Wegducken oder diskutieren?
Großveranstaltung der VLF im Schwalm-Eder-Kreis
Landwirtschaft in der Öffentlichkeit lautete das Thema der Großveranstaltung der Vereine für landwirtschaftliche Fortbildung im Schwalm-Eder-Kreis und des Agrartechnikerverbandes Fritzlar, die kürzlich in Borken stattfand. Die Veranstalter wollten Antworten finden, wie Landwirtschaft in der Öffentlichkeit wahr genommen wird und welche Möglichkeiten bestehen, das Image zu verbessern.

Foto: Dr. Ernst-August Hildebrandt
Betrieb öffnen, schafft Vertrauen
Den Menschen die moderne Landwirtschaft anhand nüchterner Fakten zu erklären, helfe nicht immer weiter, da zum einen Glaubwürdigkeit und Image mehr als Fakten zählen würden und andererseits Emotionen immer über Fakten siegen. „Wer Angst hat, hört nicht mehr zu, sondern folgt seinen Gefühlen!“, so Breuninger. Hier wirke vor allem die Macht der Bilder. Breuninger ruft als prägnante Beispiele die Fernsehbilder der BSE Epidemie in Erinnerung, die noch heute in den Köpfen der Verbraucher seien.
Entscheidend sei, dass sich Menschen ihre Meinung auch aufgrund persönlicher Begegnungen bilden und das Vertrauen in Landwirte als Person sei im Allgemeinen hoch. Der Referent fordert daher von den Veranstaltungsbesuchern, Ansehen oder Image vor Ort nicht dem Zufall, den Medien zu überlassen, sondern systematisch ihr Umfeld zu pflegen und dabei auf die persönliche Karte zu setzen. Indem man sich und seinen Betrieb öffnet, könne man Vertrauen und Sympathie im Umfeld aufbauen und so die eigene persönliche Öffentlichkeitsarbeit entwickeln. Als sympathische werde empfunden, wenn auf Augenhöhe bleibe, ruhig und freundlich kommuniziere und ernsthaft versuche, den anderen zu verstehen.
Um authentisch rüberzukommen müsse man mit Ãœberzeugung zu sich selbst, dem Betrieb und seiner Wirtschaftsweise stehen. Stets sollte man einfach und klar argumentieren und zwar nach der Devise „weniger ist mehr.“ Entsprechend seien Verhaltensweisen zu unterlassen, die unsympathisch wirken wie Arroganz und Zynismus, Rechthaberei und Rechtfertigung.
Wertschätzung zeige sich darin, indem man auf die Mitbürger freundlich und offen zugehe, zuhören könne und Verständnis zeige, nachfrage und Gehörtes in eigenen Worten wiedergebe, in klaren, ehrlichen und einfachen Botschaften formuliere und eine kurze Argumentation wie mit der Frage „Wie sehen Sie das?“ abschließe. Erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit zeige darüber hinaus Nachhaltigkeit und einen guten Kontakt zu Multiplikatoren und Journalisten in der Region. Gegenüber Journalisten solle man stets positiv und wahrheitsgemäß antworten und Pauschalierungen und Spekulationen vermeiden. Bei unfairen Journalistenfragen empfiehlt Breuninger Gegenfragen wie „Was meinen Sie genau?“ zu stellen oder eine Ablenk-Antwort „Das ist doch hier nicht die Frage. Wichtig ist vielmehr…“ zu geben. Schließlich sei es in einem solchen Fall auch erlaubt, eine Antwort zu geben, die gar nicht oder nicht direkt zur Frage passt wie „Sind Sie für oder gegen die Grüne Gentechnik?“ Antwort: „Ich bin für eine moderne, nachhaltige und leistungsfähige Landwirtschaft.“
Journalist muss möglichst objektiven Bericht abliefern
Fernsehjournalist Eckhard Braun machte deutlich, dass seriöser Journalismus nicht Partei ergreife und keine Allianzen eingehe. Die öffentlich-rechtlichen Medien hätten den Auftrag, Kritik- und Kontrollfunktionen in der Gesellschaft wahrzunehmen, Missstände aufzudecken, Geschehnisse zu hinterfragen und Kritik zu üben. Der Journalist werde daher die Fakten recherchieren, mit allen Seiten sprechen und im Bericht die eigene Meinung nicht spüren lassen. Damit ein Thema das Interesse eines Journalisten weckt, müsse es für die Bürger relevant, einzigartig oder mit außergewöhnlicher Entwicklung und aktuell sein. Alles was so läuft, wie zu erwarten, sei als Thema uninteressant.
Als besonders wichtig stellte Braun Transparenz und Offenheit heraus, die Vertrauen schaffen. Für Fernsehjournalisten seien zusätzlich Bilder, O-Töne und Interviews entscheidend. In den Fällen, wo Beiträge und Recherchen behindert oder verweigert werden, entstehe eher Misstrauen, das eine objektive BeÂrichterstattung erschwere.
