Guter Bauer, böser Bauer – Landwirte in der Öffentlichkeit
VLF-Abend bei Landwirtschaftliche Woche Südhessen
Auf Einladung des Vereins für landwirtschaftliche Fortbildung Aereboenia-Starkenburg gab Jan Grossarth, Wirtschaftsjournalist bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, einen Einblick in seine tägliche Arbeit und skizzierte das Bild der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit. Sein Vortrag in der vollbesetzten Stadthalle Gernsheim entfachte eine lebhafte Diskussion.
Foto: Frank Röth
Jan Grossarth möchte sich selbst ein Bild machen, möglichst objektiv und neutral. Dazu gehöre es, mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen und sich persönlich ein Bild vor Ort zu machen. Am Beispiel einer Pressemeldung zum Thema Glyphosat zeigte er auf, dass je nach Blickwinkel des jeweiligen Redakteurs oder des Printmediums verschiedene Schwerpunkte in den Zeitungsartikeln in den Vordergrund gestellt werden können. Aus einer Langzeitstudie des Umweltbundesamtes wurden Ergebnisse veröffentlicht, in der von einer gemessenen Belastung berichtet wurde, die um den Faktor 1 000 geringer waren als die Grenzwerte der EU- Lebensmittelbehörde es erlauben. Die Süddeutsche Zeitung meldete daraufhin: „Die Ergebnisse liefern Grund zur Besorgnis“. Grossarth hingegen sah darin keine große Belastung und titelte „Kaum GlyÂphosat im Urin“. Täglich erreicht ihn eine Vielzahl von Pressemitteilungen, die jedoch in der Regel keinen messbaren „Nachrichtenwert“ aufweisen, sondern eher Monologe oder Selbstdarstelllungen enthielten.
Das Gespräch ist eine wichtige Informationsquelle
Für eine seriöse Recherche zu einem Sachverhalt setzt Grossarth auf die direkte Kommunikation mit den Betroffenen. Natürlich müsse eine Nachricht akÂtuelle Themen aufgreifen und unterhaltsam sein. Die Landwirtschaft stehe besonders im Blickpunkt der Öffentlichkeit, was zum Beispiel das Wohl der Tiere betrifft. Skandale sowie Konflikte sind jedoch nicht sein persönliches Motiv, um in seinem Redaktionsalltag eine große Resonanz zu erzielen. „Ich bin nur mir selbst verpflichtet. Welche Auswirkungen meine Artikel haben, interessiert mich nicht“, stellte der Wirtschaftsredakteur klar.
In der Diskussion bestätigte ein Landwirt diese Aussage, als er der F.A.Z. eine objektive Berichterstattung bescheinigte. Beim Blick auf das Bild der Landwirtschaft in den Medien sieht Grossarth zum einen die Romantisierung und die Verkitschung. Zum anderen der Hang zur Skandalisierung. Bewusst würden auch Klischees bedient, wie bei der TV Sendung „Bauer sucht Frau“. Einige Organisationen bedienten sich reißerischer Aussagen wie „Pestizide.“ Hergestellt zum Töten“. Gleichwohl habe ein Printmedium nicht die Aufgabe, Bildungsdefizite auszugleichen. Er ist überzeugt: „Wir haben eine bildungsorientierte Kundschaft, die interessante und wahrheitsorientierte Artikel lesen möchte.“ Jan Grossarth gab den vielen anwesenden Landwirten den Tipp, interessante und überraschende Geschichten zu liefern. Das wäre die beste Voraussetzung für eine Veröffentlichung. Der Diskussionsabend war voller Anregungen für weitere Diskussionen zum Thema „Landwirte in der Öffentlichkeit“.
Heinz Gengenbach, LLH und Dr. Bernd Kuhlmann, LLH – LW 5/2016