„Eine gewichtige Stimme meldet sich zu Wort“

Positionspapier des Aktionsbündnisses Ländlicher Raum

Die Initiatoren des Aktionsbündnisses Ländlicher Raum haben vergangene Woche ihr Positionspapier zur Bundestagswahl auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Kernthemen sind die Sicherung einer dauerhaften Perspektive im ländlichen Raum, der Erhalt von Eigentum und Boden als Produktionsfaktor und der Ausgleich von gesellschaftlichen Leistungen.

Die Vorstände der drei Initiatoren-Verbände des Aktionsbündnisses Ländlicher Raum von links: Michael Freiherr von der Tann, Präsident des Hessischen Waldbesitzerverbandes, HBV-Präsident Karsten Schmal, Philipp Victor Russell, Vorsitzender des Verbandes Familienbetriebe Land und Forst Hessen vor dem Neubau am Haus der Hessischen Landwirtschaft in Friedrichsdorf.

Foto: Büsse

„Wir drei sitzen hier stellvertretend für insgesamt 28 Organisationen, die sich vor drei Jahren anlässlich der Wahlen zum Hessischen Landtag zusammengeschlossen haben, um sich Gehör in der Politik zu verschaffen“, sagte der Präsident des Hessischen Bauernverbandes (HBV), Karsten Schmal. Die Resonanz auf das Aktionsbündnis, das durch den HBV-Präsidenten, den Präsidenten des Hessischen Waldbesitzerverbandes, Michael von der Tann, und den Vorsitzenden des Verbandes Familienbetriebe Land und Forst Hessen, Philipp Victor Russell, vertreten wurde, sei sowohl in den Verbänden als auch in der Politik sehr positiv gewesen. „Die Politik kam schnell auf uns zu. Man hat gemerkt, dass sich da eine gewichtige Stimme zu Wort gemeldet hat“, so Schmal.

Die Bemühungen des Landes Hessen zur Stärkung des ländlichen Raumes erkenne man an, betonte er, es bestehe aber weiterer Handlungsbedarf. Die Menschen in diesen Regionen erwarteten, stärker an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung teilzuhaben. Der ländliche Raum erbringe Leistungen für die Gesellschaft, wie zum Beispiel die Erzeugung von Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen oder die Förderung der Biodiversität. Es könne nicht sein, dass die Ballungszentren und Speckgürtel der Rhein-Main-Region weiterwachsen, während ländliche Regionen an Attraktivität verlieren.

Corona-bedingt habe das Arbeiten im Homeoffice zugenommen. Vielerorts fehlt laut Schmal aber die hierfür notwendige Netzabdeckung. Das bekommen auch die Landwirte zu spüren: „Die Landwirtschaft ist eine der innovativsten Branchen was die Digitalisierung angeht. Arbeitsplätze im ländlichen Raum werden dadurch attraktiver, Standortnachteile können ausgeglichen werden. Leider sind aber immer noch zahlreiche Betriebe nicht an schnelles Internet angeschlossen, das betrifft besonders die Aussiedlerhöfe“, sagte der HBV-Präsident. Aus dem DBV-Konjunkturparameter gehe hervor, dass 46 Prozent der befragten Landwirte über eine unzureichende Internetversorgung klagen. Eine zentrale Forderung des Positionspapiers ist demnach die flächendeckende Versorgung mit hochleistungsfähigem Internet.

Boden als Produktionsfaktor erhalten

Schmal erklärte den Pressevertretern die zentrale Bedeutung des Bodens als Produktionsfaktor aus landwirtschaftlicher Sicht. „Boden ist die Lebensgrundlage für die Landwirte. Jeder Quadratmeter Acker- oder Grünland, der versiegelt wird, ist für die Lebens- und Futtermittelproduktion unwiederbringlich verloren.“ Schon jetzt könne die Nahrungsmittelversorgung im Ballungsraum Rhein-Main allein aus heimischer Erzeugung längst nicht gesichert werden. Umso wichtiger sei es, in Hessen eine flächendeckende Landwirtschaft zu erhalten. Dafür muss nach dem Prinzip „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ gehandelt werden, um Baulücken innerorts zu schließen, bevor weitere landwirtschaftliche Nutzflächen versiegelt werden, erklärte der HBV-Präsident.

