Der Kartoffel-Zyklus hat es in sich

Ernte in Teilmengen über mehrere Systeme absichern

Der Kartoffelmarkt gehört zu den volatilsten auf den Agrarmärkten. Würden sich bei Getreide oder Raps die Erzeugerpreise binnen eines Jahres verdoppeln oder halbieren, wäre von Verwerfun­gen am Markt die Rede. Im Kartoffelgeschäft ist diese Situation keine Seltenheit. Anbauer wissen, dass hier sanfte Bewegungen der Erzeugerpreise von einer Saison auf die andere eher unüblich sind. Hans Jürgen Hölzmann von der Unternehmensberatung Ackerbau der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, schlägt Modelle vor, wie Preisausschläge zwischen den Jahren abgefedert werden können.

Legt sich der Anbauer mit dem Minimum-Maximum-Vertragsmodell fest, sind Menge, Liefertermin und Qualitäten fixiert. Für eine stabile Betriebs­führung raten Experten, mehrere Vermarktungsinstrumente mit Teilmengen zu nutzen und rund ein Drittel am Kassamarkt zu verkaufen.

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Mit der Volatilität richtig umzugehen, stellt für den Betrieb eine große Herausforderung dar. Brauchbare Vermarktungsinstrumente dazu sind willkommen. Schaut man sich den Preiszyklus mit Phasen höherer oder niedrigerer Preise, die meistens über das ganze Erntejahr anhalten, langfristig an, zeigt sich, dass es keine Regelmäßigkeit des Zyklus gibt, wann Jahre mit niedrigeren oder höheren Preisen voraussichtlich auftreten.

Preissprünge beruhen teils auf Witterungsextreme

Gegenüber vor circa zwanzig Jahren haben die Preisausschläge zu­genommen, was auf die zunehmenden Witterungsextreme und weniger auf Veränderungen im Anbauumfang von Jahr zu Jahr oder in der Absatzmenge zurückzuführen ist. Wie man erkennen kann, sind die Preise für Vertragskartoffeln in den einzelnen Jahren sehr unterschiedlich, Erzeugerpreise mit zum Teil unter 5 Euro/dt wechseln sich mit hohen Preisen über 20 Euro/dt ab. Die Vertragspreise für die späten Lagersorten bewegten sich in den verschiedenen Jahren und im Zeitraum von November bis Ende Mai zwischen 9 und 14 Eu­ro/dt. Zu sehen ist auch, dass „hochpreisige Jahre“ in der Regel vom Anfang bis zum Ende der Vermarktungssaison hochpreisig bleiben, genauso wie ein schwaches Preisniveau eine ganze Saison anhält. Die Konditionen in Deutschland ähneln dem Durchschnitt der vier Potato-Index-Länder. Zu sehen ist, dass sich höherpreisige und schwäche­re Jahre die Waage halten. Interessant ist auch, dass der Erzeugerpreisdurchschnitt der Jahre sich zwischen 3,10 Euro/dt zur Ernte 2014 sowie 24,30 Euro/dt zwei Jahre zuvor (Ernte 2012) bewegte. Das ist Volatilität pur. Der Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2016 lag bei 13,70 Euro/dt.

Wie der Anbauer seine Ernte vermarktet

Kartoffeln anbauende Betriebe sind häufig schon seit Generationen in diesem Geschäft tätig. Aber jedes Jahr kommen auch neue Anbauer aus Regionen mit bisher wenig oder keinem Kartoffelanbau hinzu. Während der Anbau von Speise-, Stärke- und Futterkartoffeln von der Fläche her rückläufig ist, nimmt die Fläche für Veredlungskartoffeln, die unter anderem für die Herstellung von Pommes frites, Chips oder Klößen angebaut werden, zu. Die heimischen Fabriken haben in den letzten Jahren weltweit Marktanteile dazu gewonnen, was aber dazu führt, dass die westeuropäischen Veredlungsfabriken sehr exportabhängig sind. Fabriken, die überwiegend an den Lebensmitteleinzelhandel vermarkten, bevorzugen meist Festpreisverträge mit dem Handel oder dem Anbauer, um ihrerseits besser die Preise kalkulieren zu können. Die Verarbeiter verkaufen nicht alles, sondern nur einen Teil im Voraus, um Spielraum für freie Ware zu haben, damit sie flexibel auf Ange­bot und Nachfrage reagieren können. So existiert neben den Festpreisverträgen auch ein freier Markt, auf dem die Terminmarktnotierungen eine immer stärkere Bedeutung für die Spotnotierungen, aber auch für terminmarktabhängige Preisfindungsmodelle erlangen. Eine Nische bei den verschiedenen Vermarktungsmöglichkeiten auf dem Kassamarkt sind immer noch die Min-/Max-Verträge, die feste Mengen-Bindungen beinhalten, wobei aber die Preisfindung innerhalb einer gewissen Spanne flexibel bleibt und dem freien Markt angepasst erfolgt.

