Die Abgrenzung der Roten und eutrophierten Gebiete

Messstellenwerte und modellierte Emissionsdaten

Mit der novellierten Düngeverordnung (DüV) 2020 wurden für die Abgrenzung von eutrophierten und mit Nitrat belasteten Gebieten neue Kriterien festgelegt (siehe auch LW Nr. 2, S. 32). Dadurch waren die Belange der Landwirtschaft und die hohen Anforderungen der EU-Kommission hinsichtlich des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland aufgrund der unzureichenden Umsetzung der Nitratrichtlinie zu berücksichtigen. Michael Zacharias und Dr. Carina Zang vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) erläutern die Vorgehensweise.

Mit der Düngeverordnung 2020 wurden erstmals alle Bundesländer dazu verpflichtet, eutrophierte Gebiete auszuweisen, in denen verschärfte Regelungen gelten werden. Die eutrophierten Gebiete werden auf Ebene von Oberflächenwasserkörpern, die nach der Oberflächengewässerverordnung 2016 abgegrenzt worden sind, ausgewiesen.

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Nach den Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und (mit Phosphor) eutrophierten Gebieten (AVV GeA/BAnz AT 10.11.2020B4) musste die Abgrenzung der Gebiete bis zum Ende des Jahres 2020 fertiggestellt werden. Hierfür wurden gemessene Immissions- und modellierte Emissionsdaten herangezogen.

Das hatte zur Folge, dass mehrere Einzelschritte zur Abgrenzung der Gebiete notwendig waren. Das Hessisches Umweltministerium hat das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) mit der technisch-fachlichen Umsetzung der methodischen Bundesvorgaben zur Gebietsabgrenzung beauftragt.

Abgrenzung der mit Nitrat belasteten Gebiete

Die AVV GeA beschreibt im Abschnitt 2 sieben Schritte, wie die Gebiete abgegrenzt werden müssen. Deutlich wird, dass nicht mehr die Nitratbelastungen im Grundwasser, sondern die für den Boden verträglichen Stickstoffüberschüsse den Ausschlag für die Abgrenzung der belasteten Gebiete geben. Es sind keine vollständigen Grundwasserkörper (wie noch in der DüV 2017 vorgegeben), sondern ausschließlich landwirtschaftliche Flächen mit hohem Risiko eines Nitrataustrags in das Grundwasser auszuweisen.

Schritt 1: Ausweisungsmessnetz (§ 5 AVV GeA). Für die Abgrenzung der Gebiete mussten vorab die Bereiche definiert werden, in denen eine Belastung im Grundwasser durch Überschreitungen einer Nitratkonzentration von 50 mg/l oder einer Nitratkonzentration von 37,5 mg/l mit steigender Tendenz vorlag. Hierfür mussten bestehende Messnetze, die an die EU gemeldet werden, aber auch Messstellen, die bislang keinem EU-Messnetz zugeordnet sind, herangezogen werden. Neu ist, dass mindestens eine Messstelle pro einer Flächeneinheit von 50 Kilometer vorhanden sein soll. Dieses Ziel erreicht derzeit kein Bundesland, so dass von den Übergangsregelungen Gebrauch gemacht werden musste. Für die Erstausweisung wurden in Hessen 135 Messstellen für das Ausweisungsmessnetz herangezogen. In den kommenden Jahren müssen weitere Messstellen gebaut werden, um die Flächenkriterien der Bundesvorgaben zu erfüllen.

Für die Bewertung wurden die hydrochemischen Daten der aus den Messstellen entnommenen Grundwasserproben für den aktuellsten verfügbaren Zeitraum von vier Jahren herangezogen, so dass sich auch mit den alle vier Jahre zu erfolgenden Neuabgrenzungen mögliche Entwicklungen bezogen auf die Gebiete bemerkbar machen. Für die Erstausweisung wurde der Mittelwert der Nitratkonzentrationen aus den Jahren 2016 bis 2019 zugrunde gelegt.

Schritt 2: zu betrachtende Grundwasserkörper (§ 4 AVV GeA). Sowohl in der DüV 2020, als auch in der AVV GeA gibt es hier klare Vorgaben zu den zu betrachtenden Grundwasserkörpern. Zu berücksichtigen waren Grundwasserkörper, die sich aufgrund der Einstufung nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) im schlechten chemischen Zustand wegen Nitrat befinden. Auf Bestreben der EU-Kommission wurden in die DüV strengere Vorgaben aufgenommen. Auch Grundwasserkörper, die sich im guten chemischen Zustand befinden, für die aber das Grundwasser einer einzelnen Grundwassermessstelle den Nitratgrenzwert überschreitet, sind für die weiteren Verfahren zur Abgrenzung der mit Nitrat belasteten Gebiete einzubeziehen.

