Die Gerste ist weltweit quasi ausverkauft
Braugerstenrundfahrt zwischen Regionalität und Weltmarkt
Die Rundfahrt des Hessischen Braugerstenvereins führte die Mitglieder letzte Woche ins mittelhessische Lich zum Betrieb „Hof Güll“ von Clemens Lischka und im Anschluss zum Landhandelsbetrieb Diehl in Lich-Eberstadt. Neben der Besichtigung von Demoflächen mit vielversprechenden neuen Braugersten- Sorten stand das aktuelle Marktgeschehen im Mittelpunkt der Veranstaltung.
Vereinsvorsitzender Werner Wald begrüßte die Teilnehmer im Innenhof des Betriebes, der einst ein Wirtschaftshof des nahen Klosters Arnsburg war. „Bei aller Freude darüber, dass nun Präsenzveranstaltungen wieder möglich sind, möchte ich alle bitten, die AHA-Regeln weiterhin einzuhalten“, mahnte Wald, der sich über eine rege Teilnahme von Erzeugern, Vertretern der Züchterhäuser, der Brauwirtschaft und der Beratung freuen konnte. Angesichts des straffen Zeitplanes übergab er das Wort ohne weitere Vorrede an Betriebsleiter Clemens Lischka, der den reinen Ackerbaubetrieb in der Wetterau mit drei Festangestellten komplett auf Pachtbasis bewirtschaftet.Auf rund 700 Hektar werden an zwei Standorten Zuckerrüben (ca. 125 ha), Braugerste (ca. 230 ha), Winterweizen (ca. 200 ha), Winterraps (ca. 35), Soja und auf schwächeren Standorten Lupinen (ca. 70 ha Leguminosen) angebaut; außerdem umfasst der Betrieb noch 25 Hektar Grünland und 29 Hektar Greening in Form von Blühflächen. „Beim Winterweizen setzen wir auf B-Sorten, weil A-Qualitäten nicht zu unserer Bodenbearbeitung passen und wir diese entsprechend nicht ausreichend vergütet bekommen.
Von der Aussaat über Düngung, Pflanzenschutz bis zur Erntetechnik setzten wir auf Eigenmechanisierung, um unsere Arbeiten termingerecht ausführen zu können; nur bei der Rübenernte sind wir Teil einer kleinen Maschinengemeinschaft.“ Auch hinsichtlich der Lagerung sei man unabhängig, beispielsweise durch eine neue Halle in Eberstadt, wo auch mit Außenluft getrocknet werden könne. „Bis 20 Prozent Feuchte können wir dort einlagern, das verschafft uns mehr Spielraum bei der Ernte – vor allem in kühlen und feuchten Morgen- beziehungsweise Abendstunden“, führte Lischka zu seinem Betrieb aus.
Braugerste als wichtiges Standbein
Die Böden des Betriebes weisen durchschnittlich etwa 60 Bodenpunkte auf, mit einer breiten Spannweite von 85 in der Wetterau bis Anfang 30 Bodenpunkte am Standort Hof Güll. In der zentralen Wetterau besteht auch die Möglichkeit einer Beregnung. „Im letzten Jahr mussten wir schon im März unsere Zuckerrübenschläge beregnen, in diesem Jahr ist noch keine Maßnahme erfolgt, denn sowohl die Niederschlagsmenge als auch die -verteilung kamen bisher den Kulturen zugute“, berichtete der Betriebsleiter
Die Braugerste stelle ein wichtiges Standbein für den Betrieb und als Sommerung auch für die Fruchtfolge dar. „Mittlerweile bauen wir aber ein knappes Drittel unserer Braugerste als Winterbraugerste an, weil einfach der Ertrag besser ist – wenn die Aussaatbedingungen passen. Hierfür verwenden wir die Sorte Leandra, die genauso gut im Frühjahr als Sommerung gesät werden kann, wenn die Witterung im Herbst nicht mitgespielt hat“, erläuterte Lischka. Die befürchteten Ausfälle bei seiner Winterbraugerste durch Fröste bis -15 °C im Februar seien ausgeblieben. „Die Bestände wurden zwar gelb, konnten aber wieder austreiben und sehen jetzt wieder gut aus. Letztlich entscheidend ist aber, was wir am Ende ernten werden.“
Neue Sorten müssen sich an „Planet“ messen lassen
Über die Demonstrationsflächen am Betrieb führte im Anschluss Cecilia Hüppe, Referentin Marktfruchtbau-Versuchswesen des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen (LLH). Neben bekannten Vergleichssorten wie Accordine, Avalon, Leandra, Prospect und RGT Planet standen mit Amidala (Zulassung 2019), KWS Jessie (2019) und Lexy (2020) neuere Züchtungen, die an der Parzelle vorgestellt und besprochen wurden.
