Ein Drittel weniger Roggen geerntet
Menge und Qualität des deutschen Brotgetreides 2010
Zur Qualität des Brotgetreides in Deutschland werden am Max Rubner-Institut jedes Jahr zwei Ernteberichte erarbeitet. Dabei ist die Besondere Ernte- und Qualitätsermittlung repräsentativ für die Erntemengen im Land. Um den Mühlen und Händlern rasch eine Orientierung zu bieten, haben die Wissenschaftler vom Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide mit Hochdruck an der Auswertung der Qualität und Quantität des deutschen Brotgetreides gearbeitet und legen nun erste Ergebnisse vor, die bereits eine klare Tendenz zeigen. Die Untersuchungen zur Erntequalität werden Ende Oktober abgeschlossen.
Am Max Rubner-Institut (MRI) in Detmold werden alljährlich zur Qualität des deutschen Brotgetreides zwei sich ergänzende Ernteberichte erarbeitet und veröffentlicht, die einer ersten zuverlässigen Qualitätsorientierung dienen: die Besondere Ernte- und Qualitätsermittlung (BEE) und die sogenannten Mühlenmuster.Auf der Grundlage des Agrarstatistikgesetzes erfolgt anbauflächen- und erntemengenrepräsentativ die Besondere Ernte- und Qualitätsermittlung, die für das Bundesgebiet und auf Länderebene einen Überblick über die wichtigsten Qualitätsmerkmale der Ernte erlauben. Dies bezieht sich auf gesundheitsrelevante unerwünschte Stoffe und die Beschaffenheit der backwirksamen Hauptinhaltsstoffe.
Mühlenmuster: In der Art einer Sonderprüfung werden Weizen-, Roggen- und Dinkelproben aus dem Inland zusätzlich mahl- und backtechnischen Bewertungen zugeführt. Diese von der Praxis selektierten Proben repräsentieren Handels- oder Lieferpartien für Mühlen im Zeitraum der Ernte.
Brotgetreide hatte in diesem Jahr unter extremen Wetterlagen zu leiden
Nach dem zweiten vorläufigen amtlichen Ergebnis der diesjährigen Besonderen Ernte- und Qualitätsermittlung wurden in Deutschland 24,7 Mio. t Winterweizen geerntet. Während die Anbaufläche an Winterweizen gegenüber dem Vorjahr von 3,18 Mio. ha auf 3,26 Mio. ha ausgedehnt wurde, erreichen die durchschnittlichen Flächenerträge mit 72,7 dt/ha nicht die Vorjahreswerte von 78,4 dt/ha.
Bei Roggen wurden im Vergleich zum Vorjahr deutliche bis sehr starke Verringerungen der Anbauflächen, Erträge und Erntemengen ermittelt. Nach der vorläufigen Datenerhebung beträgt die Erntemenge für Roggen 2,90 Mio. t und liegt damit um etwa einem Drittel niedriger als das Vorjahresergebnis von 4,27 Millionen Tonnen.
Brotgetreide, das heißt Weizen, Roggen und Dinkel, hatte in diesem Jahr unter der extremen Wetterlage zu leiden. Die Qualität des Getreides wurde besonders in der Kornfüllphase durch die Julihitze und in der Abreife durch den regnerischen August mit nur zehn Erntetagen geprägt. Wegen der anhaltenden ungünstigen Witterungsbedingungen verzögerte sich die Ernte in machen Regionen Deutschlands um mehrere Wochen. Nicht nur in den Erträgen, sondern auch in den Qualitäten ergaben sich deutliche Einschränkungen insbesondere bei Brotweizen und Dinkel, regional teilweise aber auch bei Brotroggen. Dabei ergaben sich große regionale Unterschiede.
Vor allem die Weizenqualität lässt zu wünschen übrig
Die diesjährige Winterweizenernte weist nach den bisherigen Ergebnissen der BEE, einen überdurchschnittlich hohen Proteingehalt von 13,3 Prozent TS (Vorjahr 12,6 Prozent ) auf, bei ähnlich hohem Sedimentationswert (46 mL gegenüber 44 mL), der als Maß für die Eiweißqualität herangezogen wird. Anders als in Vorjahren ist in diesem Jahr ein besonders hohes Augenmerk auf das Qualitätsmerkmal Fallzahl zu richten. Sie liefert Hinweise auf die Wirkung des stärkeabbauenden Enzyms alpha-Amylase, dessen Aktivität bereits vor einsetzendem Auswuchs ansteigen kann. Infolge der erwähnten unbeständigen Witterungsbedingungen erbringt etwa 50 Prozent der diesjährigen Weizenernte nicht die vom Handel geforderte Mindest-Fallzahl von 220 s.
Die deutsche Roggenernte hat hingegen qualitativ nicht so gelitten wie die Weizenernte. Der diesjährige Anteil mit Brotroggenqualität liegt – nach Auswertung von 70 Prozent der BEE- Roggenmuster – noch auf einem relativ hohen Niveau von etwa 83 Prozent. Der Mutterkornanteil der BEE-Roggenproben erreicht in diesem Erntejahr abermals ein sehr geringes Niveau, ebenso die Gehalte an Deoxynivalenol (DON). Auch bei den Weizenproben wurden nach dem vorläufigen Stand der BEE-Untersuchungen überwiegend niedrige DON-Gehalte gefunden, allerdings mit teilweise hohen Einzelwerten.
