Der Euro und die Landwirte: Herausforderung annehmen

Dr. Gerd Wesselmann von der WGZ beim VLF Nassauer Land

Welche persönlichen und psychologischen sowie betriebswirtschaftlichen Herausforderungen werden durch die Eurokrise an Landwirte gestellt? Zur Diskussion derartiger Fragen hatte der Verein Landwirtschaftlicher Fachschulabsolventen im Nassauer Land vorige Woche zu einer Agrarfinanztagung gemeinsam mit der Vereinigten Volksbank eingeladen. Zum Thema „Der Euro und die Landwirtschaft, Herausforderungen für erfolgreiche Landwirte“ sprach Dr. Gerd Wesselmann von der WGZ-Bank aus Münster.

Die Veranstaltungsreihe der Landwirtschaftlichen Fachtagung des VLF im Nassauer Land befasste sich in diesem Jahr in zahlreichen Vorträgen in der Region mit den künftigen Herausforderungen der Gesellschaft an die Landwirte. Der Schwerpunkt der jüngsten Veranstaltung in Linter befasste sich mit der Problematik zur Eurokrise. Hier ging es um ökonomische, finanzielle und persönliche Führungskonzepte und Strategien der positiven Betriebsführung.

Foto: Dieter Fluck

Dr. Wesselmann gab den Landwirten, Junglandwirten und weiteren Interessierten am Abend viele Tipps zu Führungskonzepten und Strategien einer positiven Betriebsführung mit auf den Weg. „Viele Landwirte befinden sich in einer wirtschaftlichen und manchmal auch in einer Sinnkrise.“ Er befasste sich außer mit den ökonomischen Zwängen zum einzelbetrieblichen Erfolg insbesondere mit den persönlichen Herausforderungen, die sich vor allem die jungen Landwirte stellen, wenn sie erfolgreich wirtschaften wollen. „Der Berufsnachwuchs der Landwirte ist geerdet und wird im demographischen Wandel dringend gesucht“, so der Agrarexperte der WGZ Bank Münster, Zentralbank für Volks- und Raiffeisenbanken. Wesselmann kritisierte die ungenaue, undifferenzierte und nicht verlässliche Agrarpolitik und forderte: „Die Landwirte bräuchten mal eine verlässliche Politik für vier bis fünf Jahre.“ Und: „Wer sich auf das Jetzt verlassen will, der ist verlassen.“ Derzeit bevorzuge die Politik die Schlechteren und das sei nicht sachgemäß.

Märkte nicht begrenzen

Dr. Gerd Wesselmann machte jungen Landwirten Mut: „Ihre Chancen für die Zukunft sind gut.“

Foto: Dieter Fluck

Dr. Gerd Wesselmann entstammt selbst der Landwirtschaft, berät Bauern seit 30 Jahren und stellte beim Vortrag fest: „Die Vergangenheit war deprimierend, weil viele nicht mehr weiterkonnten. Die Achtung vor uns selbst ist verlorengegangen. Ausgleichszahlungen sind eine Katastrophe. Die jungen Leute sollen nicht mehr so leben wie die Alten bisher. Sie sollen sagen, was sie wollen und sich daran orientieren. Vor allem sollen sie nicht auf einen Quatsch hereinfallen, dass man Märkte begrenzen könne und es ihnen dann besser gehe als bisher.“

Zeit zur Investition ist günstig

Er appellierte an die jungen Landwirten: „Wer jetzt nicht mit dem Aufbau von Kapital beginnt, ist später verlassen; denn die Alterskasse bietet nicht den gleichen Lebensstandard wie heute. Wer jetzt ein Grund zum Inves­tieren hat, sollte dies tun.“ Der Experte sieht die positive Zukunft in der Bildung von Netz­werken. „Künftig kann es durchaus sein, dass sie eine GbR mit einem chinesischen Landwirt gründen“, meinte Wesselmann. Es komme nicht immer auf Wachstum an, es dürfe auch die Spezialisierung oder Differenzierung sein. Höhere Investitionen müssten sich rechnen. „Derjenige wird erfolgreich sein, wer Spaß am Beruf hat und sich wirtschaftlich nicht verbiegen lässt.“ Wesselmann empfahl den jungen Landwirten, sich in Gremien zu engagieren, um als Teil der Wertschöpfungskette mitbestimmen zu können Er beschrieb die aus Sicht der Banken zu stellenden Anforderungen an eine nachhaltige Finanzierung von landwirtschaftlichen und agrargewerblichen Unternehmen. Neben finanzwirtschaftlichen und produktionstechnischen Kennzahlen komme es zunehmend auch auf die Qualität des Managements und der Unternehmensführung an. Dazu gehöre auch der Umgang mit den Mitarbeitern. Verbleibende Betriebe, die nicht in einem Netzwerk verankert seien, würden dementsprechend schlech­te Marktchancen haben.

„Die Rechnung bezahlen alle“

Die Moderation der Veranstaltung übernahm der stellvertretende VLF-Vorsitzende Thomas Eller. Zuvor hatte sich der Vorstandsvorsitzende der Vereinigten Volksbank Limburg, Klaus Merz, vor den 80 Landwirten mit seiner Einschätzung über die Zukunft des Euro befasst und bekräftigt, dass der Euro langfristig weiterbestehen werde. Dabei hält Merz Veränderungen in der Zusammensetzung der Länder für möglich, vielleicht mit einem Schuldenschnitt Griechenlands. Merz ist davon überzeugt, dass die Krise überwunden wird und sagte: „Die Rechnung bezahlen wir alle. Sie wird aber auf elegan­te Weise mit künstlich niedrigen Zinsen und einer darüber liegenden Inflationsrate erledigt. Wir werden in Deutschland nicht darum herum kommen, Lasten zu tragen; denn es wird Veränderungen geben.“ Landwirte seien durch ihre angeschafften Werte gut gegen Inflation und Veränderungen geschützt.

Fluck