Der Boden braucht keine Bearbeitung
Hofgespräch zur Bodenqualität in der Wetterau
Bei einem „Hofgespräch“ auf dem Hofgut Mehl in Frankfurt-Nieder-Erlenbach stand letzte Woche das Thema Bodengesundheit im Mittelpunkt. Der Industrieverband Agrar e. V. (IVA) und der Hessische Bauernverband e. V. (HBV) hatten gemeinsam eingeladen, um über die herausragende Bedeutung des Bodens als Grundlage landwirtschaftlicher Produktion zu diskutieren.

Foto: Becker
Er betonte, dass die Zeiträume, um bodenkundliche Aussagen treffen zu können, extrem lang sind. Gerade Einschätzungen zum Thema Humus seien seiner Meinung nach oft eher Esoterik als wissenschaftlich belegbare Tatsachen. Und er stellte fest: „Der Boden braucht für eine gesunde Struktur keine Bearbeitung. Diese wird aber oft notwendig, um mechanisch Unkräuter in Schach zu halten oder ein günstiges Saatbett für Kulturpflanzen zu schaffen.“ Er arbeite am Betrieb seit vielen Jahren mit einer sehr geringen Bodenbearbeitungsintensität, was der Befahrbarkeit und Erosionsstabilität sehr guttue. Gleichzeitig bekannte sich Dr. Mehr zur Verwendung von Glyphosat, das bei reduzierten Bodenbearbeitungsverfahren von enormer Bedeutung sei.
Verantwortungsvoller Umgang mit den Böden
In seinem Grußwort unterstrich HBV-Präsident Karsten Schmal die zentrale Rolle des Bodens als Fundament unserer Gesellschaft und der Landwirtschaft: „Der Boden ist eine endliche Ressource und somit die Grundlage unseres Lebens. Hier wachsen Nahrungsmittel, Futter für unsere Tiere und nachwachsende Rohstoffe. Wir müssen ihn verantwortungsbewusst und nachhaltig nutzen, um diese Lebensgrundlage langfristig zu sichern.“
Schmal führte aus, dass es der Landwirtschaft trotz zunehmendem Flächenverbrauch gelungen sei, höhere Erträge zu erzielen, ohne die Umwelt zusätzlich zu belasten. Dieser Erfolg basiere auf einer verantwortungsbewussten Bodennutzung. „Um bei schwindenden Flächen die Weltbevölkerung auch in Zukunft ernähren zu können, müssen wir die Erzeugung weiterhin deutlich steigern“, so Schmal und gab zu bedenken, dass Deutschland trotz Klimawandel ein Gunststandort für die Getreideproduktion ist.
Vegane Ernährung ist kein Allheilmittel
Frank Gemmer, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes Agrar, stellte fest: „Aus landwirtschaftlicher Sicht gilt ein Boden als gesund, wenn er den Pflanzenbestand langfristig in Abhängigkeit vom standortspezifischen Potenzial und unter Berücksichtigung weiterer Ökosystemleistungen optimal mit Nährstoffen und Wasser versorgen kann. Somit entspricht die Bodengesundheit einer standortabhängig hohen Bodenfruchtbarkeit.“
Gemmer zeigte sich außerdem überzeugt, dass eine rein vegane Ernährung der Weltbevölkerung nicht weniger, sondern mehr Ackerflächen beanspruchen würde, weil einerseits das weltweit umfangreiche Grünland zur Nahrungsmittelproduktion ausfallen und andererseits viele Koppelprodukte aus der Tierhaltung ebenfalls nicht mehr zur Verfügung stehen würden.
Um den CO2-Fußabdruck der Landwirtschaft weiter zu senken, arbeite die Industrie intensiv daran, die Düngerproduktion klimafreundlicher aufzustellen.
