Auf höheren Stellenwert der Versorgungssicherheit gedrängt

57. Vollversammlung der LWK Rheinland-Pfalz

Die unterschiedlichen Standpunkte der Koalitionspartner im Landwirtschafts- und Umweltministerium wurden am Vortag der Abstimmung im Bundesrat dem Parlament der Winzer und Bauern verdeutlicht. Während Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt in ihrer Ansprache am Vormittag Unterstützung für die Nutzung der Ökologischen Vorrangflächen zusagte, sieht dies das Umweltministerium in Mainz, das von Staatssekretär Dr. Erwin Manz am Nachmittag vertreten wurde, ganz anders.

Auch BWV-Präsident Eberhard Hartelt sprach sich angesichts der kriegerischen Ereignisse in der Ukraine für einen Beitrag der deutschen Landwirte zur globalen Versorgungssicherheit aus. Dies könnte auf den Ökologischen Vorrangflächen geschehen sowie auf den ab 2023 geforderten 4 Prozent Stilllegungsflächen. Dabei sei ein effizienter Arten- und Klimaschutz inklusive. „Wir können viel mehr als Blühmischungen“, sagte Hartelt.

Foto: Setzepfand

Zahlreiche Mitglieder der Vollversammlung zeigten sich sehr erstaunt über die Positionen in der Bockenauer Schweiz-Halle. Dass sich die Landesregierung so uneinig zeigt, führte letztlich zur Enthaltung des Landes Rheinland-Pfalz in der Bundesratssitzung vergangenen Freitag, siehe Berichterstattung S. 5. Kammerpräsident Ökonomierat Norbert Schindler bat Schmitt darum, sich weiter für den uneingeschränkten Beitrag der Landwirte zur Versorgung mit Lebensmitteln einzusetzen.

Er skizzierte die Herausforderungen der kommenden Monate: neben den Auswirkungen des Krieges mit hohen Kosten für Dünge-, Pflanzenschutz- und sonstige Produktionsmitteln, seien auch die unsicheren Märkte zu nennen. Eine Herausforderung sei auch die neue GAP, über die eine Million Hektar Ackerfläche ab Januar 2023 aus der Nutzung genommen werde, allein durch die Stilllegung von 4 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland.

PV erst auf Dächer – Flächenfraß vermeiden

Darüber hinaus komme der tägliche Flächenverbrauch dazu, der nun mit der priorisierten Energiegewinnung noch steigen werde, befürchtet Schindler. „Wir sprechen uns dafür aus, dass zuerst Industriedächer und Hausdächer mit Photovoltaik (PV) bestückt werden bevor Ackerflächen verlorengehen“, sagte Schindler. Schmitt sprach sich auch dafür aus, versiegelte Industrie­brachen, Konversionsflächen und Straßenbe­gleit­flächen als priorisierte PV-Standorte zu nutzen.

„Werde noch dazu der tägliche Flächenverbrauch betrachtet, dann darf unter solchen Bedingungen die Nahrungsmittelproduktion auf ertragsstarken Standorten wie wir diese in der klimatischen Gunstlage Rheinland-Pfalz haben, nicht eingeschränkt werden“, forderte Schindler. Er sprach sich außerdem für den weiteren Einsatz von Glyphosat aus, da die hohen Energiekosten die mechanische Unkrautbekämpfung unrentabel werden lassen.

Zur Pflanzenschutzanwendungsverordnung in Schutzgebieten lobte Schindler die Ausnahmegenehmigung für den Obstbau und wies jedoch darauf hin, dass die dreijährige Genehmigung keinerlei Rechtssicherheit für die Betriebe bringe: „Diese Einschränkung kommt einer Enteignung gleich, sodass zu überlegt ist, ob dieser Sachverhalt vor Gericht geklärt werden sollte.“

Ein Thema, das die Landwirte und Winzer täglich bewegt, ist der zunehmende Verkehr auf den Wirtschaftswegen. Seit Corona werden die Wege von sehr vielen Radfahrern genutzt. Das Konfliktpotenzial sei nicht zu unterschätzen und es müsse zumindest eine gleichberechtigte Nutzung beim Ausweisen neuer Radwege vereinbart werden, bemerkte Schindler.

