Ohne Jagdvorstand handlungsunfähig

Im Notfall übernimmt der Bürgermeister die Aufgaben

Ende Februar fand das Seminar der Fachgruppe Jagdgenossenschaft (FGJG) im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd (BWV) in St. Martin statt. Die Teilnehmer setzten sich insbesondere mit den Aufgaben des Jagdvorstandes, dem neuen Landesnaturschutzgesetz und der Wildschadensschätzung auseinander. Uwe Bißbort, Vorsitzender der FGJG, konnte zahlreiche Jagdgenossen und Eigenjagdbesitzer begrüßen. Schon während einer kurzen Vorstellungsrunde wurde deutlich, dass es im Hinblick auf die Aufgaben des Jagdvorstandes noch viele offene Fragen rund um die Aufgabenwahrnehmung gibt. Diese beantwortete Rechtsanwältin Frauke Mundanjohl von der FGJG in ihrem anschließenden Vortrag zu dieser Thematik.

Bei wiederholten Wildschäden muss der Landwirt vorbeugende Maßnahmen ergreifen, zum Beispiel Jagdschneiden einrichten.

Foto: Setzepfand

Sie hob die enorme Bedeutung des Jagdvorstandes für die Jagdgenossenschaft hervor, da ohne ihn die Jagdgenossenschaft nicht handlungsfähig sei. So bereitet der Jagdvorstand nicht nur die Beschlüsse der Genossenschaftsversammlung vor, sondern ist auch für deren Umsetzung zuständig. Somit hänge es von seinem Handeln ab, damit es überhaupt zu wirksamen Beschlüssen der Genossenschaftsversammlung kommen kann.

Solange noch kein Jagdvorstand gewählt ist, übernimmt der Bürgermeister der Gemeinde, im Rahmen der Organleihe, als sogenannter Notjagdvorstand die Aufgaben der Jagdgenossenschaft. Er hat die gleiche Vertretungsbefugnis wie ein gewählter Jagdvorstand, aber längstens nur für sechs Monate. Er ist verpflichtet unverzüglich eine Genossenschaftsversammlung zur Wahl eines Jagdvorstandes einzuberufen. In fünf Wahlgängen werden die fünf Mitglieder des Jagdvorstandes gewählt: Vorsteher, zwei Beisitzer und zwei Stellvertreter der Beisitzer. Der Jagdvorstand wird für fünf Jahre gewählt und vertritt die Jagdgenossenschaft außergerichtlich und gerichtlich.

Die Vertretungsbefugnis kann nach außen nicht eingeschränkt werden. Zu beachten ist vor allem, dass der Jagdvorstand ein Kollegialorgan ist, das heißt es müssen immer drei Mitglieder – in der Regel der Vorsteher und die beiden Beisitzer – handeln und die Verträge unterschreiben. Wird beispielsweise der Jagdpachtvertrag nicht von drei Mitgliedern des Vorstandes unterzeichnet, so ist dieser nicht wirksam geschlossen.

Zu den vielfältigen Aufgaben des Jagdvorstandes gehört die Führung des Jagdkatasters. Für eine ordnungsgemäße Vorbereitung der Genossenschaftsversammlung ist ein aktuelles Jagdkataster unerlässlich zur Feststellung der doppelten Mehrheit (Stimmen- und Flächenmehrheit) bei der Beschlussfassung. Die Jagdgenossen sind verpflichtet, dem Jagdvorstand die Änderungen über die Eigentumsrechte an den Grundstücken mitzuteilen.

Jagdvorstand regelt auch Abschussvereinbarungen

Verantwortlich ist der Jagdvorstand auch für die Abschussvereinbarungen. Nach einer gemeinsamen Begehung mit dem Jagdpächter und den Jagdgenossen, die wesentliche Wildschäden zu verzeichnen haben, legen Jagdvorstand und Jagdpächter die Abschusszahlen fest. Die ausgefüllten Formulare sollen spätestens am 15. März eines jeden Jahres durch den Jagdpächter bei der unteren Jagdbehörde eingereicht werden. Bei den Hegegemeinschaften muss auch eine Zustimmung oder eine Stellungnahme zu den Teilabschussplänen erteilt werden.

Bezüglich der finanziellen Angelegenheiten der Jagdgenossenschaft hat der Jagdvorstand einen Haushaltsplan aufzustellen und die Jahresrechnung vorzulegen. Weiterhin muss er auch den Reinertrag berechnen. Definiert wird der Reinertrag als alle geldwerten Leistungen, die der Jagdgenossenschaft aufgrund vertraglicher Vereinbarung zufließen, nach Abzug der mit der Erzielung des Ertrags notwendig verbundenen Aufwendungen. Demzufolge zählen zu den Einnahmen die Jagdpacht sowie alle vertraglichen Sonderleistungen, die einen Geldwert haben. Zu den damit notwendig verbundenen Aufwendungen zählen auch die Kosten der Aktualisierung des Jagdkatasters, Verwaltungskosten, Mitgliedsbeitrag für die Verbände der Jagdgenossenschaften sowie die Kosten des Wildschadensersatzes. Die bejagbare Fläche der Jagdgenossen ist der Aufteilungsmaßstab für jeden einzelnen Jagdgenossen. Der Auskehranspruch eines Jagdgenossen entsteht jedes Jahr neu, rückwirkend für das abgelaufene Jagdjahr (1. April bis 31. März). Liegt kein Beschluss der Genossenschaftsversammlung über die Verwendung des Reinertrages vor, so verjährt der Auskehranspruch des Jagdgenossen nach der Verjährungsfrist, das ist nach drei Jahre. Wurde ein Beschluss zur Verwendung des Reinertrages gefasst und hat der Jagdgenosse dem nicht zugestimmt, so muss er diesen Anspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Beschlusses geltend machen.

