Die Bestände individuell behandeln
Aktuelles zum Pflanzenschutz
Kürzlich veranstaltete der Verein für landwirtschaftliche Fort- und Weiterbildung (VLF) Frankfurt-Höchst mit dem Liederbacher Acker- und Pflanzenbautag eine anerkannte Fort- und Weiterbildung nach § 9 des Pflanzenschutzgesetzes und § 7 der Sachkundeverordnung. Die Tagung mit 55 Teilnehmern wurde vom neuen Leiter des Amtes für den ländlichen Raum, Dr. Klaus Erdle, moderiert.

Foto: VLF Frankfurt-Höchst
Pflichtthemen:
- Rechtsgrundlagen – Wesentliche rechtliche Bestimmungen und Änderungen im Pflanzenschutz
- Integrierter Pflanzenschutz – Maßnahmen und Instrumente.
- Wahlthemen:
- Schadursachen – Möglichkeiten, solche zu erkennen und zu bewerten
- Pflanzenschutzmittelkunde – Eigenschaften von PSM und ihre Wirkungsweise.
Für die Anerkennung der Veranstaltungen ist beim Pflanzenschutzdienst Nora Steckler zuständig.
Probleme im Rübenanbau: Schilf-Glasflügelzikade
Der Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer vertritt die Interessen der Zuckerrübenanbauer in Rheinland-Pfalz und Südhessen. Anna Dettweiler, die an der Universität in Hohenheim studiert hat, beschäftigt sich beim Verband unter anderem mit dem Versuchswesen sowie der Betreuung und Beratung der Mitglieder. In Zusammenarbeit mit Instituten, Organisationen und Unternehmen werden aktuelle Themen zum Integrierten Pflanzenschutz im Zuckerrübenanbau der Zukunft sowie zu einer standortangepassten Sortenwahl bearbeitet. Dettweiler berichtete, dass die von der Schilf-Glasflügelzikade übertragene Bakterienkrankheit „Syndrome des basses richesses“ (SBR) in den letzten Jahren stark an Bedeutung zunimmt und verehrende wirtschaftliche Schäden verursacht. Insbesondere durch Zuckergehaltsverluste von bis zu 5 Prozent absolut sowie die rasche Ausbreitung der Schilf-Glasflügelzikade sind dringend Bekämpfungsstrategien notwendig. Mit Hilfe von unterschiedlichen Kontrollansätzen zur Unterbrechung des Lebenszyklus, der biologischen Bekämpfung mit entomopathogenen Nematoden sowie Sortenversuche stellen sich die Experten im NIKIZ-Team (Nachhaltiges Insekten- und Krankheitsmanagement im Zuckerrübenanbau der Zukunft) dieser Herausforderung, um den Landwirten zukünftig praxisÂtaugliche Lösungen aufzuzeigen.
Neue Abstandsauflagen an Gewässern
Eberhard Cramer ist Mitarbeiter beim Pflanzenschutzdienst Hessen und überwiegend mit Planung und Auswertung von landwirtschaftlichen Versuchen im Bereich Landwirtschaft sowie mit Informationsbereitstellung und Genehmigungsverfahren beschäftigt. Die jüngsten Entwicklungen in Hessen hinsichtlich der Gewässerrandstreifen wurden in diesem Beitrag bereits berücksichtigt. Änderungen bei der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung: Cramer referierte über die Fünfte Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung vom 2. September 2021 (Veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2021 Teil I Nr. 62). Mit der Verordnung wird unter anderem das Ziel verfolgt, mittels Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes die Landwirtschaft insektenschonender zu machen und den Eintrag von Pflanzenschutzmitteln in Gewässer zu mindern. Dies führt in der Folge bei Landwirten durch die ständig zunehmenden Einschränkungen bei der Bewirtschaftung und vorgeschriebene Dokumentation der Maßnahmen zu Problemen, die von kleineren Betrieben, eventuell mit Tierhaltung auch bezüglich des Zeitaufwandes kaum noch umzusetzen sind.
Unter Umständen mehr Aufwand in FFH-Gebieten
In Naturschutzgebieten ist der Einsatz von Herbiziden und Insektiziden grundsätzlich verboten. Das gleiche gilt in Fauna-Flora-Habitat/FFH-Gebieten für Wälder, Wiesen und Weiden. Diese Einschränkung kann schon mal aufwändigere Maßnahmen, zum Beispiel bei der mechanischen Bekämpfung von Ungräsern und Unkräutern, nach sich ziehen. In begründeten Fällen können Ausnahmen beim Pflanzenschutzdienst Hessen beantragt werden. Ackerland in FFH-Gebieten ist von dieser Regelung aktuell ausgenommen. Beim Verzicht auf Glyphosat sollen bis Juni 2024 (sofern die Zulassung solange noch bestehen sollte) auf freiwilliger Basis finanzielle Unterstützungen angeboten werden. Alle anderen Pflanzenschutzmittel sind von der Einschränkung in FFH-Gebieten auf Ackerland nicht betroffen. Sie dürfen weiter verwendet werden im Rahmen der Indikation. Die Schutzgebiete sind bei natureg.hessen.de abgebildet.
