich ausgearbeitet haben und jetzt um einige Punkte erweitert wurde, ist das doch gut. Unsere Standpunkte und auch unsere unangefochtene Führerschaft bei der berufsständischen Vertretung werden damit ja gerade bestätigt.

LW: Was bringt denn der Vertrag überhaupt? Wäre nicht ein Landwirtschaftsgesetz ähnlich wie das Forstgesetz wirkungsvoller?
Schneider:
Eines der Hauptziele, das wir mit dem Pakt erreichen wollen, ist der Schutz landwirtschaftlicher Flächen. Es gibt allerdings viele Akteure, angefangen vom Wirtschafts- und Verkehrsministerium bis hin zu den Kommunen, die ihre Interessen bei der Nutzung von Flächen und bei der Planung wahren wollen. Deshalb ist ein Gesetz politisch nicht durchsetzbar. Mit dem Pakt haben wir aber ein gewichtiges Dokument, auf das wir uns berufen und mit dem wir die Landesregierung gegebenenfalls an ihre Verpflichtungen erinnern können. Es legt ein klares Bekenntnis ab zur Flächenschonung zum Beispiel durch die Stärkung der innerstädtischen Entwicklung gegenüber der Ausweisung neuer Baugebiete auf der grünen Wiese, durch die Berücksichtigung des Flächenschutzes bei der Infrastrukturplanung und bei Kompensationsmaßnahmen sowie die Beachtung der Agrarplanungen bei all diesen Maßnahmen.

LW: Die Landwirte haben in diesen Tagen ihren Gemeinsamen Antrag abgegeben. Die Vorgaben sind noch vielfältiger und unübersichtlicher, Fehler bei den Angaben verbunden mit Prämienverlusten könnten dadurch häufiger werden. Welchen Eindruck hatten Sie von dem Antragsverfahren?
Schneider:
Wir haben uns auf Landesebene mit der WIBank sowie gemeinsam mit den Kreisbauernverbänden mit den Landwirtschaftsabteilungen der Kreise mehrfach und intensiv über das Verfahren ausgetauscht, damit die Antragstellung in dieser sehr kurzen Zeit einigermaßen vernünftig umgesetzt werden kann. Die Mitarbeiter in den Abteilungen der Landkreise sind nach meinem Eindruck sehr engagiert und leisten ein hohes Arbeitspensum. Das wurde auch kürzlich bei dem Treffen des HBV mit den Amtsleitern in Friedrichsdorf deutlich. Es zeigt uns nebenbei auch, wie wichtig eine gute personelle Ausstattung der Abteilungen ist. Wir unterstützen deshalb, dass freiwerdende Stellen auch künftig mit Agrarfachleuten besetzt werden. Darüber hinaus fordern wir natürlich weiterhin und mit Nachdruck Vereinfachungen und den Abbau von unnötigen Regelungen bei der neuen GAP.

LW: Zum Beispiel?
Schneider:
Das sind die Maßnahmen, die wir gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband formuliert haben wie beispielsweise eine Flächenprämie als Alternative zu den Zahlungsansprüchen. Denn wozu brauchen wir eine Verwaltung von Zahlungsansprüchen, wenn sowieso für jede Fläche eine einheitliche Zahlung erfolgt? Außerdem wollen wir eine Veränderung der Toleranzgrenze für die Flächenerfassung, den Verzicht auf Mischungen bei Zwischenfrüchten auf ökologischen Vorrangflächen, die Bündelung der verschiedenen Streifen zu einem System mit einfachen und einheitlichen Anforderungen und die Vereinheitlichung der Nutzungsregeln, etwa bei Beweidung. Außerdem sollten Landwirte statt der drei starren Greeningmaßnahmen die Möglichkeit erhalten, ihr Greening stärker betriebsindividuell zu gestalten.

„Wir stellen fest, dass immer mehr Politik auf Zuruf gemacht wird.“

LW: Großen Ärger gab es ja anlässlich der Antragstellung auch mit den Vorgaben zum Grünlanderhalt.
Schneider:
Das Urteil des EuGH, wonach bisheriges Ackerland, auf dem fünf Jahre lang beispielweise Ackerfutter angebaut wurde oder dass stillgelegt war, automatisch zu Grünland wird, ist fachfremd und die Festlegung willkürlich. Wir brauchen hier eine politische Lösung beziehungsweise eine Änderung des EU-Rechts. Wir dringen bei der Landesregierung darauf, dass sie sich für eine entsprechende Änderung einsetzt. Der Deutsche Bauernverband und die europäischen Verbände setzen sich auf nationaler und europäischer Ebene dafür ein. Im Europaparlament gibt es dazu schon Bestrebungen.

