Bei Befall sind teils erhebliche Auflagen einzuhalten
Quarantänekrankheiten und neue Schadorganismen an Kartoffeln
Die heutige und zukünftig zu erwartende Klimaveränderung geben Anlass, sich einmal intensiver mit dem zu erwartenden Erregerpotenzial im Kartoffelbau zu befassen. Und sich die Frage zu stellen: Welche Schadorganismen an Kartoffeln werden zukünftig eine entscheidende Rolle im Kartoffelanbau spielen? Dazu beschreibt Uwe Preiß vom DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück wichtige und künftig zu erwartende Schadorganismen.

Foto: Preiß
Steigende Temperaturen fördern Bakterien
Bakterien werden bei steigenden Temperaturen vermutlich einen wesendlichen Beitrag für Schäden an Kartoffeln haben. Besonders thermophile Arten von Pectobakterien (früher Erwinia) und Dickeya können sowohl in den Feldbeständen als auch im Lager erhebliche Schäden verursachen. Seit dem ersten intensiven Dickeya-Auftreten in Rheinland-Pfalz 2009 wurden die Laboruntersuchungen an Kartoffeln dokumentiert. In 52 Prozent der Fälle waren tatsächlich bakterielle Erreger die Schadursache. Dabei trat überwiegend Dickeya als Erreger mit einem Anteil an den gesamten Befallsaufkommen von 38 Prozent als alleinige Ursache und in 5 Prozent der Fälle als Mischeninfektion mit Pectobakterien auf. Pectobakterien als alleinige Ursache nehmen nur 9 Prozent des Befallsaufkommens ein. Gegen Bakteriosen stehen in Kartoffelbeständen keine Pflanzenschutzmittel zur Verfügung. Vorbeugende Maßnahmen sind die einzige Möglichkeit dem Befallsaufkommen entgegenzuwirken. Dies fängt mit der Verwendung von zertifiziertem Pflanzgut an setzt sich mit der Bestandskontrolle und dem Entfernen befallene Pflanzen fort; die Einhaltung einer gesunden Fruchtfolge, Beseitigung von Durchwuchskartoffeln, Vermeidung der Kontamination gesunder Ware durch infizierte Knollen oder kontaminierte Geräte sind weitere Maßnahmen. Besonders wichtig sind Maschinen- und Lagerhygiene, um Verschleppung zu vermeiden (z.B. Desinfektion mit Menno Florades). Auch nach der Ernte hat Feuchtigkeit einen Einfluss. Daher sollte nicht bei Nässe geerntet werden und die Knollen sind im Lager schnell herunterzukühlen sowie trocken kühl, möglichst ohne Temperaturschwankungen zu lagern; Gleiches gilt für den Transport.
Auflagen bei Ringfäule und Schleimkrankheit
Als Quarantänebakteriosen der Kartoffel gelten die Bakterielle Ringfäule, welche durch Clavibacter michiganensis subsp. sepedonicus (CMS) und die Schleimkrankheit der Kartoffel, welche durch Ralstonia solanacearum (RS) verursacht werden. Denn diese Bakterienarten stellen weltweit eine ernstzunehmende Gefahr für den Kartoffelanbau dar. Ihre Bekämpfung erfolgt nach den Richtlinien 93/85/EWG (Cms) und 98/57/EG (Rs). Zum Schutz der Kartoffelproduktion müssen amtlichen Überwachungs- und Bekämpfungsmaßnahmen eingehalten werden, die das Auftreten der Krankheiten vorbeugend verhüten, Befallsherde beseitigen und eine Ausbreitung strikt verhindern.Bei Befall sind daher umfangreiche Auflagen einzuhalten. Für den betroffenen Betrieb kann diese mit hohen finanziellen Einbußen verbunden sein. Diese entstehen beispielsweise durch Anbauregulierungen, Hygienemaßnahmen und Verbringungsanordnungen für das Erntegut. Eine der vorbeugenden amtlichen Maßnahmen ist die Kontrolle von Import- und Exportware oder die Untersuchung bei der Anerkennung von zertifiziertem Pflanzgut. In der EU kommen die Erreger beispielsweise in den Nachbarländern Belgien, Niederlande, Frankreich und Polen vor, in Deutschland sind ebenfalls Einzelnachweise bekannt.