Schritt 3: Teil 1 der Binnendifferenzierung auf Immissionsebene (§ 6 AVV GeA). Die vorausgewählten Flächen wurden nun in einem weiteren Schritt konkretisiert und damit reduziert. Dafür sind in der AVV GeA drei Möglichkeiten zur Auswahl vorgegeben. Wenn eine Messstellendichte von einer Messstelle pro Flächeneinheit von 20 km2 besteht (entsprechend den Vorgaben der Anlagen 1 und 2), kann eine Regionalisierung durchgeführt werden. Da dieses Flächenkriterium derzeit in Hessen nicht erreicht wird, konnte diese Option nicht genutzt werden. Weitere Möglichkeiten zur Vorselektion auf Immissionsebene bieten die Einzugsgebiete von Wasserschutzgebieten und die Abgrenzungen nach hydrogeologischen Teilräumen. Diese beiden Möglichkeiten wurden in Hessen angewandt, so dass sich die Gebiete, die für die Binnendifferenzierung auf Emissionsebene (Stickstoffüberschüsse auf den Flächen) herangezogen werden müssen, bereits erheblich reduziert haben. Wie sich dies visuell darstellt, kann dem zum Download verfügbaren Vortrag auf der Webseite des HLNUG entnommen werden (www.hlnug.de/themen/wasser/...).

Schritt 4: Teil 2a der Binnendifferenzierung auf Emissionsebene (§ 7 AVV GeA). Um Flächen mit einem hohen Austragsrisiko für Nitrat zu ermitteln, musste in einem weiteren Schritt überprüft werden, wieviel überschüssigen Stickstoff ein Boden tolerieren kann. Dabei sind gemäß AVV GeA (§ 3 und Anlagen 3, 4) Modelle aus dem Modellverbund AGRUM-DE anzuwenden. Um zu ermitteln, wieviel Kilogramm Stickstoff je Hektar zulässig wären, bevor es rechnerisch zu einem Nitrataustrag kommt, werden in dem Modell verschiedene Fachdaten benötigt. Anhand der für Hessen verfügbaren guten Datenbasis konnten erheblich genauere Ergebnisse erzielt werden, als dies mit pauschalen Modellannahmen möglich gewesen wäre. Wichtige Eingangsgrößen des Modells sind Bodendaten in höherer Auflösung als in dem Bundesmodell, Sickerwasserraten, Verweilzeiten des Sickerwassers im Boden, atmosphärische Stickstoff-Deposition (für Hessen 4,9 kg N/ha, im Bundesmodell 12,3 kg N/ha) und der Nitratabbau im Boden. Unter der Berücksichtigung dieser Informationen wurden für Flächen im 100 mal 100 m Raster maximale Mengen an Stickstoff errechnet, die im Hinblick auf die Ziele vertretbar sind, bevor es zu einem Nitrataustrag in das Grundwasser kommt. Diese Stickstoffmenge wird als tolerierbarer Stickstoffüberschuss bezeichnet.

Schritt 5: Teil 2b der Binnendifferenzierung auf Emissionsebene (§ 8 AVV GeA). In einem zusätzlichen Schritt mussten die potenziellen Nitratausträge ermittelt werden. Darunter ist die modellgestützte Ermittlung der Flächenbilanzüberschüsse zu verstehen. Auch hierfür musste sich einem Modell aus dem Modellverbund AGRUM-DE bedient werden. Der Stickstoff-Input wird ähnlich wie beim Nährstoffvergleich dem Stickstoff-Output gegenübergestellt, um so einen Bilanzsaldo zu errechnen. Dabei werden sämtliche verfügbaren Daten zur Modellrechnung genutzt. Beispielsweise sind hier die Agrarstrukturerhebung, HIT-Datenbank, Wirtschaftsdüngertransporte, Angaben der statistischen Landesämter, Klärschlamm, Kompost, Biogas u. a. als Datenquellen zu nennen.

Schritt 6: Teil 2c der Binnendifferenzierung auf Emissionsebene (§ 9 AVV GeA). Durch eine Gegenüberstellung der zuvor aufgeführten Schritte 4 und 5 wurden die landwirtschaftlichen Flächen ermittelt, bei denen mehr Stickstoff auf den Flächen vorhanden ist, als maximal toleriert werden kann und es rechnerisch zu einem Nitrataustrag ins Grundwasser kommt. Somit ergeben sich kleinräumige Gebiete, bei denen ein hohes oder niedriges Emissionsrisiko besteht.

Schritt 7: Ausweisung der mit Nitrat belasteten Gebiet (§ 10 AVV GeA). Für die mit Nitrat belasteten Gebiete sind nur die Flächen relevant, die nach den Schritten 4 bis 6 ein hohes Emissionsrisiko aufweisen. Insgesamt sind durch die beschriebene Vorgehensweise rund 5 Prozent der hessischen Landesfläche und zirka 12 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche als mit Nitrat belastetes Gebiet abgegrenzt worden.

Im Vergleich zu den abgegrenzten Gebieten von 2019 hat sich die ausgewiesene Gesamtfläche Hessens um 74 Prozent reduziert ( Karte 1). Bezogen auf die landwirtschaftliche Fläche hat sich der Anteil nahezu auf etwa 12 Prozent halbiert. Somit müssen auf etwa 110 000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche die Vorgaben der DüV 2020 umgesetzt werden

Abgrenzung eutrophierter Gebiete in Hessen

Zusätzlich zu den Nährstoff­einträgen aus Nitrat führen auch erhöhte Phosphoreinträge zur Belastung von Gewässern. Im Gegensatz zur Grundwasserbelastung mit Nitrat steht bei einer Belastung mit Phosphor der Eintrag und die eutrophierende Wirkung auf Oberflächengewässer (Fließgewässer und Seen) im Fokus.

