Das Grünland verdient mehr Aufmerksamkeit

Rundgang zur aktuellen Grünland-Situation

In Nordhessen, rund um Wolfhagen und Korbach, liegt eine der ausgedehnten Grünlandregionen des Landes. Hier stellen Grünland- und Futterbauflächen eine wichtige Futtergrundlage für intensive Milchbetriebe dar. LW-Redakteur Karsten Becker hat Katharina David, Grünlandexpertin des LLH, auf einem Rundgang begleitet. Dabei zeigte sich die Vielfalt des Grünlandes in Abhängigkeit von Standort, Nutzung und Pflanzenbaumaßnahmen – aber auch aktuellen Witterungsumständen.

Der Betrieb Michel in Twistetal-Elleringhausen hat die Weidefläche für seine Kühe in diesem Frühjahr deutlich erweitert und damit mehrere Verbesserungen erreicht.

Foto: Becker

Katharina David ist seit zwei Jahren Grünlandberaterin am LLH in Korbach und für ganz Hessen zuständig. Ihrer Auffassung nach verdienen Grünlandflächen die gleiche Aufmerksamkeit wie Ackerschläge, was leider bei Gemischtbetrieben nicht immer der Fall beziehungsweise umsetzbar sei.

„Wenn man eine notwendige Maßnahme verpasst, kann das – wie im Ackerbau auch – gravierende Probleme nach sich ziehen“, betont sie und zeigt dies anhand der ersten Station der Rundfahrt in Diemelsee-Adorf: Der intensive, fünfschnittige Grünlandbestand auf 480 m üNN wies zum Ende des Winters einen enorm hohen Besatz mit Vogelmiere auf. „Hier hätte schon im letzten Jahr gegengesteuert werden müssen“, so die LLH-Expertin.

Vogelmiere-Problematik auf intensivem Grünland

Auf dieser Fläche wurden über die letzten Jahre die Lücken, die das weniger ausdauernde Welsche Weidelgras hinterlassen hat, durch Vogelmiere geschlossen. Diese bevorzugt nährstoffreiche Standorte und konnte sich auf dem durch Gülleeinsatz gut versorgten Standort durchsetzen.

Unter der Altnarbe und absterbender Vogelmiere keimt die Nachsaat mit deutschem Weidelgras.

Foto: Becker

„Eine komplette Neuanlage des 25 Hektar großen Schlages hätte zum Komplettausfall des 1. Schnittes geführt. Nach 2 futterknappen Jahren war dies keine Option, zumal insgesamt 50 ha (¼ der Silofläche) dringenden Behandlungsbedarf zeigte“, so David. Man habe sich entschlossen, mit 1,7 Liter Lodin (Wirkstoff Fluroxypyr, gegen Einjährige zweikeimblättrige Unkräuter, Wartezeit 5 Tage bei Schnitt, 3 bei Beweidung) einen Herbizideinsatz zu fahren und dann Mitte April 15 kg Deutsches Weidegras nachzusäen.

Die Nachsaat erfolgte wegen der vorherrschenden Trockenheit mit einer Vredo-Direktsaatmaschine. Diese öffnet den Boden mit Doppelscheiben und die Saat wird in den kleinen Schnitt abgelegt. Anschließend wird der Schlitz mit einer Walze geschlossen. So bekommt die Nachsaat Bodenkontakt und damit die nötige Feuchtigkeit, um aufzulaufen. Außerdem ist sie vor Frost und Vogelfraß geschützt. Nach der Aussaat hat es in der Region rund 35 Liter geregnet.

Termin für ersten Schnitt passt nicht immer optimal

„Mit dem Erfolg der Maßnahmen können wir zufrieden sein. Die Vogelmiere wurde deutlich geschädigt und wird von den Gräsern überwachsen. Die Nachsaat ist unten im Bestand bereits aufgelaufen“, freut sich die Beraterin. „Morgen soll hier der erste Schnitt erfolgen; eine Reifeprüfung hat 18 Prozent Rohfasergehalt ergeben.“

Im Gespräch mit Betriebsleiter Markus Bornemann empfahl David, den Herbizideinsatz und die Nachsaat im Herbst noch einmal mit der Qualitätsgrünlandmischung G 5 (Deutsches Weidelgras) zu wiederholen. Zum jetzt geplanten Schnitt (sonnige Tage, kalte Nächte) solle möglichst früh am Morgen mit dem Mähen begonnen werden, da sich hohe Zuckergehalte günstig auf den Silierprozess auswirken.

Katharina David im Beratungsgespräch zum bevorstehenden Grünlandschnitt bei Betriebsleiter Markus Bornemann in Diemelsee-Adorf.

Foto: Becker

„Um unsere etwa 200 Hektar Grünland zu silieren, brauchen wir drei Tage gutes Wetter“, begründete Bornemann den recht frühen Zeitpunkt für den ersten Schnitt. Für die kommende Woche sind Regen und ein den Eisheiligen entsprechender Temperatursturz vorausgesagt.

Rotkleereinsaat als Ökologische Vorrangfläche

Die Zweite Station befindet sich einige Kilometer weiter südwestlich in Waldeck-Höringhausen, wo der Betrieb Michel (Twistetal-Elleringhausen) eine Rotkleereinsaat als Ökologische Vorrangfläche (ÖVF) angelegt hat. „Solche Futterbauflächen stellen eine wichtige Proteinquelle für den Milchviehbetrieb dar“, so David. Der schwere Boden am Ortsrand sei für die Anlage einer ÖVF ideal und daher 2019 mit der ertragsstarken und ausdauernden Rotkleesorte Milvus bestellt worden.

