Warum Frauen das "Grüne Abitur" machen

Jägerinnen sind moderne, selbstbewusste Frauen

Zurzeit finden in den meisten Bundesländern Deutschlands die Jägerprüfungen statt. Eines wird besonders deutlich: der Anteil junger Frauen in den Kursen steigt stetig an. Warum gehen immer mehr Frauen gerne auch zur Jagd? Was motiviert sie zu dieser Passion? Die Autorin dieses Beitrags, Petra Hörstmann, ist Bauerntochter und stammt aus dem Oldenburger Münsterland. Vor sieben Jahren hat sie die Jägerprüfung absolviert. Im Beitrag beschreibt sie anhand eines Selbstpor­traits, was hinter der großen Mühe steckt, das „Grüne Abitur“ machen zu wollen.

Bis man den Jagdschein in der Tasche hat, ist es ein weiter Weg; neben der vielen Theo­rie vom Jagdrecht bis zur Wildbrethygiene muss das Schießen sicher beherrscht werden.

Foto: Petra Hörstmann

Da die Jägerei doch noch sehr männlich und traditionell geprägt ist, haben Jungjäger, darunter besonders Frauen, oft Schwierigkeiten jagdliche Möglichkeiten zu finden. Früher dachte ich, die Jagd ist nur etwas für Männer. Doch dieser Gedanke hat sich komplett geändert: Es war an einem Samstagmorgen, die Familie saß zum Frühstück zusammen, als ich einen interessanten Bericht über die Jungjäger­ausbildung in der Zeitschrift las. Ich überflog zunächst den Artikel, erst einmal, dann zweimal und verkündete ohne Wenn und Aber in unserer Familie „Papa, ich mache jetzt den Jagdschein.“ Zu dem Zeitpunkt war ich 16 Jahre alt und ahnte noch nicht, dass aus dieser Idee, den Jagdschein zu machen, später sogar mein liebstes Hobby entstehen würde.

Wie kam ich auf diese Idee? Ich denke, wie viele Jägerinnen auch und zwar über die Familie. Ich wuchs auf dem Land mit einer engen Verbundenheit zur Natur auf und genoss schon in jungen Jahren, zum Beispiel mit meinem Vater durch den Wald zu pirschen oder zur Gesellschaftsjagd mitzugehen, denn er ist passionierter Jäger und ein guter Tontaubenschütze.

Die 24-jährige Petra Hörstmann kommt von einem landwirtschaftlichen Betrieb und ist seit sieben Jahren eine begeisterte Jägerin.

Foto: Petra Hörstmann

Jagen heißt längst nicht nur, in Feld und Wald zu sitzen, um Wild vor Flinte oder Büchse zu bekommen. Bis man den Jagdschein „in der Tasche hat“, muss viel Theorie „gebüffelt“ werden: Jagdrecht, Waffenkunde, Optik, Wildtierbiologie, Wildkrankheiten und Wildbretverwertung oder jagdliches Brauchtum. Das sind nur einige der Themen, zu denen Bücher fast auswendig gelernt werden müssen, um die vielseitige Prüfung zu bestehen.

Neun Monate „büffeln“ vom Jagdrecht bis zur Waffenkunde

Ganz zu schweigen von den wöchentlichen Schießtrainings, praktischen Ãœbungen im Revier und den Repetitorien in Lerngruppen, um das Weidwerk in seiner Fülle zu beherrschen. Das durchlief ich mit weiteren 72 Jagdscheinanwärtern, davon waren neun Frauen. Also hieß es neun Monate lang all das zu lernen, was einen Jäger ausmacht. Dazu zählt auch das Aufbrechen und Zerwirken des Wildes, denn wer A sagt muss auch B sagen, somit gehört die „Rote Arbeit“ wie das in der Jägersprache genannt wird, zur Jagd, ebenso wie die Hege und das Erlegen von Wild. Ärmel hochgekrempelt und los ging es. Diese Arbeit fiel manchen Damen im Jagdkurs gar nicht so schwer, wie die Herren anfangs vermuteten, da die ein oder andere angehende Waidfrau so wie ich auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen ist und beim Schlachten geholfen hatte.