Eutrophierung beschreibt einen menschlich bedingten, unerwünscht hohen Eintrag von Nährstoffen in Gewässer (hier im Fokus: Phosphor). Durch diesen Prozess kommt es zu unnatürlich starkem Pflanzenwachstum und einem erhöhten Sauerstoffverbrauch im Gewässer, was wiederum anderen Wasserorganismen schadet.

Mit der DüV 2020 wurden erstmals alle Bundesländer dazu verpflichtet, eutrophierte Gebiete auszuweisen, in denen verschärfte Regelungen gelten werden. Können eutrophierte Gebiete nicht regional abgegrenzt werden, muss das gesamte Bundesland als eutrophiertes Gebiet bewertet werden. Als Grundlage für eine bundeseinheitliche Ausweisung wurde das Vorgehen in Abschnitt 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Gebietsausweisung (AVV GeA) festgelegt.

Die eutrophierten Gebiete werden auf Ebene von Oberflächenwasserkörpern (OWK), die nach der Oberflächengewässerverordnung (OGewV) 2016 abgegrenzt worden sind, ausgewiesen. Nach diesen Vorgaben wurde die Landesfläche Hessens in 437 OWK eingeteilt. Im Auftrag des HMUKLV hat das HLNUG in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Jülich die technische Umsetzung der AVV GeA durchgeführt. Die Gebietsausweisung erfolgte in vier Schritten strikt nach der in der AVV GeA vorgeschriebenen Vorgehensweise. Nur die Gebiete, die in allen vier Schritten eine Überschreitung aufweisen, werden final als eutrophiertes Gebiet ausgewiesen.

Prüfung der allgemein-physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten:

In Fließgewässern wird der Parameter ortho-Phosphat und in Seen der Parameter Gesamtphosphor nach Vorgaben der OGewV gemessen und bewertet. Falls der Parameter überschritten wird, erfolgt die Prüfung der Biologie in einem zweiten Schritt.

Prüfung der biologischen Qualitätskomponenten:

Relevant sind für Fließgewässer die Komponenten Wasserpflanzen (Makrophyten) und Kieselalgen und das Phytoplankton für Seen. Parallel zum ersten Schritt wird das Monitoring und die Bewertung nach rechtlichen, bundeseinheitlichen Vorgaben (OGewV) vorgenommen. Falls die biologische Qualitätskomponente einen nicht mindestens guten Zustand aufweist, erfolgt die Prüfung der signifikanten landwirtschaftlichen Einträge durch den dritten Schritt.

Prüfung der signifikanten Einträge aus der Landwirtschaft:

Auf Bundesebene wurde entschieden, diesen Schritt mit Hilfe einer Modellierung zu prüfen. In der AVV GeA wurde für die Modellierung von Phosphoreinträgen unter anderem das Modell MEPhos vorgeschlagen, das auch in Hessen zur Anwendung kam. Hiermit lassen sich die absoluten und prozentualen Einträge aus verschiedenen Pfaden in die Oberflächengewässer berechnen.

Der Landwirtschaft werden die Einträge aus Drainagen, Abschwemmung und Erosion zugerechnet. Weitere modellierte Eintragspfade sind kommunale und industrielle Kläranlagen, Kleinkläranlagen, Mischwasserentlastungen, Regenwasserkanalisation, Grundwasser, atmosphärische Deposition sowie Zwischenabfluss.

Basierend auf den Vorgaben der Europäischen Kommission wurde als Schwellenwert ein Beitrag der Landwirtschaft an den gesamten Phosphor-Einträgen größer als 20 Prozent festgesetzt. Falls in Flüssen und Seen eine Überschreitung beim Phosphor (1. Schritt) und kein guter Zustand in der Biologie (2. Schritt) sowie die landwirtschaftlichen Einträge die 20 Prozent überschreiten, erfolgt die Prüfung auf die flächenspezifischen, landwirtschaftlichen Phosphorfrachteinträge (4. Schritt).

Prüfung der flächenspezifischen, landwirtschaftlich bedingten Phosphorfracht: Als letzter Schritt werden neben den prozentualen Einträgen auch die absoluten Einträge aus der Landwirtschaft geprüft. Nur wenn diese Einträge in dem jeweiligen Gebiet über einer bestimmten Gesamtfracht (in kg P / km2 und Jahr, vgl. hierzu Anlage 5 der AVV GeA) liegen, kann ein eutrophiertes Gebiet ausgewiesen werden.

34 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche

Insgesamt wurden 85 Oberflächenwasserkörper mit einer Fläche von rund 6 080 Quadratkilometer (entspricht etwa 29 Prozent der Landesfläche) ausgewiesen (siehe Karte 2). In diesen Gebieten sind rund 3 100 Quadratkilometer landwirtschaftliche Fläche betroffen, was etwa 34 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche in Hessen entspricht.

 – LW 4/2021