LW: Was viele Landwirte bedrückt, sind die oftmals reißerischen und vielfach diffamierenden Vorwürfe aus der Politik, von Medien und Verbänden, insbesondere zur Tierhaltung und zum Pflanzenschutz. Hat der Bauernverband geeignete Instrumente, um dem etwas entgegenzusetzen?
Schneider:
Zunächst ist es so, dass das Verhältnis der Landwirte mit den Nachbarn oft besser ist, als es die Vorwürfe in der Öffentlichkeit vermuten lassen. Auch stehen Landwirte in Umfragen über das Ansehen der verschiedenen Berufe im oberen Drittel, übrigens weit vor Journalisten. Auf der anderen Seite sind die Vorwürfe zum Teil unerträglich, und wir müssen dagegen angehen, weil sie auch den Druck auf die Politik erhöhen und letztlich zu einer ungerechtfertigten Gesetzgebung führen können. Wir stellen ja fest, dass immer mehr Politik auf Zuruf gemacht wird und sie dem Mainstream folgt.

„Aufklärung und das Interessewecken sind ein nicht endender Prozess.“

LW: Welche Maßnahmen sind das konkret?
Schneider:
Wir haben vor wenigen Wochen eine erfolgreiche Demonstration anlässlich der Agrarministerkonferenz in Bad Homburg durchgeführt, die auf sehr gute Medienresonanz stieß. Die hessische Landwirtschaftsministerin Priska Hinz, mit der wir sehr vertrauensvoll zusammenarbeiten, hat sich auf der Veranstaltung zu unseren Anliegen bekannt. Darüber freuen wir uns.
Außerdem haben wir unsere Öffentlichkeitsarbeit im Hessischen Bauernverband nochmals verstärkt, auch personell. Jüngste Maßnahme ist beispielsweise die Installierung einer Webcam in einem Schweinestall, über die sich Interessierte über die moderne Haltung informieren können. Begleitend dazu haben wir ein Video über moderne Schweinehaltung mit vielen Hintergrundinformationen gedreht. Es ist bei uns auf der Internetseite zu sehen. Wir haben außerdem in mehreren Mitgliedsbetrieben Schilder mit QR Codes aufgebaut, über die sich die Passanten mit ihren Smartphones entsprechende Informationen über die Betriebe und Produktionsabläufe aufrufen können.
Die vielen anderen Maßnahmen wie Tage des offenen Hofes, Bauernhof als Klassenzimmer, die zahlreichen Pressetermine, die Beteiligung an Messen, Ausstellungen und Bauernmärkten, die auf Landes- und Kreisebene durchgeführt werden, bleiben wichtige Instrumente unserer Öffentlichkeitsarbeit. Dabei nutzen wir auch die sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter.

LW: Hilft das denn gegen die wachsende Entfremdung der Bevölkerung gegenüber der Landwirtschaft?
Schneider:
Aufklärung und das Interessewecken sind ein nicht endender Prozess. Jede einzelne Betriebsleiterin oder Betriebsleiter und deren Familien müssen dazu beitragen. Öffentlichkeitsarbeit gehört zur Betriebsleiterkompetenz. Und wir müssen uns in den Parlamenten engagieren. Im Bundestag sind wir noch recht gut vertreten. Es ist aber auch wichtig, dass wir in den Kreistagen und Kommunalvertretungen präsent sind. Wir beobachten ja, dass beispielsweise die bestehende Tierhaltungsgesetzgebung schon in den einzelnen Kreisen unterschiedlich ausgelegt wird. Da kann landwirtschaftlicher Sachverstand in den kommunalen Parlamenten mitunter helfen, beispielsweise beim Bauen im Außenbereich.
Außerdem müssen wir sinnvolle Allianzen mit Organisationen fortführen oder eingehen, die ebenfalls auf Vernunft und Wahrheit bauen. Jedem Verirrten hinterherzulaufen und zu versuchen, ihn zu überzeugen, bringt allerdings nichts.

LW: Eine Maßnahme, Vertrauen und Akzeptanz beim Verbraucher zu erhöhen, ist die Initiative Tierwohl. Wie bewerten Sie das jetzt vorliegende Meldeergebnis der schweinehaltenden Betriebe?
Schneider:
Zunächst ist es gut, dass viele Betriebe mitmachen wollen. Es zeigt, dass die Betriebe bereit sind, zusätzliche Verbesserungen für das Tierwohl einzurichten, wenn die Mehrkosten übernommen werden. Allerdings gab es auch Unmut. In Hessen wie in anderen Regionen konnten weniger als die Hälfte der Landwirte bedient werden. Der Lebensmitteleinzelhandel muss nun mit zusätzlichen Mitteln dafür sorgen, dass auch die Betriebe aufgenommen werden, die jetzt auf der Warteliste stehen und die ja auch Investitionen und Anstrengungen unternommen haben. Dies wäre nach dem Bekenntnis des LEH, mehr für das Tierwohl tun zu wollen, nur folgerichtig.

