Was geschieht mit der Klärschlammdüngung?
Die Bundesregierung hat den Ausstieg beschlossen
Die Klärschlammverwertung auf landwirtschaftlichen Flächen soll nach dem Willen der Bundesregierung auslaufen. Wie der Stand der Dinge ist, und welche Auswirkungen dies auf die bisherige Praxis der Ausbringung hat, hat das LW Dr. Reinhard Speerschneider, Geschäftsführer der UD Umwelt-Dienste GmbH und Vorsitzender des Verbandes zur Qualitätssicherung von Düngung und Substra- ten e.V. (VQSD), gefragt.
LW: Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD heißt es „wir werden die Klärschlammausbringung zu Düngezwecken beenden und Phosphor und andere Nährstoffe zurückgewinnen.“ Gibt es einen konkreten Termin für den Ausstieg?
Speerschneider: Der Referentenentwurf zur Neuordnung der Klärschlammverordnung sieht zum 1. Januar 2025 ein weitreichendes Verbot der bodenbezogenen Klärschlammverwertung vor. Gleichzeitig wird die Rückgewinnung des Phosphors aus Klärschlämmen und KlärschlammÂaschen oder die unmittelbare Nutzung der Klärschlammverbrennungsaschen verpflichtend eingefordert.
LW: Wird es nach derzeitigem Diskussionsstand Ausnahmen vom künftigen Verbot der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung geben?
Speerschneider: In politischen Kreisen sind Tendenzen zu erkennen, die bodenbezogene Verwertung von Klärschlämmen aus Abwasserbehandlungsanlagen mit einer genehmigten Ausbaugröße von bis zu 50 000 Einwohnerwerten zu erlauben. Diese Entwicklung wäre ein Schritt in die richtige Richtung und ist sehr zu begrüßen. Dennoch besteht weiterhin seitens des VQSD die zentrale Forderung, die bodenbezogene Verwertung von qualitätsgesichertem Klärschlamm unabhängig von der Größe der Kläranlage zu erhalten. Eine fachliche Begründung aus den zuständigen Ministerien zu dem angenommenen Zusammenhang zwischen Kläranlagengröße und Schadstoffbelastungen im Klärschlamm gibt es nicht.
LW: Gibt es Bestrebungen, gegen einen Ausstieg gegebenenfalls mit Bezug auf europäisches Recht zu klagen?
Foto: Mohr
LW: Welchen Einfluss hat nach Ihrer Einschätzung das künftige Düngerecht auf die Verwertung von Klärschlamm?
Speerscneider: Nach der Novelle der Düngeverordnung wird eine landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm als Düngemittel auch weiterhin möglich sein. Die Zeitfenster zur Klärdüngung werden im Sommer aber kürzer, da die Sperrfrist auf den 1. Oktober vorgezogen werden soll. Ebenso wird es durch die Reduzierung der Stickstoffdüngung von jetzt 80/40 kg/ha Gesamt N/Ammonium-N auf 60/30 kg/ha Gesamt N/Amonium-N dazu kommen, dass weniger Dünger je ha ausgebracht werden dürfen. Dies wird dazu führen, dass im Sommer etwa 20 bis 25 Prozent mehr Fläche zur Ausbringung bereitgehalten werden muss, mit entsprechender Bodenprobenbevorratung und entsprechendem Lieferscheinverfahren. Somit muss im Sommer in kürzerer Zeit die gleiche Menge Klärdünger,auf mehr Fläche ausgebracht werden. Dies wird dazu führen, dass sich die Kosten für die Verwertung beziehungsweise Entsorgung von Klärdünger für die Kommunen und somit die Gebührenzahler erhöhen werden. Es wird wohl eine Verschiebung der Ausbringung vom Sommer in Richtung Frühjahr geben, da hier noch bis zu 170kg/ha Gesamt N ausgebracht werden dürfen, mit allen entsprechenden Risiken, was Bestandesdüngung, Verfügbarkeit von Ausbringtechnik und Witterungseinflüssen angeht.
