Den Boden für Biostimulanzien bereiten

Mikroorganismen brauchen eine gute Bodenstruktur

Extreme Preissteigerungen bei Stickstoffdüngern haben im letzten Jahr die Aufmerksamkeit auf das Thema Biostimulanzien und die ersten dazu angebotenen Produkte schnell verstärkt. Dabei ist die Forschung im Pflanzenbau schon längere Zeit damit beschäftigt, Alternativen zu chemischen Pflanzenschutz- beziehungsweise Düngemitteln zu suchen. Auch Produkte, die positiv auf die Bodenstruktur wirken, werden diskutiert.

Neben lebenden Mikroorganismen werden für die Herstellung von Präparaten zur Biostimulation Algenextrakte, Aminosäuren, Humin- und Fulvosäuren sowie anorganische Substanzen eingesetzt.

Foto: landpixel

Die Gruppe der Biostimulanzien enthält verschiedene Substanzen und damit auch Produkte wie Pflanzenextrakte, Extrakte aus tierischen Produkten, Humin- und Fulvosäuren sowie Mikroorganismen. Aufgrund der Vielfalt der Substanzen und Produkte wird im Folgenden insbesondere auf die über den Boden wirkenden Mikroorganismen eingegangen. Gerade diese leben­den Präparate benötigen immer auch günstige Lebensbedingungen, damit ist eine gute Bodenstruktur die erste Voraussetzung für eine Wirkung der eingesetzten Biostimulanzien.

Stickstoff fixierende Mikroorganismen

Präparate aus den Bakterienarten Azotobacter, Methylobacterium sowie Azospirillum sind im letzten Jahr aufgrund ihrer erhofften Effekte schon relativ häufig eingesetzt worden. Diese Bakterien sind in der Lage, Luftstickstoff aufzunehmen und letztlich in Ammonium umzuwandeln. Der Wirkungsort soll je nach Präparat nur auf den Blättern durch das Eindringen in die Spaltöffnungen oder auf Blatt- und Wurzelebene zu erwarten sein.

Obwohl Azotobacter zu den freilebenden Stickstofffixierern zählt, kommen einige Arten häufiger in der Umgebung von Pflanzenwurzeln (Rhizosphäre) als im freien Boden vor. Eventuell profitiert die Pflanze durch Aufnahme der durch Stickstofffixierung gebildeten Stickstoffverbindungen, die Bakterien wiederum von der durch die Pflanze geschaffenen nährstoffreichen Umgebung.

Man findet Bakterien dieser Gattung hauptsächlich in neutralen oder leicht alkalischen Böden. Eine Impfung des Bodens mit Rhizobien beim Anbau von Sojabohnen hat sich bewährt und ist inzwischen eine Standardmaßnahme.

Auch bei der Lösung von Phosphor aus dem Bodenvorrat spielen Bakterien und Pilze eine bedeutende Rolle. Einige Arten sind bekannt und in den Laboren der Forschung gut untersucht. Dennoch steckt die Entwicklung von effizienten und anwenderfreundlichen Präparaten noch am Anfang.

Mykorrhizapilze leben an den meisten Wurzeln

Mykorrhizapilze leben als Symbionten (Symbiose=Zusam-menleben) in Verbindung mit den Wurzeln von über 80 Prozent aller Landpflanzen einschließlich fast aller landwirtschaftlichen Kulturen. Der generelle Nutzen dieser Symbiosen ist seit langem bekannt.

So werden vor allem die Aufnahme von Phosphor und Zink erhöht, aber auch Stickstoff, Kali, Magnesium, Calcium und Schwefel werden bei der Symbiose besser von den Wurzeln aufgenommen.

Darüber hinaus gibt es weitere bekannte Effekte bei der Verbesserung der Stresstoleranz zum Beispiel bei Trockenheit. Neueste Untersuchungen der TU München zeigen, dass ein neutraler bis leicht alkalischer pH-Wert den Mykorrhizen im Getreide nicht schädlich ist. Versuche in Mais, Soja und Kartoffeln zeigen positive Einflüsse auf den Ertrag. Die Entwicklung eines Verfahrens zum Einsatz von Mykorrhizen für die Praxis ist aktuell in Arbeit.

Weitere Biostimulanzien

Neben lebenden Mikroorganismen werden für die Herstellung von Präparaten zur Biostimulation Algenextrakte, Aminosäuren, Humin- und Fulvosäuren sowie anorganische und bioidentische Substanzen eingesetzt. Die Wirkung dieser Produkte, wie auch die aus Mikroorganismen hergestellten, muss nach EU-Düngeprodukte-Verordnung 2019/1009 nachweisbar sein. Dazu gibt es je nach Anwendungsbereich definierte Mindestanforderungen zur Anzahl von Gefäß – beziehungsweise Praxisversuchen.

Bodenstruktur und Bodenbiologie

Der weitaus größte Anteil der Organismen im Ackerboden braucht wie beinahe jedes Lebewesen Luft, Wasser, Futter und eine lebensfreundliche Umgebung. Mikroorganismen, die als Biostimulanzien über den Boden wirken sollen, verhalten sich da nicht anders. Es ist daher folgerichtig, eine möglichst günstige Bodenstruktur zu schaffen. Verdichtete, staunasse oder auch stark ausgetrocknete Böden sind ebenso lebensfeindlich wie versauerte Böden.

