„Der Boden ist warm, der Spargel wächst“
Saisoneröffnung in Weiterstadt
Ein milder und sonniger März sowie ausreichend Regen im vergangenen Jahr sorgten dafür, dass der erste Spargel der Saison 2022 früh gestochen werden konnte. Auf einem Spargelfeld der Familie Mager in Gräfenhausen-Schneppenhausen wurde am Mittwoch vergangener Woche die Saison feierlich eröffnet. Die Marketinggesellschaft „Gutes aus Hessen“ hatte dazu eingeladen. Es trafen sich unter anderem die hessische Landwirtschaftsministerin Priska Hinz sowie die frisch gekrönte hessische Spargelkönigin Ellen I., um vor zahlreichen Gästen und Pressevertretern die ersten Stangen zu stechen.

Foto: Büsse
Betriebsleiter Marcus Mager freute sich über die zahlreich erschienenen Gäste. Der Gartenbauingenieur führt den traditionellen Familienbetrieb gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder. „Spargel wurde auf unserem Betrieb schon immer angebaut. Das erste Mal vergrößert haben wir uns 1990, als es möglich wurde, Arbeitskräfte aus Osteuropa zu bekommen“, sagte Mager. Nochmals erweitert wurde der Anbau 2007, als sein Bruder und er mit Ausbildung und Studium fertig waren.
Auf rund 100 Hektar steht aktuell Spargel. In der Erntezeit beschäftigen die Magers 220 bis 230 Saisonarbeitskräfte, der restliche Arbeitsanfall über das ganze Jahr wird von den Betriebsleiterfamilien sowie 15 festangestellten Arbeitskräften abgedeckt. Vermarktet wird der Spargel fast ausschließlich direkt über Verkaufsstände, ein kleiner Teil auch an regionale Gastronomen. Das Absatzgebiet ist hauptsächlich der Großraum Frankfurt, es erstreckt sich aber bis in die Wetterau im Norden sowie bis nach Rüdesheim im Westen. Neben Spargel bauen die Magers auf etwa 35 Hektar Erdbeeren an, circa 40 Prozent davon im geschützten Anbau.
„Worauf verzichtet der Kunde als erstes?“
Die aktuell stetig steigenden Produktionskosten sieht auch Mager als große Herausforderung. „Bei all den aktuellen Preiserhöhungen überall stellt sich die Frage, worauf der Kunde als erstes verzichtet“, sagte er. Man werde abwarten müssen, inwieweit die Verbraucher bereit seien, Preiserhöhungen beim Spargel mitzugehen. Mager vermutet, dass der Handel die notwendigen Preissteigerungen wohl nicht in vollem Umfang mittragen werde. In der Direktvermarktung könne man das unter Umständen noch etwas besser kompensieren, es bleibe aber eine große Herausforderung, ganz besonders angesichts der Mindestlohnerhöhungen. „Die Löhne machen nun mal über die Hälfte der Produktionskosten aus.“
Ein früher Saisonauftakt
Rolf Meinhardt ist Vorsitzender des Arbeitskreises Spargel Südhessen. Nach seinen Worten war es in diesem Jahr ein früher Saisonauftakt, dank 235 Sonnenstunden im März und ausreichend Regen im zurückliegenden Jahr. „Der Boden ist warm, der Spargel wächst. Das lässt auf eine gute Ernte hoffen“, sagte der Landwirt. Er betonte die Notwendigkeit, Folien im Spargelanbau einzusetzen, um die erforderlichen Bodentemperaturen für eine ertragreiche Ernte von guter Qualität zu sichern. „Mein Vater hat immer die alte Bauernweisheit zitiert: „Bis Johanni nicht vergessen, sieben Wochen Spargel essen.“ Mittlerweile sind es 12 Wochen“, sagte er, und das verdanke man dem geschützten Anbau. So bleibe man wettbewerbsfähig und könne den Markt frühzeitig bedienen.
Einsatz von Kunststoffen in der Diskussion
Dass der Einsatz der Kunststoffe nicht unumstritten ist, dessen sind sich die hessischen Landwirte bewusst. Aus diesem Grund setzen die südhessischen Spargelanbauer die Folien mehrfach ein und übernehmen mit einem Rücknahme- und Recyclingkonzept Verantwortung für einen möglichst umweltverträglichen Einsatz. Meinhardt erläuterte, dass der Arbeitskreis für das Folienrecycling einen exklusiven Vertrag mit der Firma RIGK Wiesbaden habe, die mit der Initiative „Erntekunststoffe Recycling Deutschland“ zusammenarbeite. „Im vergangenen Jahr konnten wir durch das Recyceln von 400 Tonnen Alt-Folie rund 273 300 Kilogramm Treibhausgase einsparen. Das entspricht etwa der Menge, die knapp 20 000 Bäume pro Jahr binden“, sagte Meinhardt.
Erntehelfer kommen gerne nach Deutschland
Wie Meinhardt weiter ausführte, sei die Einreise der Erntehelfer durch die Lockerungen der Corona-Beschränkungen deutlich vereinfacht. Der erhöhte Mindestlohn von 9,82 Euro je Stunde sorge dafür, dass die Arbeiter gerne nach Deutschland kommen. Auch angesichts des Krieges in der Ukraine und seiner Folgen hätten viele Erntehelfer Existenzangst und seien auf diese Einnahmen angewiesen. Der erhöhte Mindestlohn sei allerdings auch ein Kostentreiber, dazu kommen die explodierenden Kosten für Betriebsmittel, wie beispielsweise Dünger. Nach Meinhardts Worten werden die südhessischen Spargelanbauer die Mehrkosten jedoch vermutlich nicht in vollem Umfang an die Verbraucher weitergeben. Klar sei aber, dass ein gewisser Preis erforderlich sei, aktuell liege die Spanne zwischen 8,50 und 17,50 Euro je Kilogramm.
Gastronomie kommt wieder dazu
Auch Ministerin Hinz unterstrich die Bedeutung einer regionalen Wertschöpfung. Der Spargelanbau erfordere viel Handarbeit und deswegen habe frischer Spargel auch seinen Preis. Ihrzufolge setzen viele Verbraucher mittlerweile immer mehr auf regionale Produkte, ebenso der Lebensmitteleinzelhandel. Hier biete das Siegel „Geprüfte Qualität - Hessen“ den Verbrauchern eine Orientierung. Es garantiere qualitativ hochwertige, unabhängig kontrollierte Produkte hessischer Herkunft. Zur Direktvermarktung über Verkaufsstände komme nun endlich auch wieder die regionale Gastronomie als Absatzweg dazu.
Hinz warb gemeinsam mit der von ihr gekrönten hessischen Spargelkönigin Ellen I., die mit bürgerlichem Namen Ellen-Marlene Lüsse heißt, dafür, die Spargelsaison bis zum 24. Juni voll auszukosten. Die 31-jährige Personalberaterin aus Griesheim freut sich darauf, dass vielseitige Gemüse in ihrer „Amtszeit“ als Spargelkönigin in diesem Jahr zu repräsentieren.
kbü – LW 15/2022