Schmal fordert von der Politik einen strukturpolitischen Ansatz, der alle Wirtschaftsbereiche umfasst, auch die vor- und nachgelagerten Bereiche müssten dadurch mitgenommen werden. Dazu gehört nach seinen Worten neben der Fachkräftesicherung, Bildungsangeboten, einer guten Infrastruktur, Nahversorgung und Gewerbestandorten auch der Bürokratieabbau und eine bessere Planungssicherheit für Investitionen, etwa in erneuerbare Energien oder Tierwohlmaßnahmen. Unternehmerische Freiräume seien unerlässlich für die Weiterentwicklung von landwirtschaftlichen Betrieben. „Stadt und Land sind aufeinander angewiesen. Politische Entscheidungsträger aus beiden Gebieten müssen aufeinander zugehen und gemeinsam an einem Konzept arbeiten, das für beide Seiten gut ist“, sagte Schmal.

Aktionsbündnis Ländlicher Raum

Das Aktionsbündnis Ländlicher Raum ist ein Zusammenschluss von mittlerweile 28 Organisationen, deren Mitglieder in den ländlichen Regionen Hessens leben und arbeiten. In Hessen leben im ländlichen Raum auf rund 80 Prozent der Landesfläche 2,5 Mio. Menschen. Zur Bundestagswahl am 26. September hat das Aktionsbündnis ein Positionspapier mit Kernforderungen an die Politik erarbeitet. Folgende Organisationen sind Teil des Bündnisses:

Arbeitsgemeinschaft für forstwirtschaftliche Leistungen Hessen, Arbeitsgemeinschaft Hessischer Wasserkraftwerke, Deutsche Säge- und Holzindustrie Bundesverband, Familienbetriebe Land und Forst Hessen, Hessische Akademie der Forschung und Planung im ländlichen Raum, Hessischer Bauernverband, Hessischer Braugerstenverein, Hessische Landjugend, Hessischer Städte- und Gemeindebund, Hessischer Waldbesitzerverband, Land- und Forstwirtschaftlicher Arbeitgeberverband für Hessen, Landesbeirat Holz Hessen, Landesverband der Berufsjäger Hessen, Landesverband Hessen für landwirtschaftliche Fortbildung, Landesverband der hessischen Imker, Landesjagdverband Hessen, Landseniorenverband Hessen, Maschinenring Hessen, Naturlandstiftung Hessen, Pferdesportverband Hessen, Rheingauer Weinbauverband, Saatbauverband West, Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Verband der Hessischen Apfelwein- und Fruchtsaftkeltereien, Verband Hessischer Fischer, Verband der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer in Hessen, Verband Wetterauer Zuckerrübenanbauer.

Nur der Holzverkauf bringt Einnahmen

In Hessen gibt es rund 894 000 Hektar Waldfläche, damit sind etwa 42 Prozent der Landesfläche bewaldet, erläuterte der Präsident der Hessischen Waldbesitzer, Michael von der Tann. Angaben des Waldbesitzerverbandes zufolge sind 36 Prozent des hessischen Waldes im Besitz von Körperschaften (Kommunen und Landkreise), etwa 25 Prozent in Privatbesitz. Von der Tann erläuterte, dass die 1 000 hessischen Forstbetriebe mit rund 4 000 festangestellten Mitarbeitern einen jährlichen Umsatz von 200 Mio. Euro machen.

