„Der Agrarministerrat muss jetzt handeln!“

Unterstützung für die Landwirtschaft dringend nötig

„Ich erwarte vom heutigen Agrarrat verbindliche Beschlüsse, mit denen die Landwirte sofort und unbürokratisch unterstützt werden. Wir brauchen eine akute Krisenhilfe, mit denen sie ihre Betriebe durch das Preistief bringen können und die ihre Liquidität sichert.“ Das betonte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, bei der Demonstration des europäischen Bauern- und Genossenschaftsverbandes Copa-Cogeca anlässlich des Sondergipfels der EU-Agrarminister in Brüssel am Montag dieser Woche.

Der Vizepräsident des Hessischen Bauernverbandes, Karsten Schmal, benannte die Forderungen der Landwirte an die Politik (im Bild im Interview mit dem ZDF). Etwa 6 000 Landwirte kamen mit 2 000 Traktoren zum Sitz der EU-Kommission.Foto: HBV, DBV, BWV

Hessische und rheinland-pfälzische Landwirte demonstrierten am Montag anlässlich des Sondergipfels der EU-Agrarminister in Brüssel.

„Die aktuelle Preismisere auf den Agrarmärkten ist maßgeblich durch politische Kontroversen und deren Auswirkungen auf die Agrarmärkte entstanden. Leidtragende sind die deutschen und die europäischen Landwirte, die unter massivem wirtschaftlichen Druck stehen. Für viele Betriebe geht es bereits um ihre Existenz“, stellte Rukwied klar. „Die Maßnahmen müssen nachhaltig und langfristig sein. Konkret gilt es, kurz-, mittel- und langfristig sektorenübergreifend zukunftsfähige Absatzmärkte in Drittländern zu erschließen“, so Rukwied laut einer Pressemeldung des DBV. Auf nationaler Ebene müssten parallel die Verhandlungen über Veterinärvereinbarungen mit Drittländern als Voraussetzung für den Export intensiviert werden. Zu finanzieren seien diese europäischen Maßnahmen unter anderem mit den Einnahmen aus der Superabgabe für Milch. Denn, so die Klarstellung des Bauernpräsidenten: „Das sind Bauerngelder und keine Steuergelder. Um die Betriebe sofort zu entlasten und deren dringend notwendige Liquidität zu sichern, müssen die Direktzahlungen vorzeitig und vollständig ausgezahlt werden“, forderte Rukwied weiter. Abhilfe bei Liquiditätsengpässen müssten zudem durch Unterstützungs- und Bürgschaftsprogramme geschaffen werden. Für eine kurzfristige Marktentlastung im Milchsektor müssen die Intervention und die Private Lagerhaltung weiter fortgeführt werden. Zu prüfen sei dabei eine Anpassung des Interventionspreises. Auch müsse sichergestellt sein, dass eine solche Anpassung langfristig angelegt ist, mahnte Präsident Rukwied.

Schnelle Entlastung der Betriebe gefordert

Die europäischen Maßnahmen müssten zusätzlich national flankiert werden. Eine schnelle Entlastung der Betriebe könne die Aufstockung des Bundeszuschusses für die landwirtschaftliche Unfallversicherung um 100 Mio. Euro jährlich über die nächsten drei Jahre bringen, so der DBV. Zudem erneuerte Rukwied seine Forderung, gerade mit Blick auf zukünftige Krisen unmittelbar eine Risikoausgleichsrücklage einzuführen. Das stärke die betriebliche Eigenvorsorge. „Der Politik muss endlich klar werden, dass die Betriebe die derzeitige Preismisere besser bewältigen könnten, wenn dieses Instrument bereits vor einigen Jahren geschaffen worden wäre.“

Keine weiteren Auflagen und bürokratischen Hürden

Mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland appellierte Rukwied an die Politik: „Die landwirtschaftliche Erzeugung darf nicht weiter mit zusätzlichen Auflagen und bürokratischen Hürden erschwert werden.“ Entscheidend sei vor allem auch, die Vermarktungsstrukturen zu verbessern. Rukwied forderte den Gesetzgeber auf, im Rahmen des Kartellrechts sicherzustellen, dass die Erzeugerseite der Konzentration des Lebensmitteleinzelhandels angemessen begegnen kann.

Angeführt von Eberhard Hartelt, dem Präsidenten des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd (BWV, 11. v. rechts), demonstrierten auch die Vertreter des BWV für ihre Anliegen in Brüssel.Foto: HBV, DBV, BWV

Das Brüsseler Zentrum war bereits morgens von der Polizei großräumig abgeriegelt worden, nachdem schon in der Nacht zuvor etliche Demonstranten in die Innenstadt gekommen waren, erläuterte der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd (BWV) in einer Pressemeldung. Trotzdem gelang es den Delegationen von BWV und Hessischen Bauernverbandes (HBV) sich dem Demonstrationszug von Copa-Cogeca anzuschließen. Zuvor trafen sich die Teilnehmer aus den Landesbauernverbänden in der Bayerischen Landesvertretung. Dort sprachen unter anderem Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und der Präsident des DBV, Joachim Rukwied, zu den Landwirten.

Aufgrund der unübersichtlichen Lage durch parallel stattfindende Demonstrationen und der Abriegelung der Innenstadt, konnte die abschließende Kundgebung von Copa-Cogeca und des DBV nicht wie geplant vor dem Ratsgebäude stattfinden, so der BWV. Kurzerhand lud DBV-Präsident Rukwied die Landesbauernverbände noch einmal in die Bayerische Landesvertretung ein, um ein Fazit der Großdemonstration zu ziehen und die Forderungen an die EU-Agrarminister zu bekräftigen. Der Präsident des europäischen Bauernverbandes, Albert Jan Maat, richtete ebenfalls sein Wort an die deutschen Landwirte und dankte für deren Unterstützung.

Unruhen während der Demonstration

Nach Ende der friedlichen Demonstration kam es am Nachmittag in Brüssel zu Ausschreitungen zwischen einzelnen radikalen Landwirten anderer Orga­nisationen und der Polizei, die von HBV und BWV als völlig inakzeptabel bezeichnet wurden. Diese Aktionen tragen laut BWV-Präsident Eberhard Hartelt nicht zum Erfolg der Demons­tration bei, und besonnene Berufskollegen wurden durch einige wenige Radikale in Gefahr gebracht. Hartelt bedankte sich bei den mitgereisten Mitgliedern für deren Einsatz im Sinne der Berufskollegen. Er hofft für die Zukunft, dass sich immer wieder Landwirte für die Interessen des gesamten Berufsstandes engagieren und dem Aufruf zur nächsten Demonstration wieder zahlreich gefolgt wird.

Zukunftsängste der Landwirte

HBV-Vizepräsident Armin Müller sagte im Radiointerview mit dem Hessischen Rundfunk: „Wir sind heute hier, weil wir uns große Sorgen um die Zukunft der Betriebe machen. Ich habe zwei Söhne auf meinem Betrieb und man weiß nicht, ob sie damit noch eine Existenz haben werden. Es sind Zukunftsängste, die uns hierher getrieben haben.“ Bezogen auf die Auswirkungen des Russlandembargos konnte Karsten ­Schmal, ebenfalls Vizepräsident des HBV, wichtige Anliegen der Landwirte in einem Interview mit dem ZDF formulieren: „Wir fordern von der Politik, dass sie den Bauern die Erlösminderungen, die das Russlandembargo betreffen, finanziell ausgleichen. Die Bauern können nichts dafür, dass sie nicht mehr nach Russland exportieren dürfen.“

LW – LW 37/2015