Zukunftsorientierte Strategien und Zusammenarbeit

Großer Pfälzer Weinbautag in Neustadt/Weinstraße

Im Rahmen der Jahreshauptversammlung des Weinbauverbandes Pfalz in Neustadt an der Weinstraße hat die rheinland-pfälzische Wirtschafts- und Weinbauministerin Daniela Schmitt eine klare Botschaft an die Branche gerichtet: Die aktuellen Herausforderungen für die Weinwirtschaft erfordern gemeinsames Handeln, innovative Ansätze und entschlossene politische Unterstützung auf nationaler und EU-Ebene.

Voller Saal bei den Weinbautagen in der Pfalz, hier bei der Jahreshauptversammlung des Weinbauverbandes Pfalz.

Foto: Bettina Siée

Der Saalbau in Neustadt war proppenvoll als Weinbaupräsident Reinhold Hörner die Probleme benannte. Die Branche sehe sich so vielen Herausforderungen gleichzeitig gegenüber wie noch nie zuvor: „Klimawandel, Pflanzenschutz, neue Schädlinge, Marktlage mit schwachem Absatz. „Hohe Kosten bei geringen Erlösen halten die Betriebe nicht lange durch. Immerhin brachte 2024 qualitativ gute Weine mit ausgewogener Säure-Zucker-Balance“, so Hörner. Der Weinbaupräsident sieht nur geringen politischen Einfluss der Branche: „Aber wir werden im Mainzer Wirtschaftsministerium zumindest gehört.“

Schutzgemeinschaften haben Probleme

Wegen bürokratischer Hürden könnten EU-Fördermittel Jahr für Jahr nicht komplett in Anspruch genommen werden, was die Weinwirtschaft empört. Hörner bat die Ministerin, dafür zu sorgen, dass die Geldmittel einfacher abgerufen werden können.

„Die Schutzgemeinschaften haben grundlegende Probleme und kommen nicht ins Arbeiten“, klagte Hörner, derweil ziehe die Weinwelt im Ausland davon. Das Ehrenamt brauche hier Unterstützung und Rechtsberatung. Die Branche müsse zusammenstehen, meinte Hörner, der einen „Rheinwein“ mit eigenem Profil befürwortet.

Wein hat hohe Bedeutung für Rheinland-Pfalz

Ministerin Daniela Schmitt betonte die Bedeutung der Weinwirtschaft für Rheinland-Pfalz. „Wein ist Teil unserer Geschichte und Kultur, er prägt unsere Landschaft und ist ein wesentlicher Bestandteil der Identität unserer ländlichen Räume“, sagte Schmitt.

Gleichzeitig verwies sie auf die erheblichen Belastungen, denen die Branche derzeit ausgesetzt ist: von extremen Wetterbedingungen über steigende Produktionskosten bis hin zu einem plötzlichen Nachfragerückgang auf dem Weinmarkt. „Gerade in schwierigen Zeiten ist der Zusammenhalt wichtiger denn je“, so Schmitt.

Neue Märkte erschließen, Konsumenten begeistern

Schmitt betonte, dass verstärkte Marketing- und Absatzfördermaßnahmen nötig seien, um den Absatz rheinland-pfälzischer Weine im In- und Ausland zu steigern. Neben den traditionellen Exportmärkten gelte es, neue Absatzmärkte in wirtschaftlich aufstrebenden Ländern zu erschließen. Die Teilnahme der Weinwirtschaft auf internationalen Messen sei dazu ein wichtiger Baustein. Sie selbst werde rheinland-pfälzische Weine bei ihren Außenwirtschaftsreisen noch stärker in den Fokus rücken.

Gleichzeitig sieht Schmitt die Weinbranche in der Pflicht, sich an veränderte Konsumtrends anzupassen. „Wir müssen nicht nur neue Märkte erschließen, sondern auch neue, vor allem jüngere Käuferschichten mit innovativen Produkten für deutschen Wein gewinnen“, hob sie hervor. Auch die Sensibilisierung der Verbraucher für die hohe Qualität und die kurzen Wege heimischer Weine sei entscheidend, um die Wettbewerbsfähigkeit der Region zu stärken.

Unterstützungsmaßnahmen für den Weinbau

Ministerin Schmitt kündigte an, den Zuschuss für Ernteversicherungen gegen Hagel und Frost in diesem Jahr in Rheinland-Pfalz von 180 auf 200 Euro pro Hektar zu erhöhen. Das sei ein Beitrag, um die einzelbetriebliche Risikovorsorge zu unterstützen, erklärte Schmitt.

Auf europäischer Ebene begrüßte Schmitt die Vorschläge der High Level Group zur Anpassung des Produktionspotenzials an die Marktentwicklung. Es sei Augenmaß erforderlich, um die Kulturlandschaft und die regionalen Besonderheiten zu bewahren. Schmitt betonte die Bedeutung flexibler Lösungen wie der Verlängerung von Wiederanpflanzgenehmigungen und dem Wegfall von Sanktionen bei Nichtnutzung.