Durch die Trockenjahre, Stürme und Schädlingsbefall seien den Waldbesitzern hohe Kosten für den Wiederaufbau entstanden, diese wurden auch vom Land gefördert, aber: „die Verkehrssicherung kostet sehr viel Geld und muss von den Waldbesitzern komplett alleine getragen werden“, so von der Tann. Die Waldbesitzer fordern vor allem die gerechte Entlohnung der Leistungen, die zusätzlich erbracht, aber nicht vergütet werden: „Der Wald hat eine Schutz- und Erholungsfunktion. Dazu stehen wir auch. Aber die Interessen der Allgemeinheit und die Belange der Waldbesitzer müssen besser in Einklang gebracht werden. Einnahmen werden nur über den Holzverkauf erzielt, andere Ökosystemleistungen, wie die Speicherung von CO2, werden nicht honoriert.“ Von der Tann bekräftigte außerdem die Forderung nach einem flächendeckenden Handynetz: „Das ist allein schon aus Sicherheitsgründen für Waldarbeiter unerlässlich. Kommt es zu einem Unfall, können Minuten entscheidend sein.“

Eigentum im ländlichen Raum stärken

Berufliche und unternehmerische Perspektiven im ländlichen Raum zu sichern, ist zentrales Anliegen des Verbandes Familienbetriebe Land und Forst Hessen, das erläuterte der Vorsitzende Philipp Victor Russell. „Eigentum motiviert Menschen zur Weiterentwicklung. Die Stärkung von privatem und unternehmerischem Eigentum zu sichern ist eine wichtige Maßnahme für den ländlichen Raum. Wer Eigentum hat, übernimmt Verantwortung dieses zu erhalten und zu schützen“, erklärte er. Dazu gehöre auch, die Steuerlast auf dieses Eigentum nicht noch weiter zu erhöhen. Eine Vermögenssteuer, wie sie derzeit von vielen Parteien gefordert werde, sei besonders in der Landwirtschaft kontraproduktiv: „Man darf das Eigentum nicht nach seinem vermeintlichen Wert besteuern. Der Boden, den ich als Landwirt besitze, wird zwar teurer, aber, wenn ich nicht verkaufe, sondern darauf wirtschaften will, bringt mir das keinen Vorteil. Es kann trotzdem sein, dass die Erträge diesen Wert gar nicht hergeben.“ Die klare Forderung an die Politik sei, die Wirtschaftskraft des ländlichen Raumes nicht durch eine unangemessene Steuerlast zu gefährden. Auch die Erbschaftssteuer zählt Russell dazu.

Die Bedeutung des Handwerks und die Sicherung von Arbeitsplätzen spielt für den Verband ebenfalls eine große Rolle. Bildung und Ausbildung müssten gefördert werden, denn berufliche Perspektiven seien ein wichtiges Element ländlicher Entwicklung. Unternehmertum müsse auch in diesen Regionen möglich gemacht werden. Für die dafür erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen müssten natürlich auch Flächen bereitgestellt werden. Russell sieht darin weniger ein Problem, als in der aus seiner Sicht fehlenden Sinnhaftigkeit der Ausgleichsmaßnahmen, die für neue Bauprojekte gefordert werden. „Ausgleichsmaßnahmen müssen in der Form geschaffen werden, dass Altgebäude oder brachliegende Flächen umgenutzt werden, anstatt neue Flächen zu versiegeln“, erklärte er. Ähnlich wie seine Vorredner bekräftigte Russell den Wunsch nach der Honorierung von Ökosystemdienstleistungen. „Wir Landwirte wollen nicht von Subventionen leben. Wir erbringen diese Leistungen seit Jahrzehnten bereits freiwillig. Es geht uns nicht um eine Förderung, sondern um eine angemessene Entlohnung. Hier fehlt leider oft die Differenzierung“, sagte Russell.

Die Interessen der Bewohner des ländlichen Raumes in der Bundespolitik zu vertreten werde aus Sicht des Verbands immer schwieriger. In ruralen Regionen seien oft wenige Bundestagsabgeordnete für ein sehr großes Gebiet zuständig, während in den Ballungszentren zahlreiche Abgeordnete die Interessen der Bürger vertreten. Das könne man gar nicht leisten, so Russell: „Der ländliche Raum darf dadurch nicht abgehängt werden.“ Die Forderung an die Politik lautet, das was den ländlichen Raum so lebenswert mache, den Zusammenhalt und das Verantwortungsbewusstsein der Menschen, gemeinsam wieder stärker nach vorne zu bringen. Das bekräftigten auch Schmal und von der Tann: „Es geht nur gemeinsam.“

kbü – LW 36/2021