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Neuer bakterieller Erreger breitet sich in Europa aus
Ein weiteres Bakterium ist auf dem Vormarsch, gemeint ist das zur Gruppe der Proteobakterien gehörende Candidatus Liberibacter solanacearum. Der Erreger wurde in Europa in Skandinavien, Spanien und in Deutschland bis 2016 bereits an Sellerie und Möhren nachgewiesen. Candidatus Liberibacter solanacearum befällt aber auch Nachtschattengewächse wie Kartoffeln und Tomaten. Im Dezember 2016 wurde in Spanien erstmals für Europa ein Befall an Kartoffeln nachgewiesen. In Deutschland waren bisher keine Kartoffeln betroffen. Candidatus Liberibacter solanacearum ist bei der Übertragung auf Vektoren angewiesen. Dabei kommen verschiedene Blattsauger und Blattflöhe (Psyliden ) in Frage. Für unsere Anbauregion ist bisher noch nicht abschließend geklärt, welche der vorkommenden heimischen Insektenarten als Vektoren dienen können. Befall mit dem Erreger haben erhebliche Ernteausfälle zur Folge. Pflanzen zeigen Chlorosen und Blattrollen. In Knollen findet man Verbräunungen und unregelmäßige Verfärbungen. Meist sind vom Leitbündelring ausgehend bräunliche Masserungen und unregelmäßige Verfärbungen zu erkennen. Das bekannteste Symptom ist eine Braunfärbung, die beim Backen oder Frittieren auftritt und als „Zebra-Chip-Krankheit“ bezeichnet wird. Eine Bekämpfung und Eradikation ist äußerst schwierig, da nicht nur die Erreger an sich bekämpft werden müssen, sondern auch deren Vektoren. Die Risikobewertung des Julius-Kühn-Instituts geht davon aus, dass ohne umgehende strikte Bekämpfung bei einem Auftreten des Erregers ganze Anbauregionen für den Kartoffelbau unnutzbar werden können.
Neuer Erreger ist teils Virus und teils Bakterium
Ähnlich wie bei Candidatus Liberibacter solanacearum ist auch bei der Stolbur-Krankheit der Kartoffel (Potato-Stolbur-Phytoplasma) ein Vektor für die Ausbreitung und Übertragung notwendig. Bei dem Erreger handelt es sich um ein Phytoplasma und nicht um ein Bakterium. Phytoplasmen sind taxonomisch zwischen Viren und Bakterien anzusiedeln. Als Überträger fungieren Zikaden, insbesondere die Glasflügelzikade (Hyalesthes obsoletus). Die Zikaden bevorzugen wärmebegünstigte Regionen. Des Öfteren sind sie daher in Weinanbaugebieten zu finden. Die Stolbur-Krankheit der Kartoffel wird vom gleichen Erreger verursacht wie die Schwarzholzkrankheit der Rebe. Für seinen Entwicklungszyklus nutzt das Stolbur-Pytoplasma einen weiteren Wirt. Dafür kommt zu einem die Winde (Stolbur-Windentyp) und zum anderen die BrennÂnessel (Stolbur-Brennnesseltyp) in Frage. Diese Pflanzen dienen auch zur Überwinterung. Die Zikadenlarven fressen an den Wurzeln der befallenen Brennnesseln und Winden und beladen sich so mit dem Erreger. Als adulte Tiere können sie durch ihre Saugaktivität den Erreger an viele weitere Pflanzenarten übertragen. Stolbur Phytoplasma gehört auch zu den Quarantäne-Schaderregern bei der Kartoffel. Die Auflagen bei Befallsfeststellung sind jedoch nicht so tiefgreifend wie bei den Quarantänebakteriosen und betreffen insbesondere die Verbringung des Erntegutes, die Vektorenbekämpfung und Unkrautbekämpfung im Folgejahr.

