Die Eichen-Hainbuchenwälder

Waldlebensraumtypen Natura 2000 – Teil 3

Die bekannteste deutsche Laubbaumart ist die Eiche. Daran gibt es keinen Zweifel. Obwohl klar ist, dass unter den heutigen Klimabedingungen in Deutschland Buchenwälder wesentlich konkurrenzstärker sind. Woran liegt es also, dass die Eichen, Stiel- und Traubeneiche, immer noch eine so große Verbreitung in den Mittelgebirgen haben? Der Grund liegt darin, dass die Eiche durch den Menschen über Jahrhunderte künstlich angebaut und begünstigt wurde. Eichen haben im Vergleich zur Buche einige positive Eigenschaften, die für die Menschen über Jahrhunderte bis heute von Vorteil sind.

Eicheln dienten nicht nur den Hausschweinen als Futter, sondern wurden auch zu Mehl verarbeitet.

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Eiche als wertvolles Bauholz: Mit Buchenholz kann man beim Hausbau nichts anfangen, das Bauholz des Mittelalters – vor Einführung der Nadelbäume im 18. Jahrhundert – war Eiche.

Eichen vermögen sehr viel besser als die Buche nach einem Kahlschlag als Stockausschläge wieder auszutreiben. Dadurch eignen sie sich hervorragend für den Niederwaldbetrieb. Neben der Brennholznutzung spielte im Eichenniederwald die Gewinnung der Eichenrinde als Gerbstoff für die Bearbeitung von Leder eine sehr wichtige Rolle.

Für die Waldweide waren lichte Eichenwälder, die sogenannten Hutewälder hervorragend geeignet. So konnte man das Vieh, vor allem auch Schweine, in den Eichen halten, wo es durch die Eichelmast hervorragende Bedingungen vorfand.

Dies alles führte dazu, dass Eichenwälder eine weite Verbreitung in unseren Mittelgebirgswäldern hatten, obwohl sie wegen ihres Lichtbedürfnisses ökologisch der Buche weit unterlegen waren. Eine Rolle spielt natürlich auch die Langlebigkeit der Eiche, die mehrere Hundert Jahre betragen kann und damit die Buche etwa um das doppelte übertrifft. Viele der heutigen Eichenwälder sind übrigens durchgewachsene ehemalige Niederwälder.

Zu trocken oder zu nass für die Buche, da kommt die Eiche

Es gibt aber auch auf einigen Mittelgebirgsstandorten natürliche Eichenwald­gesellschaften, nämlich die trockene und die feuchte Ausprägung des Eichen-Hainbuchenwaldes. Die Eichen kommen dort zum Zuge, wo es für die Buche entweder zu trocken oder zu nass ist. Die Vegetationskunde unterscheidet zwischen der trockenen Variante, dem Waldlabkraut-Eichen-Hainbuchenwald und der feuchten Variante, dem Hainmieren-Eichen-Hainbuchenwald. Ersterer ist eher selten, da es in den Mittelgebirgswäldern nur wenige Standorte gibt, an denen der Bodenwasserhaushalt und Niederschläge so gering sind, dass Buchen nicht mehr gut wachsen können. Die feuchten Eichen-Hainbuchenwälder sind häufig in Bachtälern und Auenbereichen anzutreffen. Beide Waldgesellschaften bilden Lebensraumtypen der FFH-Richtlinie und sind daher Teil des europäischen Schutzgebietssystems Natura 2000.

Der Mensch förderte seit jeher die Eiche, da sie seinen Haustieren zur Mast diente, haltbares Bauholz und Brennholz lieferte.