Dem Jagdvorsteher obliegt es darüber hinaus die Genossenschaftsversammlung einzuberufen, zu eröffnen, zu leiten und zu schließen, die Bekanntmachungen vorzunehmen sowie Satzungen und Jagdkataster zur Einsicht der Jagdgenossen auszulegen.

 

Jagdkataster wird von Jagdvorsteher ausgelegt

Abschließend ging Mundanjohl noch auf die Haftung des Jagdvorstandes ein. Der Jagdvorstand ist ein öffentliches Amt, sodass die Grundsätze der Amtshaftung anwendbar sind und nur für eine schuldhafte Pflichtverletzung gehaftet wird.

Als Gastredner begrüßte die Fachgruppe Jagdgenossen Gundolf Schrenk, Referatsleiter und stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung Naturschutz und nachhaltige Entwicklung im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten. Er stellte den Seminarteilnehmern das neue Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG) vor. Ein neues Landesnaturschutzgesetz sei notwendig geworden, um das Landesrecht an das Bundesrecht anzupassen und zusätzlich Akzente in Rheinland-Pfalz zu setzen. Durch das LNatSchG werde die dauerhafte Sicherung der biologischen Vielfalt, des Naturhaushalts und der Landschaft ergänzend zum Bundesnaturschutzgesetz und dem Europäischen Naturschutzrecht geregelt. Es diene darüber hinaus der Rechtsklarheit und der Vollzugsfreundlichkeit der Regelungen.

LNatSchG ermöglicht Ökokonten für Kompensation

Ein Schwerpunkt des LNatSchG ist die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft. Landwirte seien dabei doppelt betroffen. Zum einen gehe Fläche durch die eigentlichen Eingriffe, wie durch Straßenbau, verloren, zum anderen führten die anschließenden Kompensationsmaßnahmen zu zusätzlichem Flächenverlust. Zwar dürfen Eingriffe in geschützte Gebiete und im Naturraum nur stattfinden, wenn Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorgenommen werden. Durch die verschiedenen Regelungen kam es allerdings vor, dass zu gleichen Eingriffen unterschiedlichste Kompensationsmaßnahmen getroffen wurden. Dies wurde durch das LNatSchG behoben.

Es wurden sogenannte Ökokonten geschaffen, bei denen die Ausgangssituation festgehalten und die Maßnahme zur Aufwertung dagegen aufgerechnet werde. Ist keine Ausgleichs-/Ersatzmaßnahme möglich, so komme es zu Ersatzzahlungen. Dieses Geld ist zweckgebunden für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Zukünftig sollen dabei produktionsintegrierte Maßnahmen und die naturschutzfachliche Aufwertung von Flächen vorrangig herangezogen werden. Unter Einbeziehung der Grundstückseigentümer sollen verschiedene Wiesenarten neu angelegt werden. Hierfür würden entsprechende Kataster für das gesamte Bundesland erstellt. Diese werden beim Landschaftsinformationssystem der Naturschutzverwaltung (LANIS) im Internet eingestellt.

Zwar enthält das neue LNat-SchG Vorgaben, die eine Verschärfung gegenüber der bisherigen Gesetzeslage darstellen. Aber innerhalb des Gesetzgebungsprozesses konnten durch den Einsatz des BWV einige Regelungen gegenüber dem ersten Entwurf des LNatSchG deutlich entschärft und im Sinne der Landwirtschaft angepasst werden.

Eine gütliche Einigung der Beteiligten ist das Ziel

Den letzten Teil des Seminars „Praktische Tipps zur Wildschadensschätzung“ übernahm der öffentlich bestellte Sachverständige der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Gerhard Risser. Anhand von zahlreichen Bildern aus der Praxis stellte er den Anwesenden seine Vorgehensweise bei der Wildschadensschätzung vor. Die Wildschäden durch Schwarzwild haben in den letzten Jahren durch steigenden Bestand erheblich zugenommen. Gute Sachverständige würden an den Schäden oder den Fußtritten erkennen, welche Tierart den Schaden verursacht hat. Im Getreide sei aber eine Schätzung abhängig von der Sorte leichter oder schwerer. Weizenschäden seien sehr gut zu schätzen, während sich die Schätzung beim Raps schon problematischer darstelle.

Bei Vorliegen eines Wildschadens sei laut Risser immer eine gütliche Einigung zwischen den Beteiligten anzustreben, denn oftmals würden die Prozesskosten eines gerichtlichen Verfahrens den Wildschaden übersteigen.

Die veröffentlichten Richtwerte der Landwirtschaftskammer können bei der Schätzung des Wildschadens nur als Anhaltspunkt herangezogen werden. Für den Wildschadensschätzer ist die Düngung der Fläche ein ausschlaggebendes Kriterium, denn so könne der zu erwartende Ertrag besser geschätzt werden. Auch der Liefervertrag des geschädigten Landwirts ist dabei zu berücksichtigen. Auf Flächen, auf denen bereits mehrmals Wildschäden festgestellt wurden, müssen auch vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden. Wenn der Landwirt solche Maßnahmen nicht zulässt, muss er sich gemäß § 254 BGB ein Mitverschulden anrechnen lassen, das heißt er bekommt nicht den vollen Wildschaden ersetzt. So ist es ratsam, in Maisfeldern Schussschneisen anzulegen.

Frauke Mundanjohl – LW 14/2016