Der Dialog mit der Gesellschaft beginnt

Zwei Stunden Diskussion zur Lage der Landwirtschaft

Relativ spontan hat SWR 4 in seinem Format Klartext unter dem Titel „Landwirte unter Druck“ den rheinland-pfälzischen Landwirtschaftsminister Dr. Volker Wissing, Jan Ruzycki von der Bewegung Land schafft Verbindung in Rheinhessen, Ludwig Schmitt vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd, Prof. Dr. Thomas Appel von der TH Bingen, Sabine Yakoub, Geschäftsführerin des BUND Rheinland-Pfalz sowie Werner Eckert von der SWR Umweltredaktion zur Diskussion eingeladen.

Als einen Erfolg der Bauernproteste kann angesehen werden, dass SWR 4 Landwirte, Naturschützer, Wissenschaftler und Landwirtschaftsminister Dr. Volker Wissing zu einer zweistündigen live übertragenen Diskussion in die Ludwig-Eckes-Halle einlud.

Foto: Setzepfand

Auch das Publikum in der gut besetzten Ludwig-Eckes-Halle in Nieder-Olm konnte sich an der Diskussion beteiligen und machte davon rege Gebrauch. Moderator Thomas Meyer fragte, wie die Podiumsgäste zu den Protesten der Bauern stehen. Landwirtschaftsminister Wissing stellte sich hinter die Bauern, auch bei der Düngeverordnung, die seiner Auffassung nach, in dieser pauschalen Form der 20 Prozent Reduktion nicht umgesetzt werden kann.

Auch der BWV-Kreisvorsitzende von Mainz-Bingen Ludwig Schmitt zeigte sich erfreut über die LsV-Bewegung, die seiner Meinung nach der Gesellschaft die Probleme der Landwirtschaft erklärt. Auch Sabine Yakoub vom BUND zeigte viel Verständnis, wies dennoch auf das Artensterben sowie die Nitratbelastungen hin und trat für ein Umdenken bei Freihandelsabkommen ein, um die Bauern vor Preisdumping aus China zu schützen. Journalist Werner Eckert wünschte sich, dass nicht über einzelne Brunnen diskutiert werde, sondern Lösungen gefunden werden. Denn man habe drei Jahrzehnte verstreichen lassen, um sich in seinem Umfeld einzunisten: Landwirte, Naturschützer und Industrie, es müsse miteinander geredet werden. Die derzeitige Situation sei auch eine Chance, so Eckert.

Ruzycki bemerkte, dass sich die Landwirtschaft in den vergangenen 40 Jahren enorm verändert hat: „Seit zehn Jahren läuft die Digitalisierung. Seit über 20 Jahren düngen wir kaum noch im Weinbau. Wir haben gute Böden, die ein langes Gedächtnis haben, aufgrund der geringen Niederschläge. Obwohl die Düngung schon viele Jahre zurückgefahren wurde, ändert sich nichts an den Messstellen.“

Dies bestätigte Prof. Dr. Appel, der den Landwirten jedoch vorwarf, kurz vor der Ernte nochmals zu düngen, um den Bonus von 50 Cent für Brotweizen mit mehr als 13,5 Prozent Protein zu erhalten. Er schlug vor, den Anbau von Brotweizen den Polen zu überlassen, die dafür bessere klimatische Bedingungen hätten. Ein Raunen ging durch die Ludwig-Eckes-Halle.

Nur importieren, was deutschen Standard erfüllt

„Wir wollen den Dialog“, haben viele Bauern auf ihren Plakaten gefordert. Daher war die Ludwig-Eckes-Halle gut besetzt, denn dies war ein erster Schritt zum Dialog mit der Gesellschaft.

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Dr. Christian Lang, der Geschäftsführer der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer merkte an, dass es im Ackerbau an sich keine Probleme mit Nitrat gebe, sondern dass es die Ballungsräume der Tierhaltung und des Gemüseanbaus sind, die Sorgen bereiten. Ruzycki bemerkte, dass dies auch eine Folge der Spezialisierung der Betriebe und der deutschen Preispolitik sei und natürlich dort Gemüse angebaut werde, wo die Böden und die klimatischen Voraussetzungen passen. Die Zukunft sei Gemüsebau ohne Erde, wie dies die Holländer vormachen.

Holker Pfannebecker, BWV-Kreisvorsitzender von Alzey-Worms betonte, dass die Lebensmittel in Deutschland zu billig sind. Dem stimmten alle auf dem Podium zu. Wissing betonte, dass sich die Politik nicht in den Markt einmischen werde. Doch er sagte zu, beim Mercosur-Abkommen, das er befürworte, da auch Rheinland-Pfalz zu 60 Prozent vom Export abhängig ist, die Landwirtschaft zu berücksichtigen. Wissing möchte, dass gleiche Standards für importierte Lebensmittel gelten wie hier in Deutschland: „Schließlich importieren wir auch keine Autos ohne Blinker oder Bremsen, sie müssen auch die deutschen Standards erfüllen.“ Wissing sprach sich für einheitliche europäische Standards in der Landwirtschaft aus, um die starken Wettbewerbsverzerrungen zu bekämpfen, die durch den Wegfall von Beizen und Pflanzenschutzmittel sowie hohe Umweltauflagen in Deutschland entstehen.

Sie setzen sich für die Zukunft der Landwirtschaft ein (v.l.): Dr. Volker Wissing, Jan Ruzycki und Ludwig Schmitt.

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„Wettbewerbsverzerrungen und niedrige Preise führen zu hohem Druck auf die deutschen Landwirte“, sagte Ruzycki. Und Schmitt ergänzte, dass die Landwirte zu Veränderungen bereit sind, wenn diese wissenschaftlich fundiert sind und ihre Zukunft auf den Höfen sichert. Dass das Höfesterben parallel zum Arten- und Insektensterben verlaufe, darauf wies Landwirt Bernd Schellhaas aus Weilerbach hin: „Viele Arten brauchen die bäuerlich kleinstrukturierte Landwirtschaft, sie leben seit Jahrhunderten mit uns. Viele Arten vermissen die früheren Misthaufen im Dorf, den Hühnerhof oder die Streuobstwiesen um die Höfe.“

Die Bauerndemos machen aufmerksam und fordern den Dialog mit der Gesellschaft. Das Format Klartext gab den Landwirten die Gelegenheit, ihre Situation zu schildern, auch wenn der SWR Umweltredakteur Eckert wenig Hoffnung machte: „Wenn es bei Handelsabkommen zum Schwur kommt, dann sind Sie nicht die Stärkeren. Wir leben nun einmal in Deutschland in einem Industriestaat.“

zep – LW 5/2020