Europa muss näher zusammenrücken

Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt sieht in Fragen der Sicherheitspolitik die Landwirtschaft an bedeutender Stelle.

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Die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt nannte den russischen Angriff auf die Ukraine einen Angriff auf die Wertevorstellung der westlichen Welt. Europa müsse nun näher zusammenrücken. Mit Blick auf die Sicherung der heimischen Versorgung, forderte Schmitt, das technische Know-How zu nutzen, hierbei nannte sie Crispr CAS und den Pflanzenschutzmitteleinsatz.

Uwe Bißbort, Tierhalter aus der Südwestpfalz und Vorsitzender im Ausschuss Tierhaltung monierte die Rede Schmitts, in der kein einziges Mal die Tierhaltung erwähnt wurde. „Es wird immer mehr Ackerland in ökologisches Grünland umgewandelt. Dabei gibt es immer weniger Tiere in unserem Land. Die Gebühren für Fleischbeschau und die Abgaben bei der Tierseuchenkasse sind zu hoch. Das passt alles nicht mehr zusammen“, stellte er fest.

Der Staatssekretär im Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität, Dr. Erwin Manz sprach am Nachmittag zum Parlament der Bauern- und Winzer in Rheinland-Pfalz. Er verdeutlichte, dass zwar die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine schmerzen, gleichwohl gelte es weiter gegen Klimawandel und Artensterben anzugehen.

Nicht auf alte Rezepte zurückgreifen

„Wir dürfen jetzt nicht auf Rezepte aus der Vergangenheit zurückgreifen, sondern müssen nach vorne schauen und retten, was zu retten ist: unsere Lebensgrundlage“, argumentierte Manz. Die Forderung nach einem Aussetzen der Düngeeinschränkungen sei mit Blick auf den Krieg kontraproduktiv. Es sei bei der teuren Herstellung von Düngemitteln aus importiertem Erdgas und angesichts der Nitratproblematik . Für problematisch hält er auch, Hilfslieferungen in die Südliche Hemispäre, sondern diese selbst in die Lage versetzen, zu säen und zu ernten.

Hinsichtlich der Ernährungssicherheit ist Manz überzeugt, dass die Lebensmittelverschwendung ein viel größeres Problem darstelle als die beklagte Flächenstilllegung. Manz bekräftigte: „Wenn wir die ökologischen Flächen nun wieder anbauen, dann ist das ein K.o. für unsere Arten. Der Flächenverbrauch muss dringend eingedämmt werden, auch im Hinblick auf das Artensterben. Wir brauchen eine resiliente und anpassungsfähige Landwirtschaft. Dabei hilft der Ausbau der ökologischen Landwirtschaft. Jeder neunte Betrieb arbeitet mittlerweile ökologisch.“

Dabei betonte der Grünen-Politiker, dass „diese Generation die Pflicht hat, Klimaneutralität zu erreichen“ und dass Landwirtschaft und Naturschutz enger kooperieren müssten. Dass es hierfür bereits gute Beispiele gebe wie die Kooperativen und den Schulterschluss Artenvielfalt, das lobte Manz ausdrücklich. Er nannte Stichworte wie die regionale Versorgung mit kurzen Lieferketten, den ökologischen Anbau, den Hochwasserschutz, Treibhausgasneutralität, Gewässerschutz und die Tiergesundheit als Handlungsfelder in den kommenden Monaten. Außerdem kündigte Manz an, dass es bei der Tierseuchenkasse eine Kostenübernahme vom Land geben werde.

Beim Thema Düngeverordnung sei klar, dass sich mit dem Nachmelden von weiteren 120 Messstellen bis Ende 2024 in Rheinland-Pfalz die Gebietskulisse der Roten Gebiete ausweiten werde. Wahrscheinlich sei mit rund 30 Prozent an Roten Gebieten in Rheinland-Pfalz zu rechnen, schätzte Manz. Seit 1. Januar 2021 sind 23 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche als Rote Gebiete ausgewiesen.