Nachdem wir unser Rüstzeug für die Prüfung erhalten hatten, wurden wir zur Prüfung zugelassen, schriftlich, mündlich und praktisch. Die Prüfung ist aber erst dann bestanden, wenn wir den dritten praktischen Teil im Revier und im Umgang mit der Waffe sicher beherrschen. Als die Prüfung dann endlich geschafft war, hieß es „Waidmannsheil“ und drei Monate nach dem Absolvieren der Jägerprüfung wurde auf den ersten Bock angesessen.

Schon oft wurde ich gefragt, was meine Leidenschaft zur Jagd antreibt: es ist die Vielschichtigkeit, angefangen von der Hege und Revierarbeit bis zu den im Winter abgehaltenen Treibjagden. Schön ist es auch, als Revierführer bei der Hundeprüfung tätig zu sein. Dabei sollen die Hundeführer an möglichst guten Stellen ins Revier geführt werden, damit deren Jagdhunde ihre Leistung zeigen und die Prüfer diese bewerten können. Besonders beeindruckt mich der Umgang von Jäger und Hund miteinander, da beide später auf der Jagd auch eine Einheit bilden müssen.

Treffsicher im jagdlichen Schießen, aber von wegen „Flintenweib“

Das Alter angehender Jä­gerin­nen liegt nach DJV-Angaben im Mittel bei circa 36 Jahren.

Foto: Michael Breuer

Zur Jagd gehört immer mehr auch die Öffentlichkeitsarbeit. Das kann auch schon mal zur Herausforderung werden, wenn man sein Interesse daran gerade als Frau anderen in der Gesellschaft erklären will. Aber apropos Herausforderungen, die habe ich immer gesucht, aus dem Grund habe ich das Tontaubenschießen neben den Reviertätigkeiten angefangen und als meine große Leidenschaft erkannt. Jede Woche habe ich ein bis zwei Nachmittage mit der Flinte in der Hand auf dem Skeetstand verbracht. Dies ist eine gute Möglichkeit für mich vom Alltag abzuschalten. Aber, von wegen „Flintenweib“ – teils allerdings durchaus, denn sich als Frau auf einem Schießstand, der häufig noch als eine Männerdomäne gilt, zu beweisen, erfordert Selbstbewusstsein und Offenheit. Drei Jahre lang habe ich diesen Sport intensiv betrieben und bin so auch kurzweilig bei den Sportschützen gelandet, bei denen das Pensum mehr als doppelt so hoch ist, wie bei den jagdlichen Schützen. Während dieser Zeit hatte ich auch die Möglichkeit, mit der Sportschützin Christine Wenzel aus dem Nationalkader des Deutschen Schützenbundes zu trainieren. Sie hat mehrfach bei Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und sogar im Olympiawettbewerb erfolgreich abgeschnitten. Da aber der Schießsport zeitintensiv und auch relativ teuer ist, wenn man ihn erfolgreich betreiben will, habe ich mich dann nach einer Weile dafür entschieden, nur noch auf dem Schießstand zu gehen ohne Wettkampfambitionen zu haben.

Wie man sich einen Jäger angelt

Gibt es noch was anderes außer Jagd? Sicherlich, nämlich die Liebe, allerdings hat diese in meinem Fall auch schon wieder etwas mit der Jagd zu tun. Denn meinen Liebsten habe ich so kennen gelernt und zwar auf der Feier eines befreundeten Waidgesellen. Einen Part­ner an seiner Seite zu haben, der gleiche Interessen hat, versteht zum Beispiel, wenn man am Samstagmorgen in die Jagdstiefel steigt. Aber der gemeinsame Ansitz in der Abenddämmerung auf der Kanzel ist seltener, als man meint. Durch meinen Partner habe ich auch den Kontakt zu einer Bläsergruppe gefunden, der ich beigetreten bin. Dort treffe ich einmal in der Woche auf Jäger und auch auf „Nichtjäger“, wir tauschen uns aus und haben viel Spaß. Ich entschied mich, das Parforcehorn zu lernen. Auch gibt es eine „AG Junge Jäger“, diese kann viele Möglichkeiten zu jagdlichen Aktivitäten öffnen, wenn man sich engagiert. Ich selbst betreibe nun die Öffentlichkeitsarbeit für die „Jungen Jäger“ unter anderem durch eine eigene Internetseite, um Interessierten zu zeigen was wir machen. Mit der Jagd wird Gemeinschaft und Zusammenhalt gepflegt – auch ein Argument, warum man auch als Frau schnell Anschuss findet.

Petra Hörstmann – LW 20/2014