Mit Innovationen die Krisen unserer Zeit meistern

29. WeinMarketingtag Rheinland-Pfalz

Nach zwei digitalen Veranstaltungen fand der 29. WeinMarketingtag Rheinland-Pfalz vom Kompetenzzentrum Weinmarkt und Weinmarketing RLP wieder in Präsenz am DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Oppenheim statt.

Verbindung von Lehre und Praxis: Beim WeinMarketingtag stellten Experten Fakten und Zahlen zu Trendthemen vor. Referenten aus der Praxis ergänzten eigene Erfahrungen.

Foto: Isabell Spieß

Unter dem Motto „Neu und Nachhaltig!? – Innovative Ideen für das Weinmarketing“ stellten Experten zu den Themen Weinautomaten, Zukunftsweine, alkoholfreie Weine und Naturweintrends aktuelle Zahlen und Fakten vor. Personen aus der Praxis gaben dazu ihre eigenen Erfahrungen zu den Themen an die Teilnehmer weiter. Zudem hatten die Winzer die passenden Weine im Gepäck, die die Teilnehmer im Anschluss der Veranstaltung verkosten konnten.

Innovationen und Megatrends

Bernd Wechsler, Leiter des Kompetenzzentrums, machte auf die herausfordernden Zeiten aufmerksam. Eine Inflationsrate von rund 10 Prozent und eine steigende Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebsmittel zwinge die Winzer auch die Weinpreise um durchschnittlich 7,6 Prozent zu erhöhen, was „Gift für den Konsum“ sei.

„Innovative Betriebe kommen besser durch Krisen“, betonte der Marketingexperte. Hinsichtlich der Innovationen könne man sich wie die Themen in den Vorträgen an den Megatrends Nachhaltigkeit, Gesundheit und bewusste Ernährung orientieren.

Weinautomaten für „scheue Rehe“

Derzeit stehen geschätzt rund 150 bis 180 Weinautomaten in Deutschland, berichtete Alina Matheus vom Kompetenzzentrum. Sie stellte die ersten Ergebnisse ihrer Umfrage vor, die darauf abzielt herauszufinden, warum diese Automaten so erfolgreich sind. Nur rund 7 Prozent der Teilnehmer hatten bereits vor der Corona-Pandemie einen Weinautomaten. „Der Standort ist ein entscheidender Faktor, der Einfluss auf den Erfolg hat“, machte Matheus deutlich. Vor allem direkt am Betrieb oder an einer Hauptverkehrsstraße seien diese aufgestellt. Daneben sei auch der Rund-um-die-Uhr-Verkauf ein Erfolgsfaktor. „Bei der Hälfte wurden die Erwartungen übertroffen. Es lohnt sich also einen Weinautomaten anzuschaffen, wenn man die Erfolgsfaktoren beachtet“, stellte Matheus anhand der Umfrage fest. Zudem appellierte sie an die Teilnehmer sicherzustellen, dass der Jugendschutz gewährleistet sei. Die Ergebnisse der Studie gibt es demnächst auch in DAS DEUTSCHE WEINMAGAZIN zu lesen.

Als Best-Practice-Beispiel berichtete Karen Michel vom Cisterzienser Weingut in Dittelsheim-Heßloch von ihren Erfahrungen mit ihrem Weinautomaten C-Cube (mehr zum C-Cube in DWM 10/2022). Der Betrieb legt den Fokus dabei auf Wein und ergänzt das Automaten-Sortiment beispielsweise mit Snacks, Gerichten für die Mittagspause oder saisonalen Produkten von regionalen Erzeugern. Neu sei für Michel gewesen, dass der Weinautomat-Kunde etwa ein bis zwei Flaschen liebliche Weine aus dem sonst trockenen Sortiment nehme. Zudem sei er ein „scheues Reh“, der den Kontakt vermeide und sich auch nicht beschwere, falls etwas nicht funktioniere.

Das Projekt „Zukunftsweine“ stellten Dr. Eva Vollmer (Eva Vollmer Weine, Mainz-Ebersheim) und Johannes Schiebe (Markenagentur SchiebeZimmer, Mainz) vor. Bei der Bewegung möchten über 20 bereits teilnehmende Winzer gemeinsam mit der Markenagentur das Thema pilzwiderstandsfähige Rebsorten groß und so den Weinbau nachhaltiger machen. Vollmer und Schiebe machten auf die aktuelle Problematik mit dem Green Deal und der noch geringen Piwi-Fläche von 3 Prozent aufmerksam. Vollmer berichtete von ihren Erfahrungen mit den neuen Sorten: „Von der Basis bis Lagenwein und Spielereien können Piwis alles bedienen.“ Eva Vollmer pflanze in ihrem Betrieb nur noch Zukunftsreben nach, hat aber nach wie vor traditionelle Sorten im Anbau. Sie schlug vor anstelle von Kerner oder Bacchus, Piwis für Seccos oder Cuvées zu nehmen. Im Zukunftsweine-Projekt seien alle willkommen – egal ob biologisch oder konventionell arbeitend.

Trendthemen alkoholfrei und Naturwein

Zum Thema „Alkoholfreier Wein“ hatte das Kompetenzzentrum Clemens Gerke vom Magazin „Weinwirtschaft“ eingeladen. Er berichtete von Verkostungen, bei denen manche Weine zwar immer noch einen „Entalkoholisierungston“ hätten, aber qualitativ deutlich besser als noch vor ein paar Jahren seien. Besser schnitten vor allem entalkoholisierte Sauvignon blancs sowie Perl- und Schaumweine ab, die sich aufgrund der Kohlensäure leichter täten. „Der größte Fehler ist, alkoholfreien Wein als Abfallprodukt zu betrachten“, betonte Gerke und appelliert an die Winzer, einen sehr guten Grundwein zu nehmen. „Ich bin sicher, dass alkoholfreier Wein uns nachhaltig erhalten bleibt“, sagte Gerke abschließend.

Christian Nett stellte auf der diesjährigen ProWein seine ersten vier entalkoholsierten Weine aus Riesling, Weißburgunder oder Sauvignon blanc vor. Seitdem habe er sehr gute, positive Rückmeldungen bekommen. „Alkoholfrei bringt uns neue Kunden von alleine“, erzählte Nett. Dies sei vor allem jetzt in schwierigen Zeiten mit Kaufzurückhaltung der Konsumenten hilfreich, so der Winzer. Auch immer mehr Gastronomen kauften die Produkte für ihre alkoholfreie Weinbegleitung. Bewährt hätten sich Grundweine mit Restzucker um 20 g/L und solche, die auch nach einem Jahr reifen aromatisch seien. Alkoholfreier Wein sei eine eigene

Kategorie, unterstrich Nett. „Wahnsinnig viel Bewegung“ gebe es auch bei Naturweinen, so Bernd Wechsler. Zu diesem Thema erzählte Jonas Seckinger vom Weingut Seckinger in Niederkirchen seinen Weg zu Naturweinen. 2012 begann der Betrieb mit 1 ha Garagenweingut, mittlerweile bewirtschaften sie 30 ha und bauen vor allem Naturweine aus. Er habe im Familienbetrieb über die Jahre gemerkt, dass ihnen unfiltrierte und wenig geschwefelte Weine mehr Spaß bereiteten. Speziell im Export und Fachhandel habe er dafür Abnehmer gefunden.

isp – LW 47/2022