Änderungen beim Glyphosateinsatz
Neu ist auch das Verbot glyphosathaltiger Mittel zur Spätbehandlung vor der Ernte. In Wasser- und Heilquellenschutzgebieten, die einen großen Flächenanteil an den Ackerflächen in Hessen ausmachen, ist die Anwendung ebenso verboten, was besonders Betriebe mit nichtwendender Bodenbearbeitung trifft und höhere Aufwendungen nach sich zieht. Das Glyphosatverbot in Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten betreffen Gebiete in der Rhön. Betroffene Gebiete stehen im Viewer unter rrl.hessen.de oder gruschu.hessen.de. Eine weitere Einschränkung der Glyphosatanwendung betrifft Flächen, die im Pflugverfahren bearbeitet werden: Nur wenn bestimmte Problemunkräuter (mehrjährig) auftreten, wie Ackerkratzdistel, Ackerwinde, Ampfer, Landwasserknöterich und Quecke, bleibt die Glyphosatanwendung nach der Ernte auf der Stoppel erlaubt. Eine Dokumentation, zum Beispiel per Foto, ist sinnvoll. Die Anwendung darf im Zeitraum nach der Ernte und bis zur neuen Aussaat maximal einmal erfolgen. Treten ausschließlich andere Unkräuter wie Ackerfuchsschwanz auf, ist die Applikation nicht erlaubt. Anders ist die Regelung für erosionsgefährdete Ackerflächen. Sind diese im Agrarantrag mit CC 1 oder CC 2 oder CC Wind gekennzeichnet, sind sie automatisch als erosionsgefährdet ausgewiesen und unabhängig vom Bestellverfahren kann Glyphosat 1 mal im genannten Zeitraum verwendet werden, natürlich nur außerhalb von Wasser- und Heilquellenschutzgebieten.
Schaderreger im Raps: Aktuelle Frühjahrsbonituren
Michael Lenz ist Mitarbeiter beim Pflanzenschutzdienst Hessen und hauptsächlich zuständig für die Schaderregerüberwachung für alle landwirtschaftlichen Kulturen im Ackerbau. Er erläuterte die vielen Vorteile der Kultur Raps in der Fruchtfolge, im Landschaftsbild, als Insektenparadies für Mücken, Fliegen, Käfer, Schmetterlinge, Ohrwürmer und andere Kleinsttiere und vor allem als Trachtpflanze für Bienen. Das hochwertige Öl ist in der menschlichen Ernährung bedeutsam und kann auch gut in der Industrie für Kraftstoffe, Farben, Tenside und anderes verwendet werden. Nach wie vor sind Pflanzenschutzmittel nach Schadschwellen einzusetzen und es sollten keine Routinemaßnahmen und vorbeugenden Behandlungen (außer Beizung) durchgeführt werden. Es besteht die Notwendigkeit, die Resistenzsituation zu beachten und einen Wirkstoffwechsel vorzunehmen. Bei den Pilzkrankheiten wurde über die Ursachen für Sklerotinia berichtet. Die Krankheit tritt besonders auf durch Sklerotien aus den Vorjahren, Bildung von Fruchtkörpern die bei genügend Bodenfeuchtigkeit Sporen ausschleudern, bei Blattnässe und Luftfeuchtigkeit (über 84 Prozent) sowie bei optimalen Temperaturen von 20°C, durch abgefallene Blütenblätter in den Blattachseln (optimaler Nährboden) und durch einen zweiten Infektionsweg über Myzel aus den Sklerotien im Boden, die direkt die Rapswurzeln infizieren.
Vor der Anwendung Imker kontaktieren
Lenz erläuterte auch die Bienenschutzverordnung und dass man sich mit den Imkern vor der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in Verbindung setzen sollte. Die Ergebnisse der umfangreichen Schaderreger-Bonituren und die integrierten Empfehlungen bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln werden regelmäßig durch einen Warndienst veröffentlicht, der beim Pflanzenschutzdienst in Wetzlar bezogen werden kann. Weitere Informationen gibt es unter https://pflanzenschutzÂdienst.rp-giessen.de über Acker- und Gartenbau, Pflanzenschutzinformationen, Sachkunde, Pflanzengesundheit und Genehmigungen. Über die Bestandsführung bei Leguminosen, Raps, Wintergetreide und Sommerungen referierten Philipp Möbs und Rainer Cloos. Es wurden integrierte Pflanzenschutzmaßnahmen vorgetragen und auf die pflanzenbauliche und betriebswirtschaftliche Bedeutung hingewiesen, die Bestände individuell zu behandeln. Es wurden die für die Düngung aktuellen Nmin-Werte vorgetragen, die auch für die Bedarfsermittlungen bei der Düngeverordnung berücksichtigt werden können (siehe Tabelle).
VLF Frankfurt-Höchst – LW 13/2022