LW: Gibt es nach Ihrer Einschätzung derzeit praktikable Verfahren – mit Blick auf Kosten, Klimarelevanz und Energieeinsatz – , um den zunehmend knappen Nährstoff Phosphor aus Klärschlämmen zurückzugewinnen? Welche Verfahren stehen künftig zur Verfügung?
Speerschneider: Den Phosphor aus vorhandenen Klärschlammaschen von Monoverbrennungsanlagen in Kombination mit Fällungsverfahren zurückzugewinnen, stellt derzeit den ökologisch und ökonomisch vertretbarsten Weg dar, um die P-Rückgewinnung signifikant zu steigern. Die Verfahren zum technischen P-Recycling sollten hierbei ausschließlich für belastete Klärschlämme weiterentwickelt und aufgebaut werden. Ziel der Rückgewinnung muss ein tatsächlich nutzbares Produkt, das heißt Düngemittel wie zum Beispiel Struvit, also Ammoniummagnesiumphosphat, sein. Da diese Verfahren mit hohen Investitionskosten verbunden sind, die letztlich über die Abwassergebühren finanziert werden müssten, sind sie kritisch zu bewerten.
Für die Zukunft sollte das Ziel die Kombination aus technischem und traditionellem (direkte landwirtschaftliche Klärschlammanwendung) Phosphor-Recycling darstellen, dies hätte zusätzlich positive Auswirkungen auf die Energiewende und Klimaschutzziele Deutschlands. In jedem Fall ist die landwirtschaftliche Verwertung das einzige Verfahren, das 100 Prozent Recycling alle Wertstoffe im Klärschlamm garantiert.
LW: Wie wird sich die Verfügbarkeit von hochwertigem Klärschlamm in den nächsten Jahren für die Landwirte darstellen?
Speerschneider: In den letzten Jahren ist eine steigende Tendenz der Verbrennungsraten für Klärschlamm zu verzeichnen. Im Umkehrschluss stehen diese den Landwirten zukünftig auch in geringerer Menge zur Verfügung. Grundsätzlich ist die Koexistenz aus energetischer und stofflicher Klärschlammverwertung in Deutschland aber möglich und sollte gefördert werden. Der Ausstieg als Alternative wird die klärschlammverwertenden Landwirte vor zusätzliche Probleme stellen. Sie müssen verstärkt auf mineralische Düngemittel zurückgreifen, da recycelter Phosphor mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen wird, ähnliches gilt für Mineral-Stickstoff. Der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit durch einen ausgeglichenen Humushaushalt, wie er durch Klärschlammdüngung gefördert wird, ist besonders in den vieharmen Regionen von Bedeutung. Der finanzielle Mehraufwand kann hier im Einzelfall durchaus rund 500 Euro/ha in drei Jahren betragen. Nicht zu vergessen ist, dass Landwirte häufig an der Logistik beteiligt sind. Durch die Übernahme von Transport, Streuen oder Einarbeitung können eigene Maschinen eingesetzt werden.
LW: Welche Rolle können nach Ihren Einschätzungen Qualitätssicherungssysteme in der zukünftigen landwirtschaftlichen Verwertung von Klärschlämmen und Klärschlammkomposten spielen?
Speerschneider: Viele Kommunen und Verwerter unterziehen sich schon heute den zusätzlichen Anforderungen und Kontrollen einer freiwilligen Qualitätssicherung, bundesweit etwa 25 Prozent aller bodenbezogen verwerteten Klärschlämme. Das ist ein deutlicher Beleg für den Willen, hochwertige Klärschlämme und Klärschlammkomposte weiterhin bodenbezogen zu verwerten. Wir als Verband haben festgestellt, dass durch Qualtitätssicherung die öffentliche Akzeptanz gefördert und Vertrauen geschaffen wird. Als Vorsitzender des VQSD sehe ich in der Qualitätssicherung ein Werkzeug, um die Schadstoffbelastung von Klärschlamm zu reduzieren und die Gewässerqualität nachhaltig zu verbessern. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn für solche Systeme eine echte Perspektive besteht, die über das Jahr 2025 hinaus Bestand hat.
Die Fragen stellte Cornelius Mohr – LW 30/2016