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Wegen ihrer relative geringen flächenhaften Verbreitung sind Eichen-Hainbuchenwälder dort wo sie vorkommen von besonderem Wert und sollten geschützt und vor allem regeneriert werden. Und gerade hier liegt das Problem: Viele Eichen-Hainbuchenwald-Lebensraumtypen wurden an Stellen ausgewiesen, an denen auch die Buche noch vorkommen kann. Der Übergang von noch buchenfähigen zu nicht mehr buchenfähigen Standorten ist in der Natur fließend. Die Grenze kann meist nicht ganz eindeutig gezogen werden. So kommt es, dass sich die Altbestände durch Überalterung und Nutzung auflichten und in der aufkommenden Naturverjüngung oft die Buche sich gegen die Eiche durchsetzt. Dies führt in der Folge zu einer Gefährdung für den Lebensraumtyp.

Um dies zu verhindern, sollten beim Generationswechsel in Eichen-Hain­buchen­wäldern folgende Maßnahmen ergriffen werden:

  • Eichen brauchen Licht, bei Verjüngungshieben sehr bald Licht schaffen, es darf nur noch ein sehr lockerer Schirm über der Eichenverjüngung stehen
  • Durch Stürme entstandene Freiflächen auf potenziellen Eichen-Hainbuchenwaldstandorten zur gezielten Eichenaufforstung nutzen.
  • Schutz gegen Wild sicherstellen, in der Regel ist die Zäunung von Eichenverjüngungsflächen erforderlich.
  • Pflege nicht vergessen, viele Eichenpflanzungen in der Zeit nach den Stürmen im Jahr 1990 gingen verloren, weil nicht rechtzeitig oder zu extensiv gepflegt wurde. Die Eiche bedarf einer intensiven Behandlung in der Jungwuchspflege und in der Läuterung.

Artenvielfalt in den Eichen-Hainbuchenwäldern

Eichen-Hainbuchenwälder zeichnen sich durch eine besonders hohe Artenvielfalt aus. Ein Grund dafür ist, dass in Eichen-Mischwäldern wegen der im Vergleich zu Buchenwäldern weniger dichten Belaubung mehr Licht in den Bestand und auf den Waldboden fällt. Daher ist der Waldboden in Eichen-Hainbuchenwäldern immer mit einer üppigen Krautschicht bedeckt. Fast immer ist in den trockeneren Varianten neben dem namensgebenden Waldlabkraut auch die große Sternmiere beteiligt. In der feuchten Variante ist die Vegetation noch üppiger und ähnelt der von Auenwäldern. In der Regel kommen fast immer die Hainmiere (namensgebende Art), der Gundermann, die Hohe Schlüsselblume, der Aronstab, das gefleckte Lungenkraut, das Hexenkraut und viele weitere, an Feuchtigkeit angepasste Arten vor.

Auch die Baumartenvielfalt ist deutlich höher als in den Buchenwaldgesellschaften: Eiche, Hainbuche, Esche, Berg- und Spitzahorn, Erle, Linde und sogar Feld- und Flatterulme sind hier anzutreffen. Aufgrund des hohen Lichtdurchlasses bildet sich oft auch eine Strauchschicht aus, die meist von Weißdorn und Hartriegel dominiert ist.

Zoologische Untersuchungen in einem Hainmieren-Eichenhainbuchenwald an der Kinzig, einem Nebenfluss des Mains, haben ergeben, dass die zoologische Vielfalt außerordentlich hoch ist und einen Spitzenwert im Rahmen der Naturwaldforschung darstellte.

Das liegt auch daran, dass die Baum­art Eiche selbst unter den heimischen Baumarten die Art ist, die den meisten Insekten- und Spinnenarten einen Lebensraum bietet. Ausschlaggebend ist dabei die grobe Rindenstruktur, die eine Vielzahl von Nischen bereitstellt. Zusätzlich sind der erhöhte Lichtgenuss und die damit in den Wald eindringende größere Wärme weitere Ursachen für die erhöhte Artenvielfalt. Eine Rolle spielt sicher auch die Langlebigkeit der Eichen und damit verbunden der viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte andauernde Absterbeprozess.

