Zehn Hektar Ahr-Rebfläche nicht mehr zu bewirtschaften

Ein Jahr nach der Flutkatastrophe

Im Ahrtal sind durch die Flutkatastrophe vor knapp einem Jahr insgesamt 10 ha Rebfläche verlorengegangen. Diese Flächen sind auch in Zukunft nicht mehr zu bewirtschaften. Das hat der Präsident des Weinbauverbandes Ahr, Hubert Pauly, am vergangenen Mittwoch vor Journalisten in Rech berichtet. Insgesamt seien 60 ha oder etwa 10 Prozent der Rebflächen betroffen gewesen.

Zehn Hektar Weinberge sind verloren gegangen in der Flutnacht. Landwirtschaftliche Flächen wurden mit Geröll verschüttet und teils stark verdichtet. Die Bürokratie für staatliche Hilfen ist hoch.

© Simon Beiser

Das Weinanbaugebiet Ahr umfasst laut Pauly rund 560 ha. Nach seinen Angaben wurden von den insgesamt 65 Winzerbetrieben durch die Flut 60 unmittelbar geschädigt. Den Gesamtschaden bezifferte der Weinbaupräsident auf rund 200 Mio. Euro. „Es ist ein Totalschaden, wirtschaftlich und mental, auch ein Jahr danach“, stellte Pauly fest. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass für die verlorengegangenen Flächen entlang der Ahr anderenorts ein Ausgleich gefunden werde. Als „Wahnsinn“ bezeichnete der Weinbaupräsident die Hilfe von Berufskollegen aus dem In- und Ausland sowie von Privatleuten.

Er betonte, dass die Winzer den Wiederaufbau für den Nachwuchs anpackten. „Wir hoffen, dass wir in fünf Jahren die Infrastruktur wieder hergestellt haben, so dass Hotellerie und Gastronomie in der Breite wieder öffnen können“, sagte Pauly. Dankbar zeigte sich der Weinbaupräsident auch für den Hubschraubereinsatz für die damals notwendigen Rebspritzungen.

Das sei „das Beste“ gewesen; dadurch sei die Lese 2021 gesichert worden, und die Winzer hätten für die Kunden ansprechenden Wein zum Verkauf anbieten können. Viele Verkäufe seien über das Internet erfolgt. Die Winzer hoffen laut ihrem Verbandspräsidenten nun, dass auch die vom Staat zugesagten Hilfen ankommen. Hier gebe es jedoch „große Zweifel“. Allein mit der Antragsstellung gebe es „große Probleme“.

Vor allem Flächenschäden in der Landwirtschaft

Nicht so sehr betroffen von der Flutkatastrophe waren die landwirtschaftlichen Betriebe. Manche Schäden seien unmittelbar nach der Flut zunächst gar nicht so sehr im Blick gewesen, sondern erst mit zweiwöchiger Verzögerung aufgrund der schlechten Erreichbarkeit damals sichtbar geworden, berichtete der Vorsitzende des Kreisverbandes Ahrweiler des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau (BWV), Franz-Josef Schäfer. Dabei handle es sich überwiegend um Flächen- und weniger um Gebäudeschäden. Nach offiziellen Angaben beliefen sich die Schäden im Grünland auf 60 ha und im Ackerbau auf 50 ha. Der Kreisvorsitzende wies aber darauf hin, dass nach eigenen Erhebungen des Kreisverbandes die Schäden „deutlich darüber liegen“. Hauptproblem seien Ablagerungen von Schutt und Geröll sowie verfestigte Böden, auf denen schweres Gerät unterwegs gewesen sei. Die Landwirte hätten nun Probleme, die für die Wiederherstellung entstandenen Kosten erstattet zu bekommen.

Kaum noch Beachtung in den Medien

Enttäuscht zeigte sich Schäfer zudem darüber, dass die Ereignisse der Flutkatastrophe und deren Folgen sowie die Hilfsbereitschaft aus der Landwirtschaft medial kaum noch Beachtung finden. Über die bäuerlichen Hilfsfonds, die Schorlemer-Stiftung des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und den Bäuerlichen Hilfsfonds des BWV, seien große Spendenbeträge zusammengekommen, die schnell den Betrieben auf relativ unbürokratische Weise ausbezahlt worden seien. Der Kreisvorsitzende berichtete, dass viele Betriebe noch gar keine Schadensmeldung vorgenommen hätten und auch noch traumatisiert seien. Die Hauptaufgabe des Verbandes sieht Schäfer nun darin, die Folgen der Flut für die Verbandsmitglieder zu bewältigen und abzumildern. Zwar bekämen die Betriebe rund 80 Prozent der Kosten zur Behebung der Schäden erstattet, nichtsdestoweniger kämen auf die Bewirtschafter noch erhebliche Kosten zu. Daneben trete eine Konkurrenz um Flächen zwischen Naturschutz, Landwirtschaft und Gemeinden ein.

Ohne Spenden nicht geschafft

Der Geschäftsführer des Weinbauverbandes Ahr, Dr. Knut Schubert, beklagte das Ausmaß an Bürokratie und die damit im Zusammenhang stehenden Probleme der Winzer im Ahrtal. Viele Betriebe warteten immer noch auf staatliche Hilfsgelder. Schubert zufolge ist dabei ein Knackpunkt, dass drei unterschiedliche Anlaufstellen für die Bearbeitung der Anträge der Winzer zuständig seien und auch entsprechende Gutachten angefertigt werden müssten. So werde hier zwischen reinen Flächenschäden, investiven Gütern wie Wirtschaftsgebäuden und Maschinen sowie privaten Schäden differenziert, für die der Landkreis, das DLR und die ISB-Bank zuständig seien. „Wir hätten uns für den Berufsstand einen zentralen Ansprechpartner gewünscht“, stellte Schubert klar und hob hervor, dass es die Winzer ohne die Spenden aus dem Berufsstand nicht geschafft hätten. Das habe die Betriebe die letzten Monate oben gehalten.

Ein wesentliches Problem sei, dass auch viele Behördenmitarbeiter selbst Flutbetroffene gewesen seien und nicht hätten arbeiten können beziehungsweise die Arbeitsstelle gewechselt hätten, führte Schubert aus. Ihm zufolge wäre von Anfang an eine Task-Force mit Vertretern der Landwirtschaft, der relevanten Ministerien von Bund und Land sowie verschiedener Behörden, beispielsweise des Wasserschutzes, erforderlich gewesen. Von der Bundesebene wäre seitens des Bundeslandwirtschaftsministeriums und der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) als nachgelagerter Behörde beispielsweise eine dauerhafte personelle Unterstützung für die regionale Behörde notwendig gewesen. Schubert forderte für den weiteren Wiederaufbau eine Einrichtung auf interdisziplinärer Ebene, die sich in regelmäßigen Abständen zusammensetzt und gemeinsam Lösungen an einem Tisch findet.

Im Zuge der Aufarbeitung der Flutkatastrophe waren bekanntlich die damalige Umweltministerin von Rheinland-Pfalz und spätere Bundesfamilienministerin Anne Spiegel sowie die nordrhein-westfälische Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser von ihren Ämtern zurückgetreten. Der Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler, wurde Ende Oktober 2021 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.

age – LW 28/2022