„Die neue Sorte Amidala kam in den hessischen Landessortenversuchen in ihrem ersten Jahr auf leicht unterdurchschnittliche Erträge, bundesweit steht sie allerdings besser da. Die Resistenzausstattung ist gut, der Proteingehalt O.K.“, sagte Hüppe zu den ersten regionalen Erfahrungen mit der Neuzüchtung. KWS Jessie habe im ersten Jahr 2020 in der unbehandelten Stufe unterdurchschnittlich und in der behandelten überdurchschnittlich gedroschen. „Im Vollgerstenertrag schnitt Jessie 2020 in Stufe 2 fast auf Planet-Niveau ab“, so Hüppe.
Für die vielversprechende Sorte Lexy seien in diesem Jahr erste hessische Ergebnisse zu erwarten. Andreas Gramlich, Vertriebsberater Mitte/West der Hauptsaaten GmbH beschrieb Lexy als „ertragsstark (8/8), mittelfrüh und gesund, vor allem hinsichtlich Mehltau.“
Zur Diskussion um Winterbraugersten bemerkte LLH-Berater Rainer Cloos, dass die angesprochenen Sorten nicht mit den sogenannten Wechselweizen zu vergleichen seien, sondern es sich eher um Sommerbraugersten mit einer guten Winterhärte handele. „Und nicht vergessen dürfen wir, dass beim Anbau als Winterbraugerste die Vorteile der Sommerung hinsichtlich Fruchtfolge und Feldhygiene verloren gehen,“ mahnte er.
Die Märkte warten auf die neue Gerstenernte
Das Ende der Veranstaltung bildete ein Vortrag zur aktuellen Marktsituation von Claus-Werner Sewenig, Raiffeisen AgriTrading Rhein-Main, der in der Halle der Diehl Landhandel GmbH in Lich-Eberstadt stattfand.
Diehl-Geschäftsführer Rainer Mertens betonte, dass der Strukturwandel auch die der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereich treffe. Daraus folge unter anderem, dass ein Standort mindesten 200 t Ware pro Stunde aufnehmen können muss. Sein Unternehmen sei in der Region mit sechs Standorten Partner der örtlichen Landwirte mit einem breiten Sortiment. Für Braugersten-Vorkontrakte betrage die Spanne aktuell 17 bis 20 Euro/dt.
Sewenig zeigte ausgehend vom globalen Trend steigender Getreideerzeugung und noch stärker steigenden Verbrauchs, dass die Reserven seit etwa 2014 immer kleiner werden. Aktuelle hielten sich Getreide-Verbrauch und -Erzeugung in etwa die Waage.
Speziell bei der Gerste habe allerdings der politische Konflikt zwischen China und Australien dazu geführt, dass die Chinesen als zuletzt Hauptabnehmer australischer Gerste nun ihren Bedarf anderswo deckten, was einen deutlichen Preisanstieg auch in Europa zur Folge habe. „Der Gerstenmarkt ist quasi leergefegt. Die neue Ernte von geschätzt 7 Millionen Hektar Anbaufläche für Braugerste in der EU wird den Bedarf der Malz- und Brau-Industrie wohl decken, es darf aber nichts dazwischenkommen“, so Sewenig. Und: „Es gibt keine Überhänge an Gerste aus dem letzten Jahr mehr. Die Läger der RWZ werden bis Ende Juni leer sein.“
Die Analysen und Vorhersagen des globalen Wettergeschehens ließen auf eine gute Getreide-Ernte 2021 schließen, denn nur in den Regionen Brasilien und Kasachstan sei mit unterdurchschnittlichen Ernten zu rechnen.“
Sewenigs Fazit lautet daher: Stand heute sind die Getreidebestände weltweit in Ordnung; mittlerweile ist ein hohes Preisniveau erreicht; gute Erträge könnten in der Ernte zu Preisdruck führen; nach wie vor sollten Getreide und Ölsaaten in kleineren Partien vermarktet werden.
KB – LW 24/2021