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Kartoffelkrebs ist pilzlichen Ursprungs
Als pilzlicher Quarantäneerreger ist der Kartoffelkrebs (Synchytrium endobioticum) zu nennen. Besonders in Jahren mit sehr feuchten und warmen Frühsommermonaten, wie auch 2016, findet der Erreger gute Bedingungen. Befallene Flächen bleiben 25 Jahre für den Kartoffelanbau gesperrt. Zudem wird eine Sperrzone eingerichtet, in der besondere Bedingungen für den Kartoffelanbau einzuhalten sind. Um eine Ausbreitung zu verhindern sind dabei alle Verlagerungen von Bodenpartikeln zu vermeiden (z.B. keine Vermarktung von Baumschulware). Die von Synchytrium endobioticum gebildeten Dauersporen sind sehr widerstandsfähig und überstehen sogar extreme Bedingungen wie Abkochen, Vergärung oder Pflanzenschutzmittelbehandlungen unbeschadet. Der Befall ist durch „blumenkohlartige“ Wucherungen leicht zu erkennen, die meist an den Augen der Knollen sitzen. Der Kartoffelkrebs ist nahezu weltweit zu finden. Das Auftreten in Deutschland wird in einem amtlichen Kataster dokumentiert. In Rheinland-Pfalz gibt es derzeit keine bekanntes Auftreten auf Flächen des Produktionskartoffelbaus.
Der Drahtwurm bekommt Konkurrenz
Aktuell wird im Kartoffelbau bei tierischen Schadorganismen zuerst der Drahtwurm als schwierig zu bekämpfender Vertreter genannt. Da beim Drahtwurm noch geeignete Maßnahmen fehlen, um einem massiven Auftreten entgegenzuwirken. Es steht allerdings ein weiterer Käfer in den Startlöchern und ist aus klimatischer Sicht in der Lage, zukünftig in unseren Anbaugebieten Fuß zu fassen: ein Vertreter der Familie der Flohkäfer, der amerikanische Kartoffelerdfloh (Epitrx). Epitrix kommt in mehr als 20 Arten vor. In Europa wurden bereits zwei Epitrix-Arten an Kartoffeln in Spanien und Portugal nachgewiesen. Der adulte Käfer frisst lediglich kleine Löcher in die Blätter der Kartoffelstauden oder anderer Nachtschattengewächse. Intensiver Schaden entsteht durch die Fraßgänge der Larven an und in der Kartoffelknolle. Das führt zu Ernteverlust und intensiver Qualitätsminderung, wodurch der größte zu erwartende Schaden entsteht. Der Käfer kann innerhalb einer Vegetationsperiode bis zu drei Generationen ausbilden. Das heißt die Knollen können bis zur Ernte drei Mal geschädigt werden. Somit besitzt der Kartoffelerdfloh ein sehr hohes Schadpotenzial und ist meldepflichtig. Das Julius-Kühn-Institut geht davon aus, dass in der Praxis derzeit kaum geeigneten Gegenmaßnahmen zur Bekämpfung verfügbar sind. Da sich die Larven unter der Schale in den Knollen aufhalten, ist darauf zu achten, dass zertifiziertes, untersuchtes Pflanzgut verwendet wird. Auch in Anhafterde können sich die Tiere aufhalten. Erdreste besonders aus Verarbeitungsanlagen müssen stets sachgerecht entsorgt werden und dürfen nicht auf den Kartoffelacker gelangen.
Auch Nematoden unterliegen der Meldepflicht
Neben den Insekten sind aber auch die Kartoffelzystennematoden Globodera pallida und Globodera rostochiensis nach wie vor als Quarantäneorganismen gelistet und unterliegen der Meldepflicht. Neure Beobachtungen und Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass auch die Zystennematoden in der Lage sind, sich den Gegebenheiten anzupassen und beispielsweise die Resistenzeigenschaften einiger bis dato resistenter Kartoffelsorten zu überwinden. Es wurden in den vergangenen Jahren auch in Deutschland solche resistenzbrechenden Kartoffelzystennematoden-Rassen nachgewiesen. Die Entwicklung der Zystennematoden ist temperaturabhängig. Wärmere Bedingungen lassen einen schnelleren Abschluss des Generationszyklus zu. Aktuell ist davon auszugehen, dass die bei uns vorkommende Population nach dem Abschluss eines Generationszyklus (Bildung der ausgereiften Zysten) eine Ruhepause (Diapause) benötigen, bevor eine neue Generation gebildet wird. Das heißt es wird