Mühlenmuster auf gutem durchschnittlichem Niveau
Weitere Daten lassen sich aus den handelsüblichen Kriterien der diesjährig zur Ernte eingesandten Mühlenmuster ableiten. Die Weizenfallzahlen, aber auch die für die Backwirksamkeit wichtigen Proteinkriterien zeigen, dass die auf Mühlenfähigkeit selektierten Proben gute Qualität liefern. Erwartungsgemäß liegen bei den Mühlenmustern die Proteingehalte und Sedimentationswerte oberhalb der Werte der BEE-Proben.
Die Weizenqualität (konventioneller Anbau) verfehlt allerdings im Erntejahr 2010 mit geringeren Tausendkorngewichten, Kornhärten, Mehlausbeuten, Eiweißqualitäten und Wasseraufnahmen das gute Durchschnittsniveau der Vorjahre. Trotz dieser hinreichenden Durchschnittsqualität erreichen die Brotweizenproben der Mühlenlieferanten und Mühlen bei überraschend hohen durchschnittlichen Glutenindexwerten (fester Kleber, geringerer Elastizität) mit 668 ml/100g Backvolumen im Mittel das Niveau des Mehrjahresdurchschnitts. Dabei fallen in diesem Jahr jedoch die mittleren Wasseraufnahmen der Mehle geringer aus.
Unbefriedigende Korn-Fallzahlen repräsentieren nicht die Backqualität
Kennzeichnend in diesem Erntejahr ist, dass bei auswuchsfreien Qualitätsweizenproben selbst bei niedrigen Schrotfallzahlen von unter 180 s im RMT-Backversuch (kurze Teigführung) gut gelockerte Gebäcke und hohe Backvolumina erzielt werden können. Nach den Beobachtungen übersteigen in solchen Fällen die Mehlfallzahlen um mehr als 40 Sekunden die Kornfallzahlen. Nach den eigens zu dieser Frage durchgeführten Ernteuntersuchungen repräsentieren die unbefriedigenden Korn-Fallzahlen nicht die Backqualität. Hier bestehen gerade in diesem Jahr Potenziale, die im Einvernehmen mit den Backbetrieben in den betroffenen Regionen bereits genutzt werden.
Roggenproben erreichen gute Mehlausbeuten der Vorjahre
Die von Mühlen und Mühlenlieferanten untersuchten Roggenproben aus der Ernte 2010 erreichen bei der Herstellung der Mehltype 997 die guten Mehlausbeuten der Vorjahre. Das für Brotroggen wichtigste Kriterium ist die Stärkebeschaffenheit, die über die Fallzahlen und Viskositätswerte der Schrote definiert ist. Hier zeigen sich gegenüber der letzten Roggenernte bei den Mühlenmustern durchschnittlich kaum Qualitätsschwächen. Nur wenige Einzelproben unterschritten die Grenzwerte für Brotroggen.
Die Roggen-Mühlenmuster reflektieren insgesamt überwiegend gute Qualitäten in den kornanalytischen Daten, mit roggentypischen Schwankungen.
Gute Werte zur Öko-Backqualität
Die bisher aus dem heimischen Öko-Landbau untersuchten 53 Mühlenmuster (überwiegend Qualitätsweizen von Deutschen, EU- und Schweizer Sorten) erreichen in diesem Jahr vergleichsweise untypisch gute Kornausbildungen. Ein allgemein positiver Trend ist in den für Öko-Weizen niedrigen Korn-Mineralstoffgehalten und guten Mahlfähigkeiten zu erkennen. Ebenso ergeben sich in der durchschnittlichen Eiweißquantität und -qualität diesjährig vergleichsweise gute Werte.
Lediglich die mittlere Wasseraufnahme der Öko-Weizenmehle unterschreitet die Vorjahreswerte um etwa 1 Prozent . Die gemittelten Backvolumina von 631 mL/100g lassen die Voraussetzungen für eine gute Öko-Backqualität erkennen.
Dinkel mit guten bis mittleren Fallzahlen und Eiweißgehalten
Bei den Dinkeleinsendungen sind bislang zu wenige Proben untersucht worden, um klare orientierende Aussagen machen zu können. So liegen die Stärkebeschaffenheiten (Fallzahl) und Eiweißkomponenten im Trend auf einem guten bis durchschnittlichen Niveau. Jedoch sind Einschränkungen gegenüber dem Vorjahr in der Mahlfähigkeit zu erkennen, ebenso in der Wasseraufnahme der Mehle. Das mittlere Backvolumen liegt leicht unter dem Mittelwert aus dem vergangenen Wirtschaftsjahr und deutlich unter dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre.
Der Grundsatz, dass bei nachlassenden und stark streuenden Erntequalitäten stets spezielle ausgleichende Qualitäten gefragt sind, wird dieses Getreide-Wirtschaftsjahr prägen. Die starken Schwankungswerte in den Handelskriterien für Brotgetreide, die in diesem Jahr zudem unzureichend die tatsächliche Backqualität reflektieren, stellen ein Hemmnis für den Getreideeinkauf, die Entscheidung und Absicherung der Betriebe dar.
Die verbreitet eingeschränkte Stärkebeschaffenheit der Weizenmehle wird Schwierigkeiten bereiten, wenn sich die Backbetriebe nicht auf diese speziellen Erntequalitäten einstellen können (z.B. durch Veränderungen in der Teigführung). Trotz dieser Umstände kann erwartet werden, dass weiterhin bekömmliches und gutes Brot angeboten wird.
Ausführlichere Informationen über die Ernteberichte des Max Rubner-Instituts können wie bisher ab Mitte Oktober unter www.vms-detmold.de nachgelesen werden. MRI