Ein zentraler Bestandteil der Weinbaupolitik sei der regelmäßige Austausch mit der Branche. Im Dezember hatte das Ministerium Vertreter der Weinwirtschaft und Wissenschaft zum Spitzengespräch nach Mainz eingeladen, um Lösungen zu erarbeiten. „Wir werden im Gespräch bleiben, um gemeinsam Perspektiven für den rheinland-pfälzischen Weinbau zu entwickeln“, versprach die Ministerin. Rheinland-Pfalz werde weiterhin fest an der Seite des Weinbaus stehen.

Deutscher Weinbauverband fordert Rotationsbrache

Der Pfälzer Weinbaupräsident begrüßt die Begrenzung der Pfanzgenehmigungen in Rheinland-Pfalz auf 0,03 Prozent der Anbaufläche, um der Überproduktion gegenzusteuern.

Christian Schwörer, Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbandes (DBV), fordert zudem eine Rotationsbrache als Mittel zur Marktentlastung. Das würde auch die Biodiversität fördern. Der Verband fordert eine Ausgleichszahlung von 300 Euro pro Hektar zur Abdeckung der Fixkosten und Pacht. Somit könnten 4 000 Hektar aus der Produktion genommen werden, schätzt der DBV.

Schwörer war Mitglied der High Level Group auf EU-Ebene und berichtete von den Ergebnissen. „Die Maßnahmen zielen in die richtige Richtung, aber es dauert zu lange“, meinte Schwörer. Deshalb seien regionale und nationale Maßnahmen notwendig, erklärte Schwörer.

Prof. Dr. Marc Dreßler, vom Weincampus Neustadt, meinte, dass die Politik die Branche nur begleiten könne, die Betriebe müssten selbst mit unternehmerischen Entscheidungen ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen.

Es gibt eine Lösung für jeden Betrieb

Neben der Profilierung der Pfalz standen die derzeitige schwierige Situation der Weinbetriebe sowie mögliche Lösungsansätze im Mittelpunkt der 78. Pfälzischen Weinbautage am 14. und 15. Januar 2025 in Neustadt an der Weinstraße.

Dr. Jürgen Oberhofer, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, zeigte gestützt auf aktuellen Zahlen auf, wie angespannt die derzeitige Lage ist. „Die Situation ist mit keiner vorherigen schwierigen Phase vergleichbar“, betonte der Betriebswirtschaftsexperte. Die Probleme am Absatzmarkt seien nicht temporär, so Oberhofer. Er machte deutlich, dass die Branche das Weinangebot durch Flächenrückgang reduzieren müssse, um sich der rückläufigen Nachfrage anzupassen.

In der derzeitigen Situation sei es entscheidend, sich mit den betriebswirtschaftlichen Zahlen des eigenen Unternehmens zu beschäftigen, sagte Hildegard Runkel von der Landwirtschaftskammer (LWK) Rheinland-Pfalz. Je nach Betrieb gebe es unterschiedliche Lösungen für die Zukunft. „Aber eine Lösung gibt es immer“, sprach Runkel den über 800 Personen im Neustadter Saalbau Mut zu.

Bernhard Schandelmaier verwies auf eine weitere Herausforderung für die Betriebe: Den ab dem Jahrgang 2026 neu geltenden Herkunftsangaben, bei der die Herkunft vor dem Mostgewicht an erster Stelle stehe (www.youtube.com/watch?v=5Au... dJno). Er gab den Betrieben mit auf den Weg, sich über eine eige­ne Qualitätspyramide im Betrieb Gedanken zu machen.

Ansätze und Ideen für die Zukunft

Weitere Vortragende sprachen über weinbauliche Ansätze der Zukunft, innovative oenologische Konzepte sowie wirtschaftliche Lösungen für eine starke Zukunft, womit sie den Zuhörern wichtige Impulse gaben. So zeigte Katharina Weihbrecht die Vorteile einer Unterstockbegrünung wie Bodenlockerung und Kosteneinsparung auf.

Gezielte Weinbereitung vor Entalkoholisierung

Eine gezielte Weinbereitung sei wichtiger als das Entalkoholisierungsverfahren, machten Lisa Käppler und Prof. Dr. Ulrich Fischer deutlich. Mit Maßnahmen wie Maischestandzeiten, Saftentzug bei Rotwein oder einer längeren Gärdauer können Betriebe den Geschmack der Grundweine für entalkoholisierte Weine verbessern.

„Wenn wir keinen Mehrwert schaffen und diesen kommunizieren, werden wir den Wettbewerb nicht gewinnen“, betonte Prof. Dr. Marc Dreßler. Sandra Morsch zeigte auf, dass man speziell mit dem Thema Nachhaltigkeit einen Mehrwert und Kaufimpulse kreieren könne.

Auch das Thema Mehrweg sei laut Prof. Dr. Dominik Durner eine Chance für die Branche und könne zur Kundenbindung

beitragen. „Wir könnten in Deutschland mit gutem Gewissen ein Mehrwegsystem aufbauen und sind beim CO2-Ausstoß weit, weit unter dem von Neuglas“, fasste Durner seine Ergebnisse aus einem Projekt zusammen.

Die Herausforderungen scheinen immer schwieriger zu werden, stellte der neue Leiter des DLR Rheinpfalz, Dr. Andreas Kortekamp, fest. Er gab den Winzern mit auf den Weg, aufmerksam, mutig und zuversichtlich zu bleiben.

bs/isp – LW 4/2025