Kann Glyphosat aus Waschmitteln entstehen?

Uni Tübingen mit neuer Untersuchung

Wie die Monatszeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“ berichtet, geht aus einer Untersuchung der Uni Tübingen hervor, dass ein beträchtlicher Teil des Glyphosats in der Umwelt aus einer ganz anderen Quelle stammen könnte als bisher vermutet. Die Daten deuteten darauf hin, dass es als Abbauprodukt von Wasserenthärtern entsteht.

Wasserenthärter in Waschmitteln sind wohl für einen großen Teil der Glyphosat-Funde in Gewässern verantwortlich.

Foto: imago/Niehoff

Waschmittel könnten für den größten Teil der Glyphosat-Umweltbelastung verantwortlich sein. Das jedenfalls geht aus einer Untersuchung hervor, bei der ein Team um die Umweltchemikerin Carolin Huhn von der Universität Tübingen Konzentrationen von Glyphosat und seinem Abbauprodukt AMPA in europäischen und US-amerikanischen Flüssen verglich.

Wie die Arbeitsgruppe in der noch nicht unabhängig geprüften Publikation auf dem Fachportal "Research Square" berichtet, passen in den USA die Daten gut zur Landwirtschaft als Quelle – in Europa dagegen überwiegend nicht. Vielmehr lege der zeitliche Verlauf der Konzentrationen eher Abwasser als Quelle nahe. Die Fachleute vermuten deswegen, dass das Glyphosat im Oberflächenwasser überwiegend aus chemisch verwandten Waschmittelzusätzen entsteht, den Aminomethylphosphonaten (AMP).

Ein weiterer Hinweis auf eine Quelle jenseits der Landwirtschaft ist, so heißt es, außerdem, dass die höchsten Konzentrationen der beiden Stoffe nicht mit denen anderer Agrarchemikalien zusammenfallen, sondern mit Konzentrationsspitzen von Medikamentenrückständen und Haushaltschemikalien, wie sie für Abwasser typisch sind.

Glyphosat in Flüssen ein Abbauprodukt?

Die Tübinger Forscher gehen davon aus, dass es im Abwasser einen Stoff gibt, aus dem Glyphosat und AMPA entstehen. Das Glyphosat in den Flüssen sei also selbst ein Abbauprodukt.

Das erkläre auch eine weitere Anomalie in den Daten: Das Verhältnis zwischen Glyphosat und seinem Abbauprodukt AMPA müsste eigentlich variieren, wenn es aus der Landwirtschaft in die Böden und Flüsse gelangen würde: Wenn der Regen die Substanzen rasch nach dem Ausbringen von den Feldern schwemmt, sollte mehr Glyphosat und weniger Abbauprodukt vorhanden sein; wenn die Chemikalien erst einige Zeit nach dem Ausbringen in den Gewässern landen, müsste sich das Mengenverhältnis ändern beziehungsweise umkehren. Die Wissenschaftler beobachteten jedoch konstante Verhältnisse.

Wasserenthärter unter Verdacht

Mit all diesen Indizien fiel der Verdacht auf Wasserenthärter, die Waschmitteln zugesetzt werden. In Europa verkaufte Waschmittel enthalten oft Amino­methylphosphonate. Diese binden Kalzium und Magnesium und verhindern dadurch Kalkablagerungen. Werden sie zersetzt, entsteht als Abbauprodukt ebenfalls AMPA. Glyphosat ist den Wasserenthärtern strukturell sehr ähnlich.

Glyphosat entsteht allerdings bei keinem bisher bekannten Prozess. Die Arbeitsgruppe von Huhn und ihrem Team stellt das nun in Frage. Die Anomalie würde zudem erklären, weshalb in Europa die bisherigen Maßnahmen, die Glyphosatbelastung zu reduzieren, so schlecht wirken. So ist das Herbizid zum Beispiel in Luxemburg seit 2021 komplett verboten – die Daten zeigen jedoch keinen dazu passenden Rückgang von Glyphosat im Oberflächenwasser.

Bakterien können Glyphosat herstellen

Auf welchem Weg Glyphosat nun genau entsteht, versuchen Huhn und ihr Team gerade aufzuklären. Sicher sei aber bereits, dass Glyphosat nicht in der Waschmaschine entsteht; der Unkrautvernichter müsse sich in der Kanalisation sowie in der Kläranlage bilden. Das Team hat frischen Klärschlamm mit Bakterien inkubiert und konnte zeigen, dass hierbei Glyphosat und AMPA entstehen können. Huhn vermutet zusätzlich zum mikrobiellen Abbau jedoch noch weitere Faktoren.

Bestätigen sich die Untersuchungs-Ergebnisse, müsse die Zulassung von Wasserenthärtern auf den Prüfstand. Eine Begutachtung der Publikation durch externe Experten für ein wissenschaftliches Journal läuft derzeit. Der ausführliche Artikel ist unter www.spektrum.de unter „Chemie“ zu finden.

LW  – LW 12/2024