Höchste Standards müssen akzeptable Preise ermöglichen
Zwischenbilanz des HBV zur Ernte 2017
Die Landwirte in Hessen müssen wegen des wechselhaften Wetters diesen Sommer Einbußen bei der Ernte hinnehmen. Das sagte der Präsident des Hessischen Bauernverbandes (HBV), Karsten Schmal, am Donnerstag der vergangenen Woche in Bebra-Breitenbach im Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Auf dem Betrieb der Familie Ritter stellte Schmal die Zwischenbilanz des HBV zur Ernte 2017 vor. Sturm, Starkregen und Hagel haben zu Ernteausfällen und Qualitätseinbußen beim Getreide geführt. Auch Obst- und Gemüsebauern fehlt ein großer Teil ihrer Ernte. Weitere Themen wurden angesprochen.

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„Die Regenmenge, die wir sonst im halben Monat August haben, bekommen wir jetzt in einer Nacht“, so Schmal. Bei regionalen Unterschieden aufgrund der Bodenstruktur und Verteilung der Regenmengen liegen die Erträge der Wintergerstenernte in Hessen in den Betrieben zwischen 60 und 80 dt je ha, teilte Schmal mit.
Dauerregen verschlechtert Qualität von Backweizen
Mit einer Fläche von 164 000 ha und einem Anteil von 56 Prozent an der Getreidefläche ist der Weizen weiterhin die Hauptkultur in Hessen. Hier schwanken nach der vorläufigen Bilanz des HBV die Erträge in den Betrieben in einer Spanne zwischen 70 und 85 dt/ha. Vor allem verschlechtert sich wegen der vielen Niederschläge der Proteingehalt beim Backweizen. Zudem sind die durchnässten Böden schwer befahrbar. „Wir Landwirte haben unsere Werkstatt in der Natur. Der Regen kommt nun zur Unzeit“, konstatiert der HBV-Präsident. Gegen die Kapriolen extremer Wetterlagen mit Trockenheit im Frühjahr und Starkregen und Hagel im Sommer seien die Betriebe aber machtlos.800 Betriebe durch Hagel und Starkregen geschädigt
Besonders intensiv sind die Unwetterfolgen an den Mähdruschfrüchten in den vergangenen vier Wochen gewesen. Nach Informationen der Vereinigten Hagelversicherung haben in Hessen circa 800 Betriebe im Erntejahr 2017 Schäden durch Hagel und Starkregen in ihren Ackerkulturen auf einer Fläche von insgesamt circa 22 000 ha gemeldet. Seit dem Sturmtief „Paul“, Ende Juni, haben Landwirte bis Ende Juli zum Teil wiederholt Hagelschaden anmelden müssen, teilt die Vereinigte Hagel VVaG aus Gießen weiterhin mit.
Auch die Silageernte kann wetterbedingt zur Herausforderung werden, wie HBV-Präsident Schmal weiter berichtete. So hatten die Milchvieh- und Futterbaubetriebe in Hessen durchweg einen guten ersten Schnitt im Mai. Wer aber auch hier arbeitstechnisch das kleine Zeitfenster nicht optimal nutzen konnte, stand vor der SchwieÂrigkeit, hochwertiges Gras zu silieren. Der zweite Schnitt hätte infolge des trockenen Frühjahrs besser sein können. Futterbaubetriebe hofften jetzt durch den Regen auf einen guten Spätsommer- sowie Herbstaufwuchs. Die Silomaisbestände stünden im Allgemeinen gut dar. Gute Erträge erwartet er auch bei Zuckerrüben und Kartoffeln. Hingegen die Obst- und Gemüseanbauer in Hessen dieses Jahr besonders von den Wetterextremen betroffen seien. Hier fehlten schlichtweg die Erntemengen. Der Spätfrost während der Blüte im April habe zu Ernteausfällen bei Erdbeeren und Kirschen geführt. Und nun zeigt sich der Verlust auch bei der ApfelÂernte. Der HBV-Präsident berichtete exemplarisch von einem Obstbetrieb in Südhessen, der dieses Jahr in seiner Plantage nur zwei, statt normalerweise 180 Kisten Frühäpfel pflücken konnte.
Betriebe müssen Investitionen nachholen