eine Generation pro Anbaujahr gebildet. Ob die klimatischen Veränderungen hier eine Änderung bewirken, ist abzuwarten, bisher wird so etwas nur für tropisches Klima beschrieben. Die Verbreitung erfolgt insbesondere in der Erde, welche die Zysten enthält ‑ zum Beispiel über Anhafterde an Maschinen und Knollen. In jedem Fall hat ein Auftreten von Globodera-Arten eine Sperrung der Anbaufläche für bis zu sechs Jahre zur Folge. Anerkannte Befallsmindernde Maßnahmen und eine Einzelprüfung für den betroffenen Acker durch die Behörde lassen im Idealfall eine Kürzung auf bis zu zwei Jahre zu. Am Dienstleistungszentrum ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück werden derzeit verschiedene Anbausysteme geprüft, um bei Befallsauftreten aktiv entgegenwirken zu können.Die Prävention steht im Fokus
Der präventive Schutz der heimischen Kartoffelproduktion vor invasiven Schadorganismen an Speise- und Wirtschaftskartoffeln steht aus mehreren Gründen im Focus. Wirtschaftliche Gründe wie Ernteverlust und Qualitätsverlust sind für Landwirte der erste Punkt, jedoch nicht der alleinige und wichtigste. Dazu kommt, dass die Marktfähigkeit von Ware aus Befallsgebieten, also bei Export, oft eingeschränkt ist. Denn Zufuhrländer haben oft entsprechende Einfuhrbestimmungen, nach denen die Knollen beispielsweise aus „befallsfreien Flächen“ stammen müssen (Pflanzengesundheitszeugnis). Die Eradikation (Wiederherstellung der Befallsfreiheit) bei Auftreten der Schadorganismen ist oft langwierig und schwierig. Darum bleiben Flächen mit Befall für den Kartoffelanbau und oft auch für weitere Kulturen gesperrt, oder nur unter Beachtung von Auflagen nutzbar. Hinzu kommt die Gefahr der aktiven Ausbreitung durch die Erreger und deren Vektoren, oder passiv durch Maschinen, Geräte, Bodentransport und Erntegutverbringung.
Rheinland-Pfalz hat eine Anbaufläche von mehr als 8000 ha Kartoffeln, besonders Frühkartoffeln, Chipskartoffeln und andere Speise- und Wirtschaftskartoffeln. Durch die mehrheitlich klein strukturierten BetriebseinÂheiten kann es beim Auftreten der genannten Schadorganismen zu wirtschaftlichen Extrembelastungen der Einzelunternehmen kommen. Darum ist Prävention und schnelle Reaktion bei Verdacht oder nachgewiesenem Auftreten für alle Kartoffelanbauer die wichtigste Maßnahme ‑ sowohl für den Selbstschutz (Vermeidung der Befallsausbreitung auf weitere Flächen); als auch für den Schutz der Gemeinschaft.
Fazit: Ausbreitung gezielt vermeiden
Für die zukünftige Sicherung des Kartoffelanbaus sind die Feld- und die Maschinenhygiene immer wichtigere Faktoren. Insbesondere die Vermeidung der Verschleppung von Schadorganismen, beispielsweise die Übertragung von Nematoden mit Anhafterde von Schlag zu Schlag oder die Nutzung von Transportbänder und Lagereinrichtungen mit unzureichender Reinigung (Bakterienübertragung), tragen höchstes Gefahrenpotenzial und sind nicht mehr zeitgemäß. Gesundes geprüftes Pflanzgut, eine intensivere Nutzung von Prognosemodellen und gezielte Schlagkontrollen auf Pilz- und Insektenbefall lassen mehr Spielraum für Behandlungsentscheidungen, bevor es zu Massenauftreten kommt. Auf die Veränderungen von Schaderregerpopulationen durch Klimaanpassung muss in der Zukunft ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Das intensivere Auftreten einiger Erreger ist zu erwarten genau wie die Ansiedlung neuer Pathogene in den heimischen Kartoffelanbau. Landwirte können bei Fragen die Offizialberatung des Landes in Anspruch nehmen oder eigene Proben in Diagnoselabore einreichen. Bereits bei Verdacht auf Befall mit geregelten Schadorganismen besteht Meldepflicht. Diese Möglichkeit sollte jederzeit und vor allem rechtzeitig in Anspruch genommen werden, um die eigene Ertragssicherheit und Marktfähigkeit zu schützen und im „Ernstfall“ eine Ausbreitung gezielt zu vermeiden.
– LW 11/2017