Die bekannteste Insektenart der Eichen-Hainbuchenwälder ist der Hirschkäfer. Der bis zu 8 cm große Käfer fällt besonders durch seine beim Männchen geweihartig ausgebildeten Mandibeln auf und ist jedem Kind bekannt. Er ist eine FFH-Anhangsart und daher streng geschützt. In den eichenreichen Bundesländern Rheinland-Pfalz und Hessen ist er noch weit verbreitet.

Der Hainmieren-Eichen-Hainbuchenwald findet sich eher in Senken und gleicht schon dem Auewald.

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Ein sogenanntes Citizen-Science-Projekt ergab in Hessen viel mehr Hirschkäfer-Sichtungen als man geglaubt hatte. Alle Bürger waren aufgerufen, in einem Jahr ihre Beobachtungen an eine zentrale Stelle zu melden. Demnach ist der Käfer keineswegs vom Aussterben bedroht. Allerdings ist sein Vorkommen vom Vorhandensein alter Eichen abhängig. Diese müssen daher unbedingt geschützt werden.

Nicht nur der Hirschkäfer ist eine seltene, schützenswerte Art des Eichenwaldes, weitere prominente Käferarten, wie der Eremit oder der Heldbock sind ebenfalls eng an alte Eichen gebunden. Dazu kommen unzählige weitere Insekten- und Spinnenarten, die in Eichen-Hainbuchenwäldern leben.

Davon wiederum profitiert eine artenreiche Vogelwelt. Viele Vogelarten und Fledermausarten nutzen den durch die Insekten und Spinnen reich „gedecktenTisch“.

Grobrissige Rinde bietet vielen Insekten Lebensraum

Besonders an die grobrissige Rindenstruktur der Eiche gebunden ist der seltene Mittelspecht, eine dem Buntspecht ähnelnde Kleinspechtart. Er zimmert seine Höhlen in abgestorbenes Holz, Astlöcher oder andere Nischen. Da die Höhlen leicht übersehen werden können, ist es zu seinem Schutz erforderlich, in starken Eichenbaumhölzern während der Brutzeit (Ende März bis Mai) Hiebsruhe zu gewährleisten.

Eine in den Wäldern meist wenig beachtete Artengruppe sind die holzbesiedelnden Pilze. In einer Langzeituntersuchung auf einer Sturmwurffläche im Spessart konnte nachgewiesen werden, dass das Kernholz von durch den Sturm gefallenen Eichen­stämmen mehr als 20 Jahre nahezu unversehrt geblieben war, während das Splintholz bereits nach zehn Jahren vermodert ist. Den größten Anteil an der Holzverwitterung leisten holzzerstörende Pilze. Man unterscheidet Braunfäuleerreger (Abbau von Zellulose) und Weißfäulerreger (Abbau von Lignin). Durch die lange Verweildauer der Stämme im Wald folgen Gruppen von Pilzen verschiedener Sukzessionsstadien aufeinander und sorgen gemeinsam für den allmählichen Holzabbau. Damit leisten diese Pilze einen sehr wichtigen Beitrag für die geschlossenen Stoffkreisläufe im Eichenwald.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Artenvielfalt in Eichen-Hainbuchenwäldern in den verschiedenen Pflanzen- und Tiergruppen enorm ist und die von Buchenwäldern noch übertrifft. Experten sprechen von einem Hotspot der Artenvielfalt.

Umso mehr ist die Erhaltung der Eichen-Hainbuchenwälder eine wichtige Aufgabe für den Naturschutz.

Mit den Eichen-Hainbuchenwäldern endet die Serie der wichtigsten Natura-2000 Waldlebensraumtypen. Es gibt in den deutschen Mittelgebirgen noch eine Reihe weiterer Waldgesellschaften, wie die Auewälder, Moorwälder, Trockenwälder oder auch Hang- und Schluchtwälder. Diese sind von großer naturschutzfachlicher Bedeutung, kommen aber alle nur in geringer Flächenausdehnung und verstreut vor. Mit den Buchen- und Eichen-Hainbuchenwäldern sind weit über 90 Prozent der Waldlebensraumtypen abgedeckt.

Dr. Jürgen Willig – LW 30/2016