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In vielen Betrieben sind wichtige Investitionen aufgeschoben worden, die nachgeholt werden müssten, um ihre Betriebe zukunftsfähig halten zu können. „Wenn Bauern Geld haben, fliegen sie nicht gleich nach Mallorca, sondern sie stecken es im Betrieb“, lautet sein Fazit.
Schmal dankte den Betriebsleitern, Katrin und Markus Ritter, für die Bereitstellung ihres Mischelshofs zwecks dieser Veranstaltung des HBV, um über die aktuelle Lage der LandÂÂwirtÂschaft zur Ernte zu informieren und sagte „Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Familie bereit ist, mitten in der Ernte ihren Betrieb zur Verfügung zu stellen.“
Im Zuge des Erntepressegespräches waren dem HBV-Präsidenten zwei Anliegen der Landwirte besonders wichtig, diese stärker in die gesellschaftliche Wahrnehmung und politische Diskussion zu rücken.
Erzeugerpreise sollten zu den Anforderungen passen
Zum einen werden seiner Ansicht nach hierzulande die höchsten Anforderungen an die Erzeugung von Produkten aus der Landwirtschaft gestellt. Die Betriebe hätten strenge Vorgaben, angefangen von der Düngeverordnung, über das Pflanzenschutzgesetz bis hin zum Tierwohl zu beachten. Die Erzeugerpreise müssten das widerspiegeln können. Schmal meinte „höchster Tierwohlstandard muss zu entsprechenden Preisen möglich sein.“
In diesem Zusammenhang ging er auf die Nitratdiskussion ein und sagte „Den Vorwurf, die Landwirtchaft belastet das Wasser, halte ich nicht für gerechtfertig. Die Zahl der Messstellen mit einem sinkenden NitratÂgeÂhalt im Grundwasser ist gestiegen. Es wird nirgendwo auf der Welt so genau gemessen, wie in der EU, speziell in Deutschland.“ Mit 0,6 Großvieheinheiten pro ha sei der ViehÂbesatz in Hessen sehr niedrig.
Um all das bewerkstelligen zu können, was die Gesellschaft von der Landwirtschaft verlange, brauchten die Betriebe Planungssicherheit. Am Beispiel des soÂÂgenannten KastenstandurÂteils für Sauen werde aber deutlich, mit welchen politischen Unwegsamkeiten Landwirte zu tun haben, die dazu führen könnten, dass Betriebe die Vorgaben nicht mehr erfüllen können und vor dem wirtschaftlichen Aus stehen. Schmal zeigte auf, dass in Hessen nur noch etwa 40 000 Sauen gehalten werden. In Ostdeutschland gebe es hinÂgeÂgen einen Großbetrieb mit allein über 50 000 Zuchtsauen. Das könne nicht im Sinne der Politik sein, kritisierte der HBV-Präsident heftig.
Moderne Landwirtschaft muss erklärt werden

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Mittelgebirgslagen durch Bewirtschaftung erhalten
Friedhelm Diegel, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Hersfeld-Rotenburg, beschrieb die Landwirtschaft in der Region. Mit circa 16 000 ha Dauergrünland an der knapp 39 000 ha großen landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) des Kreisgebietes sind Milcherzeugung und Rinderhaltung wichtig für die Erhaltung der Kulturlandschaft dieser Region. Sie sind aber rückläufig und Diegel gab zu bedenken: „Wir werden es in den nächsten Jahren merken, wie schwer es ist, unsere Mittelgebirgslagen durch die Bewirtschaftung zu erhalten.“
Betriebe brauchen einen verlässlichen Politikrahmen
Kreislandwirt Horst Taube unÂterstrich die Kritik des HBV-Präsidenten in Bezug auf die Gefährdung der Perspektiven der Sauenhalter in Hessen und Deutschland anhand eines Praxisfalls im eigenen Betrieb und sagte „Mein Lieblingskind, die Sauenhaltung, endet bei uns, obwohl wir vor 20 Jahren einen neuen Stall gebaut haben und nun mit der Hofübergabe der Zweig erweitert werden sollte. Mein Sohn, der den Betrieb fortführt, sieht in diesem erfolgreichen Zweig künftig nicht marktbedingte, sondern politisch bedingte Unsicherheiten, die ihn veranlassen, nicht mehr in die Zuchtauenhaltung zu investieren und sie zu beenden.“
Die gastgebende Familie Ritter hält ebenfalls Zuchtsauen, 240 Sauen an zwei Standorten. Das Betriebsleiterehepaar und Eltern von fünf Kindern im Alter zwischen neun und 18 Jahren bewirtschaftet den an der Fulda gelegenen 220 ha großen Betrieb mit einem angestellten Junglandwirt und einem Auszubildenden. Diplomagraringenieur Markus Ritter (45) stellte den Betrieb vor und ergänzte „Wir Landwirte sind bereit, uns entsprechend den Anforderungen der Gesellschaft weiterzuentwickeln, im Gegenzug brauchen wir AkzepÂtanz für unsere Arbeit.“
Moe – LW 32/2017