Photovoltaik-Anlagen gehören aufs Dach
Der hessische Landwirtschaftsminister Ingmar Jung betonte: „Unsere Landwirte sind nicht nur Produzenten von Nahrungsmitteln, sondern auch die Hüter und Schützer unserer Böden. Es ist unerlässlich, dass wir sie als Gesellschaft und Politik in ihrem Bemühen unterstützen und die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, um eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung zu ermöglichen.“
Auch er sieht die Gefahr weiterer Verluste an landwirtschaftlichen Flächen und forderte daher beispielsweise, Photovoltaikanlagen vornehmlich auf Dächern, an Autobahnen oder Bahnstrecken zu installieren. Und er gab zu bedenken, dass die meisten Landwirte von Freiflächen-Photovoltaik nicht profitierten, da sie oft nicht die Eigentümer, sondern Pächter der Flächen seien.
Die Landwirtschaft muss noch effizienter werden
Den fachlichen Teil eröffnete Dr. Thorsten Scheile vom Industrieverband Agrar. In seinem Vortrag hob er hervor, dass es von oberster Priorität sei, die Versorgung mit Nahrungs- und Futtermitteln sowie weiteren Rohstoffen über eine nachhaltige Bodennutzung sicherzustellen. Seine Kernbotschaft: „Auf einem gesunden Boden werden hohe Erträge erzeugt, dafür muss er optimal mit Nährstoffen versorgt und Erträge müssen durch Pflanzenschutz abgesichert werden.“ Dass die Böden gesund seien, zeige der kontinuierliche Ertragsanstieg pro Hektar von 1950 bis heute.
Da Böden auch wichtig für Biodiversität und Klimaschutz sind, müssten Lösungen für die daraus entstehenden Konflikte gefunden werden. Diese bestünden vor allem in der weiteren Effizienzsteigerung der landwirtschaftlichen Produktion. „Die Industrie kann das“, zeigte er sich überzeugt.
Humusaufbau ist langwierig und nur begrenzt möglich
Dr. Elke Bloem vom Julius Kühn-Institut (JKI), Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde, stellte mit einem Vortrag zum Thema „Düngung – Nahrung für die Bodenfauna und Baustein der Bodenfruchtbarkeit“ die Bedeutung der Nährstoffversorgung heraus. Bloem: „Organische Dünger in Kombination mit Mineraldüngern haben das Potenzial, das Bodenleben zu fördern und die Bodenfruchtbarkeit signifikant zu erhöhen.“ Eine alleinige Versorgung der Böden mit organischen Düngern sei allerdings wegen der unterschiedlichen N und P-Frachten nicht möglich. Es müsse immer eine mineralische Ergänzung gegeben sein.
Die Wissenschaftlerin stellte Untersuchungen mit verschiedenen organischen Düngern vor, die unter anderem gezeigt haben, dass ein Anstieg des Kohlenstoffs im Boden beziehungsweise eine Anhebung des Humusgehaltes nur über lange Zeiträume und in begrenztem Umfang möglich ist.
Das hessische Forum Landwirtschaft & Boden
Stephan Brand vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) stellte das „Hessische Forum Landwirtschaft & Boden“ vor, das daran arbeitet, gemeinsam praxisnahe und wirksame Lösungen für eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung zu entwickeln.
Eine Arbeitsgruppe beschäftige sich beispielsweise mit der Erosionsminderung. „Hier sind die Grobporen, die Regenwürmer anlegen, von entscheidender Bedeutung“, so Brand. Daher müsse man immer daran denken, diese entsprechend zu fördern, etwa durch die Bereitstellung von Futter in Form von Pflanzenresten, durch regelmäßige Kalkungen, oder durch eine geringe Eingriffsintensität in den Boden.
Brand mahnte die zahlreich anwesenden Politiker, keine Vorgaben zu erlassen, die den Ansprüchen einer bodenschonenden Bewirtschaftung entgegenstehen. Leider sei dies durch zu enge Vorgaben beispielsweise zu Bearbeitungsterminen oder zu Zwischenfrüchten oft der Fall.
Den Abschluss der Veranstaltung bildete die Besichtigung eines Bodenprofils und die Bodenansprache durch Dr. MatÂthias Mehl, dem Betriebsleiter des Hofguts Mehl. Er erklärte: „Durch die langjährig in einer Hand liegende Bewirtschaftung sind unsere Böden von hoher Fruchtbarkeit, die getragen wird von einer angepassten Grunddüngung, dem Anbau von Zwischenfrüchten und einer reduzierten BodenbearÂbeitung.“
KB – LW 37/2024