Schindler nannte die Kammer für die einzelbetriebliche Beratung der Landwirte, Winzer, Gärtner und Forstleute die führende Beratungsorganisation im Land. Besonders im Bereich der Einkommensalternativen habe die Kammer in weiteres Personal investiert. Schindler bekräftigte die Bereitschaft der Kammer, weitere Beratungsaufgaben zu übernehmen so im Bereich Klimaschutz. Doch müsse dafür erst die Finanzierung stehen.

Mehr Abstimmungsbedarf zwischen Kammer und Land

Mit der Goldenen Kammermedaille wurde Prinz Michael zu Salm-Salm vom Kammerpräsident Ökonomierat Norbert Schindler für sein langjähriges Engagement für die Waldbesitzer im Land geehrt.

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Er wies darauf hin, dass im Rahmen der Investitionsförderung die Innovationskraft, die Wirtschaftlichkeit, die Nachhaltigkeit und der Umweltschutz in den Betrieben gefördert werden soll.

Doch gebe es noch kein geeignetes Werkzeug vom Land, das Anwendung finden könnte. Die Kammer fordert daher, eine dringend notwendige Anpassung der Verwaltungsvorschriften und Erlasse. Es wurde die Einrichtung einer ständigen Arbeitsgruppe mit Beteiligung des Berufsstandes zur stetigen Rückmeldung über die Umsetzbarkeit von Verwaltungsvorschriften und Förderrichtlinien vorgeschlagen.

Kammerbeitrag von 113 auf 123 Prozent erhöht

Die Investitionen in die Beratung finden sich auch im Haushalt wieder, der von Kammerdirektor Dr. Markus Heil vorgestellt wurde. Schwierigkeiten gebe es bei den Kalkulationen für den Bau des neuen Dienstsitzes in Bekond, der ursprünglich mit den staatlichen Förderungen geplant wurde, die jedoch von Wirtschaftsminister Robert Habeck drastisch zusammengestrichen wurden. „Hier geht es der Kammer wie vielen Bauherren, die sich angesichts der fehlenden Förderung mit deutlich höheren Kosten konfrontiert sehen“, erklärte Schindler.

Die Versammlung nahm den von Heil vorbereiteten Entwurf, der ein Volumen von rund 28,6 Mio. Euro vorsieht, einstimmig an. Ebenso beschlossen die Vollversammlungsmitglieder eine Erhöhung des Kammerbeitrages. Der Hebesatz steigt von 113 auf 123 Prozent, was Mehreinnahmen von knapp 600 000 Euro entspricht. Die Erhöhung tritt 2023 in Kraft. „Das war notwendig geworden, weil wir bei der Erfüllung unserer Aufgaben mit stets steigenden Kosten konfrontiert werden und keine Rücklagen mehr haben, die die Mehrkosten decken könnten“, erklärte Heil. Die Abstimmung erfolgte einstimmig und ohne Diskussion.

Beim Tagesordnungspunkt „Ehrungen“ standen zwei verdiente Persönlichkeiten der Landwirtschaft im Mittelpunkt: Michael Prinz zu Salm-Salm erhielt für seine langjährigen Verdienste die Große Goldene Kammermedaille. Der Geehrte ist seit 1987 Mitglied der Vollversammlung und vor allem im Forstausschuss engagiert. Kammerpräsident Ökonomierat Norbert Schindler würdigte die Verdienste des Wallhäuser Winzers und Waldbesitzers auf regionaler und nationaler Ebene wie im Waldbesitzerverband Rheinland-Pfalz sowie als Präsident in der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzer. Ebenfalls geehrt wurde Ökolandwirt Regino Esch aus der Eifel. Er erhielt die Große Silberne Kammermedaille und wurde für seine innovativen Ideen rund um Landwirtschaft und Kultur gewürdigt.

zep – LW 15/2022