Von Cuvéetierung und Emanzipation

Vinissima-Netzwerktag: kreativ. vielfältig. digital

Wo stehen Frauen – auch während Corona – in der Gesellschaft und was ist die Kunst der Cuvéetierung? Was klingt wie ein Themenspagat, ergänzte sich am Vinissima-Netzwerktag Anfang Februar 2021 perfekt. Live aus einem Studio in Bingen wurde auch der Einfluss von Corona auf die Weinwirtschaft besprochen. Das Programm der jährlichen Veranstaltung war gewohnt facettenreich und inspirierend – aber den Umständen folgend zum ersten Mal digital.

Der Vinissima-Vorstand (v.l.): Corinna Saueburger, Petra Tröndle, Tanja Rosenthal, Jennifer Henne-Bartz, Julia Weckbecker, Simone Böhm und Stefanie Herbst. Es fehlt Birgit Oesterle.

Foto: Vin

„Vinissima: kreativ. vielfältig. digital?!“ – das waren die Schlagworte des diesjährigen Netzwerkwochenendes von „Vinissima Frauen & Wein.“ Das Wochenende gehört zu den Höhepunkten im Jahr des Vereins. Zunächst hatte das Organisations-Team gehofft, dass die Veranstaltung in Präsenz stattfinden kann. „Aber im August war uns klar, dass wir einen starken Plan B brauchen“, sagte Vorstandsvorsitzende Jennifer Henne-Bartz. Das bewahrheitete sich – aufgrund der Corona-Pandemie konnte das Netzwerktreffen nur digital stattfinden. Trotzdem gab es Rekordanmeldungen von über 250 Vinissima. Denen hat sich am Samstag, 6. Februar, ein vielfältiges Programm geboten.

„Die Zukunft ist weiblich… wirklich?!“ – dieser Frage widmete sich Dominique Döttling am Vormittag. „Wir müssten doch über eine weibliche Gegenwart reden“, sagte die Mentorin und Partnerin der Döttling & Partner Beratungsgesellschaft mbH. Aber in führenden Positionen seien Frauen trotz bester Qualifikationen unterrepräsentiert. Ein wichtiger Schritt in eine vielfältigere und damit auch weiblichere Zukunft sei es, bewusst Stereotype zu hinterfragen. Ob die Zukunft dann auch weiblicher wird? Sie muss es sein, sagte Döttling. Denn wir stünden gesellschaftlich vor großen Herausforderungen. Denen könne man sich nur erfolgreich stellen, wenn alle Potenziale genutzt werden.

Von „verschenkter Vielfalt“ sprach auch Ulrich Fischer, Professor für Oenologie und Sensorik und Leiter des Instituts für Weinbau und Oenologie am DLR Rheinpfalz in Neustadt. Allerdings ging es ihm um die Vielfalt im Glas. In seinem Vortrag mit Verkostung widmete er sich dem facettenreichen Thema der Cuvées, die gerade in Deutschland oft nicht den besten Ruf haben. Zu Unrecht, wie Fischer zeigte. Cuvées böten Weingütern viele Möglichkeiten – etwa den größeren Einsatz von Piwi-Sorten. Die pilzwiderstandsfähigen Sorten sind zwar ein Baustein des nachhaltigen Weinbaus, aber ihre Rebsorten recht unbekannt. Das sei im Marketing ein Nachteil.

„Da Sie bei Cuvées freie Namensgebungen haben, können Sie das wieder wettmachen“, sagte Fischer. Dass Cuvées auch im Glas großartig sein können, zeigte die Verkostung – unter anderem mit einem Rotling aus Piwi-Sorten, einem gemischten Satz aus Franken, und einem Weißwein aus französischen und deutschen Trauben.

Wie können Weinfachfrauen auf Corona reagieren?

Neben den Vinissima-Kern­themen Frauen und Wein ging es auch um die weltweite Corona-Pandemie, ihre Folgen und den Umgang damit. Alexander Hennig, Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, zeigte, welche Auswirkungen Corona auf die verschiedenen Volkswirtschaften hat. Er veranschaulichte, wie die Pandemie bestehende Spannungen – etwa das wirtschaftliche Nord-Süd-Gefälle in der EU – verschärft. Dann zeichnete er Szenarien der Volkswirtschaft, besonders in der EU als Währungsunion, nach Corona.

Simone Loose, Professorin an der Hochschule Geisenheim University, lieferte Daten und Fakten, wie die Pandemie den deutschen und die internationalen Weinmärkte verändert. Ihr Fazit: Corona geht an der Weinbranche nicht spurlos vorbei. Weltweit könnte der Konsum schätzungsweise um zehn Prozent sinken. In Europa träfe das vor allem die südlichen Staaten. Diese lebten stark vom Tourismus und Export. Aber auch deutsche Winzerinnen und Winzer müssten sich auf Veränderungen einstellen.

Die Zeit nutzen, sich nun fachlich weiterzubilden

Wie geht man damit um? Darauf hatte Vinissima und Coach Manuela Groebe in ihrem Impulsvortrag einen positiven Blick: „Nutze die Chance“, sagt sie den Zuschauerinnen. „Wir haben durch Corona mehr Zeit, uns untereinander auszutauschen und zu vernetzen“, sagte Groebe. Sie zeigte anhand praktischer Beispiele, wie bei den Mitgliedern von Vinissima in den vergangenen Monaten fachlicher Austausch, aber auch Nähe trotz physischer Distanz gelebt werden konnte.

Einen ähnlichen Ansatz hatte Barbara Wanner, Gründungsmitglied von Vinissima und Inhaberin von organize communications. „Wir können es uns nicht leisten, schlappzumachen“, sagte sie. In ihrem Vortrag ging es um Professionalisierung in der Weinbranche. Dafür gab sie ihr Fachwissen anhand von Ideen, Anregungen, aber auch strukturierender Modelle an die Vinissima weiter.

Das Wochenende hat der Vinissima-Vorstand live aus einem Studio in Bingen übertragen. Am Freitagabend ging es um Vereinsinterna. Am Samstag folgte das Vortragsprogramm mit den hochkarätigen Referentinnen und Referenten. Das Programm endete mit einer ausgelassenen digitalen Party.

Vinissima wird 30! Vinissima wurde 1991 von sieben Weinfachfrauen am Kaiserstuhl gegründet. Dazu plant der Verein am 2. Juli-Wochenende ein Sommerfest, das dann hoffentlich auch als Präsenzveranstaltung durchgeführt werden kann.

vin – LW 8/2021