Der Anbau von gelisteten stickstoffbindenden Pflanzen ist auf vom Gesetzgeber geforderten ÖVF möglich (Faktor 1,0), die Aussaat muss vor dem 15. Mai und die Schnittnutzung vor dem 31. August erfolgen, wobei keine weiteren Einschränkungen hinsichtlich der Nutzungshäufigkeit und Verwendung bestehen (z. B. Verfütterung, Substrat für Biogas). So kommt der Betrieb seinen Verpflichtungen nach und kann auf hochwertiges Eiweißfutter zurückgreifen.

Weidegang bringt etliche Vorteile

Beim Besuch des Betriebes Michel in Elleringhausen wird eine weitere wichtige Form der Grünlandnutzung in Augenschein genommen: Die Mähweide. Milchbauer Helmut Michel hat die Weidefläche für seine Kühe in diesem Frühjahr deutlich erweitert und damit mehrere Verbesserungen erreicht.

Helmut Michel hat zwischen den durch einen Weg getrennten Weideflächen eine Elektro-Viehschranke angelegt. Diese kann mit PKW oder Schlepper beim Durchfahren zur Seite gedrückt werden und verfügt über einen isolierten Handgriff für Fußgänger.

Foto: Becker

„Wir hatten auf der Weide direkt hinter dem Stall das Problem, dass sie zu klein und sehr schnell zertreten war. Außerdem hatten wir einen zu hohen Anteil Welsches Weidelgras auf unseren Flächen. Das samt vor dem ersten Schnitt aus und kann daher nur schwer reduziert werden. Durch den Weidegang können wir dem entgegenwirken. Außerdem kommt er dem Tierwohl entgegen, vermindert Klauenprobleme und senkt die Erntekosten. Allerdings muss man mit einer etwas geringeren Milchleistung rechnen.“ „Aber entscheidend ist ja, was auf dem Konto steht, und nicht, was im Milchtank liegt“, bemerkte Katharina David, die zu dieser Maßnahme geraten hatte.

Da die zusätzliche Weidefläche von der ursprünglichen durch einen Wirtschaftsweg getrennt wird, hat Michel jetzt dort eine Elektro-Viehschranke angelegt. Die schwenkbaren, elektrisch leitfähigen Stäbe werden über das Weidezaungerät betrieben, können mit PKW oder Schlepper beim Durchfahren zur Seite gedrückt werden und verfügen über einen isolierten Handgriff für Fußgänger. „So wollen wir Beschwerden von Wegbenutzern vorbeugen, die beim Umtreiben der Kühe eventuell Wartezeiten in Kauf nehmen müssten“, so Michel. Einen Zusatzeffekt hat der Weidegang auch insofern, dass er als Werbemaßnahme für die „Milchtankstelle“ am Betrieb fungiert.

Regelmäßige Reifeprüfungen

Frischmasse-Entnahme für die repräsentativen Reifeprüfungen.

Foto: Becker

Neben den Betriebs-Beratungen gehört auch die Beprobung drei nordhessischer Standorte, im Rahmen der LLH-Reifeprüfungen zum Aufgabenbereich der Grünland-Beraterin. Dazu nimmt sie wöchentlich Grünschnittproben von repräsentativen Flächen. Eine der Flächen befindet sich auf einem schwächeren, trockenen Standort (35 Bodenpunkte) und wird als Mähweide genutzt. „Die Fläche wird nur einmal pro Jahr gemäht, ansonsten nach dem ersten Schnitt beweidet. Die eingewanderte Trespe sollte durch eine frühe Beweidung zurückgedrängt werden“, so David. Die prägende Art ist hier mit 80 Prozent das Deutsche Weidelgras.

Der zweite Standort für die Reifeprüfung ist frischer (50 Bodenpunkte) und unterliegt ausschließlich einer Schnittnutzung. „Der Bestand ist naturgemäß etwas lückiger als bei einer Mähweide und muss daher auch intensiver nachgesät werden. Der Anteil an deutschem Weidelgras beträgt hier etwa 20 Prozent und der Wiesenfuchsschwanz hat 70 Prozent der Fläche inne, weshalb dieser Standort sieben bis zehn Tage früher erntereif sein wird.

Gut gelungene Futterbaufläche mit Rotklee-Reinsaat als ÖVF in Höringhausen.

Foto: Becker

Die Beprobung dieser repräsentativen Bestände aus ganz Hessen soll als Entscheidungshilfe für den optimalen Schnitttermin dienen. Die Inhaltsstoffe wie Rohfaser- oder Proteingehalt der Aufwuchsproben geben darüber Auskunft, wann der Zeitpunkt des ersten Schnittes anzustreben ist. „Es ist aber wichtig, die eigenen Bestände im Blick zu behalten, um den richtigen Schnittzeitpunkt zu ermitteln“, betont die Grünlandexpertin.

„Entscheidend für die Aussagekraft dieser Reifeprüfungen ist, wie sehr der untersuchte Bestand meinem eigenen ähnelt, und weniger ob er in meiner Region liegt, so die Beraterin. Daher sollen die Daten der Reifeprüfungen zukünftig durch aktuelle Bestandsbilder ergänzt werden. Diese Beprobungen findet wöchentlich statt und werden unter llh.hessen.de/pflanze/gruen... ständig aktualisiert.

KB – LW 20/2020