Mehr Erbe durch häusliche Pflege

Ausgleich für erbrachte Pflegeleistungen aus Erbmasse

Auf dem Land werden viele Pflegebedürftige im häuslichen Umfeld gepflegt. Was nicht jeder weiß: Verstirbt der Pflegebedürftige, können die Pflegenden für ihre erbrachten Pflegeleistungen Geld aus der Erbmasse geltend machen. 2010 hat der Gesetzgeber die Anerkennung der häuslichen Pflegeleistungen im Erbfall zudem verbessert. Erhielten beispielsweise zuvor nur Kinder, die ihren Beruf für die Pflege ihrer Eltern aufgaben, einen Gegenwert ihrer Pflegeleistung aus der Erbmasse, dürfen sie heute auch nebenher berufstätig sein. Das LW hat bei Karl-Heinz Armbrust, Leiter Referat Zivilrecht beim Hessischen Bauernverband (HBV), nachgefragt, was in Bezug auf den Ausgleich zu berücksichtigen ist.

Übernimmt die Tochter die Pflege ihrer Mutter, hat sie im Todesfall der Altenteilerin Anspruch auf einen Ausgleich für ihre Pflegeleistungen aus der Erbmasse.

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LW: Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass nur sogenannte direkte „Abkömmlinge“ für häusliche Pflegeleistungen einen finanziellen Ausgleich aus der Erbmasse erhalten. Wer ist damit gemeint?

Karl-Heinz Armbrust: Abkömmlinge sind mit dem Erblasser in gerader absteigender Linie verwandte Personen; das sind Kinder, Enkel und Urenkel. Andere pflegende Personen wie Geschwister, Schwiegerkinder oder Nachbarn haben keinen Anspruch gemäß § 2057 a des Bürgerlichen Gesetzbuches.

LW: Oftmals pflegen aber gerade die Schwiegertöchter oder -söhne, manchmal gar Nachbarn oder Freunde. Damit die nicht leer ausgehen: Was kann man tun?

Karl-Heinz Armbrust.

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Armbrust: Es besteht die Möglichkeit, dass die Parteien, also die zu pflegende Person und die pflegende Person, eine vertragliche Vereinbarung über die Erbringung von Pflegeleistungen gegen Entgelt vereinbaren.

Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass die zu pflegende Person im Rahmen einer testamentarischen oder erbvertraglichen Regelung der Pflegenden durch ein Vermächtnis beziehungsweise Vorausvermächtnis einen bestimmten Gegenstand oder einen bestimmten Geldbetrag als Gegenleistung für die erbrachte Pflegeleistung zuwendet.

LW: Wie verläuft die Anrechnung der Pflegevergütung im Erbfall?

Armbrust: Die Höhe des Ausgleichsbetrages ist nicht ganz einfach zu ermitteln. Die Höhe des Betrages soll dem Grundsatz der Billigkeit entsprechen. Dabei sind Dauer und Umfang der Pflegeleistungen sowie die Höhe eines durch die Zeit für die Pflege erfolgten Einkommensverzichts zu berücksichtigen.

Auch der Wert des Nachlasses ist heranzuziehen. Weiterhin sind auch die Auswirkungen der Leistung des Abkömmlings auf das hinterlassene Vermögen des Erblassers (Erhaltung des Vermögens) zu ermitteln. Eine konkrete Bewertungsvorschrift, zum Beispiel mit einem bestimmten Stundensatz, gibt es nicht. Denkbar könnte sein, dass sich die Bewertung von Pflegeleistungen an den sozialrechtlichen Pflegesätzen orientiert.

LW: Wie können sich Pflegende absichern, damit man ihnen ihre Pflegeleistungen auch tatsächlich anerkennt?

Armbrust: Hier wird die Frage des Nachweises bei einer späteren Auseinandersetzung angesprochen. Dies könnte zum Beispiel durch Führung eines Pflegetagebuches erfolgen. Daneben sind natürlich auch alle anderen Beweismittel zum Nachweis der erbrachten Pflege möglich, wie beispielsweise Zeugen oder Aufzeichnungen.

LW: Gilt der Anspruch auch, wenn zusätzlich ein ambulanter Pflegedienst in Anspruch genommen wird?

Ein Ausgleich für Pflegeleistungen kann testamentarisch festgelegt werden.

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Armbrust: Wenn zur Pflegeleistung zusätzlich Hilfsdienste in Anspruch genommen und vom Abkömmling bezahlt werden, gilt dieser Anspruch in jedem Falle. Wenn Pflegeleistungen neben der Leistung ambulanter Hilfsdienste erbracht werden, hängt es vom zusätzlichen Umfang der Pflegeleistungen des Abkömmlings ab, ob ein Anspruch beziehungsweise in welcher Höhe ein Anspruch gerechtfertigt ist.

LW: Gibt es eine Verjährungsfrist für Ansprüche?

Armbrust: Die Durchführung der Ausgleichung erfolgt bei der Auseinandersetzung des Nachlasses. Der Anspruch auf Ausgleich wegen Erbringung von Pflegeleistungen unterliegt der Regelverjährung. Sie beträgt drei Jahre.

 

Rechenbeispiel zur Durchführung einer Ausgleichung

Zunächst werden mögliche Nachlassschulden beglichen. Vom verbliebenen Rein-Nachlass werden dann die Anteile der nicht ausgleichspflichtigen Miterben abgezogen. Dadurch ergibt sich der Wert des Netto-Nachlasses, der den Abkömmlingen zufällt, unter denen die Ausgleichungen stattfinden. Von diesem wird nun zunächst der errechnete Ausgleichbetrag abgezogen und der sich so ergebende rechnerische Nachlass entsprechend den Endquoten auf die Abkömmlinge aufgeteilt. Dem Erbteil des ausgleichsberechtigten Miterben wird dann sein Ausgleichsbetrag hinzugerechnet.

Beispiel

Wert des Rein-Nachlasses: 18 000 Euro. Miterben sind die Witwe zu 1/2 und die Kinder A, B und C zu je 1/6. C steht ein Nettoausgleichsbetrag von 3000 Euro zu. Die nicht beteiligte Witwe erhält vorab 9000 Euro. Den Kindern verbleibt ein Netto-Nachlass von 9000 Euro. Davon wird nun der Ausgleichsbetrag von 3000 Euro abgezogen. Von dem verbleibenden rechnerischen Nachlass 6000 Euro erhalten A und B je 2000,C ebenso 2000 u zusätzlich 3000, also insgesamt 5000 Euro.

Die Fragen stellte Stephanie Lehmkühler – LW 33/2013