LW: Kürzlich gab es auch die ersten Zahlen des staatlichen Monitorings zur Therapiehäufigkeit beziehungsweise zum Einsatz von Antibiotika. Wie beurteilen Sie das Ergebnis?
Schneider:
Die Zahlen sind mit Zurückhaltung zu bewerten. Offenbar gab es ja Unstimmigkeiten bei den Meldungen, beispielsweise bei der Behandlung von Kälbern. Wenn alle Kälberhalter, die über einer 0-Anwendung liegen, nun mit ihrem Tierarzt über Maßnahmen beraten beziehungsweise einen Maßnahmenplan zur Senkung des Antibiotikaeinsatzes erarbeiten müssen, kann das nicht sein. Die Länder müssen klären, wie mit diesen Zahlen umzugehen ist. Insgesamt müssen Maßnahmenpläne auf das Notwendigste begrenzt werden und zielführend sein. Zu ergänzen ist, dass ja das Meldesystem zum Antibiotikaeinsatz von QS, also die von der Wirtschaft getragene Datenbank funktioniert und dort gemeldete Daten in die staatliche Datenbank weitergeleitet werden können. Eines zweiten, staatlichen Systems hätte es nicht bedurft.

„Hessen hat für die Veredlung mit nur 0,6 Großvieheinheiten pro Hektar noch sehr viel Platz. Allerdings brauchen wir die Unterstützung und das klare Bekenntnis in der Politik, um auch die notwendigen Ställe bauen zu können.“

LW: Die Novellierung der Düngeverordnung ist jetzt schon seit zwei Jahren in der Diskussion. Es sieht so aus, als würden erhebliche Erschwernisse auf die Bauern zukommen. Was ist noch drin?
Schneider:
Die geplante Novellierung der Düngeverordnung geht über das hinaus, was der guten fachlichen Praxis entspricht. Diese muss aber Maßstab sein. Wir haben uns gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband intensiv mit den Bundesministerien und mit den Ländern auseinandergesetzt und nutzen auch jetzt noch jede Möglichkeit, das Schlimmste abzuwenden. Der Politik muss klar sein, dass sie mit den überzogenen Forderungen nach längeren Ausbringungssperrfristen, einer Einschränkung der Herbstausbringung und viel aufwendigeren Dokumentationspflichten kleinere Tierhaltungsbetriebe, die ja gewünscht werden, überfordern wird. Länderöffnungsklauseln lehnen wir ab. Denn diese würden noch höhere Auflagen draufsatteln.
Wir fordern auch weiterhin einen Bestandsschutz für bestehende Lagerstätten für organische Dünger. Ansonsten wären viele Betriebe zu unverhältnismäßigen Investitionen gezwungen, kleinere Betriebe würden aufgeben müssen.

LW: Die vielen Belastungen und Beschränkungen, die die Bauern bereits haben und die auf sie zukommen, sind ja alles andere als ein Ansporn für die Betriebe. Wie schätzen Sie das ein?
Schneider:
Ich bin grundsätzlich Optimist. Die Zuversicht gründet sich darauf, dass wir erstens den weltweiten Mega­trend eines wachsenden Nahrungsmittelbedarfs haben. Der zweite Trend ist die Regionalität. Wir haben in Hessen mit dem Rhein-Main-Gebiet einen großen Markt vor der Haustür. Den müssen wir noch stärker mit eigenen Produkten bedienen. Während andere Regionen wie Nordwestdeutschland an ihre Grenzen stoßen, hat Hessen für die Veredlung mit nur 0,6 Großvieheinheiten pro Hektar noch sehr viel Platz. Allerdings brauchen wir die Unterstützung und das klare Bekenntnis in der Politik, um auch die notwendigen Ställe bauen zu können.
Der Beruf des Landwirts bietet Chancen und ist interessant. Das belegen auch die hohen Ausbildungszahlen in Hessen. Gute Ausbildungsvoraussetzungen sind im Ãœbrigen auch ein wichtiger Punkt im Zukunftspakt.
Wichtig für die weitere positive Entwicklung der Landwirtschaft in Hessen bleiben ein starker Berufsstand und das gute Miteinander der landwirtschaftlichen Organisationen. Dafür habe ich mich immer stark gemacht und ich habe den Eindruck, dass dieses Miteinander sehr gut ist. Meine Amtszeit läuft noch ein gutes halbes Jahr. Es gibt derzeit zwei Kandidaten, die sich um meine Nachfolge als Präsident des Hessischen Bauernverbandes bewerben. Darüber freue ich mich sehr. Es zeigt, dass der Bauernverband eine attraktive Organisation ist, die von der Politik und in der Öffentlichkeit geachtet wird.

Die Fragen stellte Cornelius Mohr – LW 20/2015