Der Lebensraum für Mikroorganismen ist das Hohlraumsystem des Bodens mit seinen unterschiedlich großen Bodenporen. Für die Stabilisierung dieser Hohlräume ist eine optimale Versorgung mit Calcium- und Magnesium-Ionen als Folge einer an den Standort angepassten Kalkdüngung von besonderer Bedeutung.

Calcium und Magnesium sorgen als Kittsubstanzen für die Bildung stabiler Bodenkrümel, indem sie Tonminerale verbinden und Ton-Humus-Komplexe bilden können. Aus diesen Krümeln erfolgt eine biologische Aggregatbildung, die sogenannte Lebendverbauung mit Hilfe von Organismenkolonien und deren Ausscheidungen für eine beständige Krümelstruktur.

Biologische Aktivität des Bodens

Der Anteil der Bodenlebewesen an den organischen Bestandteilen im Boden liegt bei lediglich 5 Prozent. Zur Bodenfauna mit einem Gewichtsanteil von zirka 5 000 Kilogramm je Hektar sind neben den Kleinstlebewesen (Einzeller und Wimpertierchen) auch im Boden lebende Insekten, Nematoden, Milben, Springschwänze und vor allem Regenwürmer zu zählen.

Mengen- und zahlenmäßig wesentlich bedeutender sind jedoch die Bakterien und Pilze mit zirka 20 000 Kilogramm je Hektar, so dass sich insgesamt die Bodenlebewesen in einem fruchtbaren Boden auf eine Gesamtmenge von zirka 50 Großvieheinheiten je Hektar aufsummieren.

Die mikrobielle Biomasse sorgt für die Nitrifikation

Eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen zeigt einen deutlich positiven Zusammenhang zwischen dem pH-Wert des Bodens und der Bakterienmenge. Gegenüber einem Boden mit pH-Wert 5 steigt die mikrobielle Biomasse bei pH-Wert 7 um etwa 200 Prozent an. Dadurch versechsfacht sich die Nitrifikationsleistung und deutlich mehr Nährstoffe aus dem Boden stehen der Pflanze zur Verfügung.

Die Einstellung beziehungsweise Erhaltung eines an den Standort angepassten pH-Wertes im Boden schafft somit optimale Bedingungen für eine bessere Nährstoffmineralisation, einen rascheren Abbau von Ernterückständen und verbesserten Humusaufbau. Für den Einsatz von Biostimulanzien ist deshalb auch auf das pH-Wert Optimum der einzusetzenden Mikroorganismen zu achten

Möglichkeiten und Grenzen

Forschung und Industrie haben das Potenzial von Biostimulanzien in den letzten Jahren - auch getrieben durch politischen Druck (Skepsis gegenüber der „industriellen Landwirtschaft“ in der Bevölkerung), wirtschaftliche Ereignisse (extreme Stickstoffverteuerung 2022) und durch wiederkehrende Trockenheit aufgezeigt.

Die verfügbaren Versuchsergebnis-se in Freiland und Gewächshaus

bremsen die Euphorie oft stark ein, zeigen aber auch die Komplexität der Wechselwirkungen zwischen Kulturpflanze, Umwelteinwirkung, Boden-leben und Biostimulans. Auch die

mögliche Konkurrenz zwischen autochthonen (=einheimischen) Mikroorganismen und den eingesetzten Biostimulanzien ist unter Feldbedingungen noch weitgehend unbekannt. Dem Landwirt muss darüber hinaus bewusst sein, dass Biostimulanzien kein Er-

satz für den Einsatz von Düngemitteln sein können.

Um eine optimale Wirkung der eingesetzten Präparate mit lebenden Organismen zu ermöglichen, ist es unabdingbar, sich mit den Ansprüchen in Hinblick auf Temperatur, Feuchtigkeit, Angebot von Sauerstoff und pH-Wert vertraut zu machen. Für die optimalen Bedingungen im Boden sorgt dabei eine gute Bodenstruktur, wie sie durch eine Kalkdüngung kombiniert mit humuserhaltenden Maßnahmen gewährleistet wird. Es ist daher nicht abwegig, die Kalkdüngung wegen ihrer erprobten nachgewiesenen Wirkung auf das Bodenleben und die Wurzelausbildung der Pflanze als effiziente biostimulierende Maßnahme zu bezeichnen.

Der wirtschaftliche Einsatz von Biostimulanzien wird auch in Zukunft stark von den Marktpreisen der einzelnen Kulturen abhängig sein. Trotz dieser Einschränkungen werden Biostimulanzien in Zukunft ein Baustein im Pflanzenbau werden, zumal von Forschung und Entwicklung noch deutliche Fortschritte zu erwarten sind. Auch wenn noch wenige Ergebnisse veröffentlicht sind, kann es interessant sein, auf dem eigenen Betrieb das eine oder andere Produkt zu testen.

Alexander Voit, DüKa Düngekalkgesellschaft mbH, Landesarbeitskreis Düngung Südwest – LW 27/2023