Wer muss sich anpassen – der Mensch oder der Wolf?

Staatssekretär Conz zum Meinungsaustausch beim HBV

Die gegensätzlichen Positionen des Berufsstandes und des grün geführten hessischen Agrar- und Umweltministeriums im Umgang mit dem Wolf sowie in der Einschätzung über die Folgen für die Weidetierhaltung sind vergangene Woche beim Erweiterten Verbandsrat des Hessischen Bauernverbandes (HBV) in Alsfeld ein weiteres Mal deutlich geworden. Während der HBV nach dem Grundsatz „Der Wolf muss lernen, mit uns zu leben“ die Begrenzung seines Lebensraums auf bestimmte Gebiete und eine konsequente Entnahme von Problemwölfen fordert, wiederholte Staatssekretär Oliver Conz die Leitlinie seines Hauses „Wir müssen lernen, mit dem Wolf zu leben“. Conz, der seit Dezember 2019 das Amt bekleidet, stand bei dem HBV-Gremium der Vorsitzenden und Geschäftsführer der Kreisbauernverbände und des HBV-Vorstandes Rede und Antwort.

Staatssekretär Oliver Conz.

Foto: Mohr

„Der Wolf, den Sie erschießen, lernt nichts mehr“, sagte der Staatssekretär zum Standpunkt des HBV und zur Forderung nach der Entnahme von Problemwölfen. Auch relativierte er das Problem: In Hessen gebe es nur zwei sesshafte Wölfe, während es in anderen Bundesländern ganze Rudel gebe. Nach Einschätzung des Staatssekretärs gibt es im Land zudem ein großes natürliches Nahrungsangebot für das Raubtier. „Wir haben viel Reh- und Schwarzwild.“ Angesprochen wurde von den HBV-Vertretern insbesondere die Stölzinger Wölfin im Werra-Meißner-Kreis, die bei neun Angriffen 28 Nutztiere getötet haben soll. Bei den einzelnen Fällen müsse man aber genau hinschauen, so Conz. Hier sei nicht richtig eingezäunt worden, dort sei der Herdenschutzhund nicht im Pferch gewesen. Derzeit sei die Anzahl an Rissen noch nicht so, dass in Hessen eine Entnahmeentscheidung anstehe.

Mit Blick auf die Befürchtung des Bauernverbandes, dass die Weidetierhaltung aufgrund von Wolfangriffen und der Belastung der Tierhalter nach und nach aufgegeben werde, sagte Conz, dass die Zahl der Tierhaltungen nach dem Krieg auch ohne Wolf stark zurückgegangen sei.

Schmal: Ministerium muss mit Thema anders umgehen

HBV-Präsident Karsten Schmal bekräftigte: Wenn wir die Weidetierhaltung erhalten wollen, dann muss das Ministerium mit dem Thema anders umgehen.“ Es könne nicht sein, dass das Wohl des Wolfes über dem der Nutztiere stehe. Eine Forderung aus der Runde der Vorsitzenden war zudem, dass auch die Rinderhalter in die Weideprämie mit einbezogen werden, die bislang für Schaf- und Ziegenhalter vorbehalten ist.

Conz: Waren nicht so gut aufgestellt

Die HBV-Vertreter wiederholten außerdem ihre Kritik an der Haltung des Agrarressorts, in Hessen keine Schulungen für die Isofluran-Narkose bei Ferkeln zur Kastration anzubieten. Man habe sich die Frage stellen müssen, „ob wir Tierhalter noch erwünscht sind“, so einer der Vorsitzenden. Conz räumte ein, „dass wir da nicht so gut aufgestellt waren, wie es wünschenswert gewesen wäre“. Den Vorwurf, die Tierhaltung werde abgelehnt, wies er zurück.

Der Staatssekretär erinnerte in seinem Statement an die zu Beginn des Jahres von Ministerin Hinz angekündigte Umfrage über eine Gesamtstrategie des Agrarressorts für eine nachhaltige Landwirtschaft, in der es unter anderem um Digitalisierung, Ausweitung regionaler Erzeugung, Verbesserung des Tierschutzes und klimafreundlichen Anbau gehen soll. Dazu werde im Herbst jede Bäuerin und jeder Bauer angeschrieben. Conz gab außerdem bekannt, dass künftig jedes Jahr vom Ministerium 100 Betriebe, die besonders nachhaltig arbeiten, hervorgehoben und der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollen, „um zu zeigen, was die Landwirtschaft leistet“.“

Kritik an Obergrenze bei Stallbauförderung

Ein weiteres Thema war die Stallbauförderung. Hier kritisierten die Vorsitzenden die in Hessen eingezogene Tierzahl­obergrenze - 300 bei Kühen und 1 500 Mastplätze bei Schweinen. Diese Grenze sei nicht mehr zeitgemäß und müsse weg. Außerdem forderten die Vorsitzenden, dass auch Erweiterungsbauten für mehr Tierwohl gefördert werden sollen. Das Gleiche gelte angesichts der verschärften Düngeverordnung und dem engeren Zeitfenster für die Ausbringung von Gülle für gemeinschaftliche Lagerstätten.

Diskutiert wurde darüber hinaus der Flächenverlust insbesondere in Südhessen. „Wir wollen unter 2,5 Hektar pro Jahr Flächenverbrauch bleiben“, bekräftigte Conz, auch wenn dies schon viel sei. Wie der Staatssekretär weiter berichtete, soll bis Ende des Jahres eine neue Abgrenzung der Roten Gebiete in Hessen nach der Maßgabe der kürzlich beschlossenen bundeseinheitlichen Standards ausgewiesen werden.

Lob für vielfältige Kulturen und neue AGZ-Kulisse

Gelobt wurde von der Versammlung das hessische Förderangebot „vielfältige Kulturen im Ackerbau“, das sehr gut wahrgenommen wird, und zwar zu einem Großteil von konventionellen Betrieben. Conz berichtete von mittlerweile über 100 000 Hektar Teilnahmefläche.

Positiv kommentiert wurden auch die Bemühungen des Landes zusammen mit dem Berufsstand für eine nochmalige Erneuerung der Gebietsabgrenzung bei der Förderung benachteiligter Gebiete (AGZ). Durch neue Kriterien werde es möglich, dass ein Großteil der bei der aktuellen Fassung herausgefallenen Gemarkungen wieder in die Förderung kommt. Die neue Förder-Gebietskulisse wird voraussichtlich im Herbst veröffentlicht.

CM – LW 37/2020