Praktische Beispiele der Öffentlichkeitsarbeit
Als Beispiel erfolgreicher Öffentlichkeitsarbeit stellte Claudia Jütte ihren Betrieb mit 75 Milchkühen und Hofkäserei in Fuldatal-Simershausen vor. Mangels Wachstumsmöglichkeiten in Fläche und Tierhaltung vermarktet der Betrieb die verarbeitete Milch in einem Hofladen, auf einem Bauernmarkt, diverse Wiederverkäufer und circa 50 Einzelhandelsgeschäfte. Öffentlichkeitsarbeit leistete der Betrieb zunächst durch Führungen für Kindergartengruppen und Schulklassen der eigenen Kinder. Später kamen Kindergeburtstage, Hoffeste und weitere Aktionen dazu. Inzwischen werden jährlich in der Zeit von Mai bis Oktober 800 bis 1 000 Besucher zu Hofführungen und etwa 3 000 Besucher zu Hoffesten empfangen. Den Aufwand lässt sich der Betrieb vergüten. Bei Kindergeburtstagen auf dem Hof wird beispielsweise ein Grundbetrag von 45 Euro und pro Kind eine Pauschale von 8,50 Euro erhoben. Kuchen bringen die Eltern mit. Die Betreuung wird durch eine FÖJ-lerin vorgenommen. Die Kinder kommen im Melkstand auch mit den Tieren in BeÂrührung nehmen an „Kälbchentaufen“ teil und können als Klassenverband Patenschaften übernehmen. Ähnlich wird auch bei Führungen für Erwachsene verfahren. Die Gruppen erhalten Informationen zu allen Bereichen der Landwirtschaft. Im Laufe der Zeit gelang es, auch Multiplikatoren auf den Hof zu holen und Kontakte zu Presse, Funk und Fernsehen zu knüpfen. „Gute Öffentlichkeitsarbeit beginnt meist mit einem Besen, denn für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance“, so die Betriebsleiterin die auch einige Kuriositäten zu bieten hatte, wie beispielsweise die Frage eines Gymnasiasten aus Kassel: „Haben Sie extra gezüchtete Kühe für die Vanillemilch?“
Förderungen in den Kreisen unterschiedlich
Auch ging sie auf die Kosten für den Betrieb ein, die durch eine erweiterte Haftpflichtversicherung, externe Schulungen für Mitarbeiter und Betriebsleiter sowie für die Einrichtung von Seminarräumen mit Toiletten und den Zeitaufwand nicht unerheblich sind. Im Landkreis Fulda würden Betriebe mit solchen Angeboten zur Öffentlichkeitsarbeit eine Pauschale von 100 Euro pro Betriebsführung bekommen, im Schwalm-Eder-Kreis sogar 150 Euro. Im Landkreis Kassel jedoch nichts.
Demonstrationsbetriebe im ökologischen Landbau erhielten aus einem Bundesprogramm sogar 30 Euro/Stunde. Der Betrieb müsse zum Ausgleich seiner Kosten deshalb bei Kindergartengruppen 5 Euro/Kind und Erzieher und bei Schulklassen 6,50 Euro/Schüler und Erzieher verlangen. Hierfür müssten 19 Prozent Mehrwertsteuer abgeführt werden. Aufklärungsarbeit sei trotzdem sehr befriedigend und für die Besucher ein Treffen in der Scheune des Betriebs allemal interessanter als im Vereinslokal.
„Unsere Landwirtschaft im Schwalm-Eder-Kreis“
Dr. Bernd Wenck vom Kreisbauernverband Schwalm-Eder informierte über ein neu ins Leben gerufenes Projekt zur Öffentlichkeitsarbeit mit dem Titel „Unsere Landwirtschaft im Schwalm-Eder-Kreis“ und sagte „Wir brauchen Akzeptanz in der Bevölkerung, wir brauchen Akzeptanz. Dazu gehört, dass die Dorfbevölkerung weiß, was wir tun, wie wir es tun und warum wir es tun.“ In das Projekt sollen die positiven Erfahrungen aus Hoftagen, Schulen und Kindergärten auf dem Bauernhof und Tage der Landwirtschaft einfließen und durch ein aktives Angebot von Vorträgen zum Thema „Unsere Landwirtschaft im Schwalm-Eder-Kreis, geführte Wanderungen durch die Feldgemarkungen unter landwirtschaftlicher Ausrichtung und durch aktive Angebote von Landwirten ergänzt werden.
Jeder der beteiligten Landwirte sollte bereits in diesem Jahr eine Gruppe seiner Wahl in seinem Betrieb führen. Das Projekt werde von allen landwirtschaftlichen Institutionen, die im Kreisgebiet tätig sind unterstützt und habe daher eine breite Basis. Derzeit würden Inhalte ausgearbeite. Den beteiligten Betrieben soll durch Vorbereitungsseminaren Hilfestellung geleistet werden.
Dr. Hildebrandt – LW 13/2014