Mengen, Liefertermine und Qualitäten werden fixiert

Aus der Sicht des Anbauers, aber auch aus der Sicht des Verarbeiters wäre es durchaus interessant, diese Nische auszubauen, um an Vorteilen des freien Mark­tes zu partizipieren, anderseits dessen Risiken zu begrenzen. Min-/Max-Verträge sind vielfältig gestaltet. Es gibt sie mit den verschiedensten Preisfindungsmodellen, oftmals fehlt es den Anbauern aber an der notwendigen Transparenz, das heißt es gibt keine objektive Preisbasis. Die bisher bekannten Verträge haben eines gemeinsam: Es werden Mengen, Liefertermine und Qualitäten ähnlich wie in den Festpreisverträgen fixiert. Die Preisbasis orientiert sich vielfach an Lieferschwerpunkten, wie Häfen oder an einer regionalen Marktdatenerhebung. In den letzten Jahren wird der amtlich festgestellte Potato-Index von vier Hauptanbauländern verstärkt zur Preisfindung herangezogen.

Anbau und Lagerung kosten etwa 12 Euro je dt

Der Index wird wöchentlich von der EEX Leipzig veröffentlicht. Gleichzeitig dient dieser Index zur Schlusskursfeststellung der verschiedenen Kartoffelfutures und hat somit eine große Marktrelevanz. Entscheidend für die Min-/Max-Verträge sind jedoch die Spannen zwischen dem unteren und dem oberen möglichen Erzeugerpreis. Wenn man die letzten Jahre betrachtet, schwankten die Erzeugerpreise am Kassamarkt zwischen 4 und 25 Euro/dt bis zur 17 Kalenderwoche des auf die Ernte folgenden Jahres. Extreme nach unten oder oben will eigentlich keiner der beiden Marktteilnehmer. Diese kosten letztlich auf beiden Seiten nur Geld. Bei Produktionskosten inklusive Lagerung von circa 12 Euro/dt wird der Landwirt bei kleinen Preisen „gekniffen“, während der Verarbeiter bei zu hohen Preisen keinen Abnehmer mehr findet. Von daher kommt für diese Verträge eine Spanne, mit der beide Vertragspartner „noch leben können“ in Frage. Wenn zum Beispiel der Durchschnitt des Potato-Index der letzten Jahre bei circa 14 Euro/dt für die 17. Kalenderwoche lag, könnte es Sinn machen, eine Spanne etwa von 4 Euro/dt nach unten und oben, das heißt 10 bis 18 Euro/dt für den Erzeugerpreis zu vereinbaren. Welcher Erzeugerpreis dann letztlich zur Auszahlung ge­langt, wird durch den festgestellten Potato-Index in der jeweiligen Lieferwoche bestimmt. Je nach Sorte, Qualität oder ab Hof Entfernung zur vorgesehenen Verarbeitung können noch Zu-/Abschläge zum Erzeugerpreis vereinbart werden.

Kalkulation mit akzeptablen Preisen für beide Seiten

Hatte zum Beispiel ein Betrieb in den Jahren 2014 bis 2016 einen Min-/Max-Vertrag von über 500 t der Sorte Agria und einem Festpreisvertrag mit 1 500 t abgeschlossen, um auch einen Teil der Ernte frei zu verkaufen, wird deutlich, wenn man die drei aufgeführten Jahre bewertet, dass der Erzeugerpreis im Durchschnitt um 1,25 Euro/dt über dem Vertragspreis sowie um 1 Euro/dt über dem freien Erzeugerpreis lag. In anderen Jahren kann die Bewertung ganz anders aussehen. Deutlich wird, dass Extreme verhindert werden und die Erzeugerpreise beim Min-/Max-Vertrag zwar zwischen 10 und 18 Euro/dt schwanken, aber in jedem Jahr für beide Seiten verträgliche Kon­ditionen ermöglichen. Zudem schaffen die festen Mengenbindungen für beide Seiten Planungssicherheit und einen konfliktfreien Umgang miteinander.

Ernte über mehrere Modelle mit Teilmengen vermarkten

Trotz der Vorteile, welche diese Min-/Max-Verträge bieten können, muss die Wahl der Vermarktungs­instrumente nicht einseitig sein. Nach wie vor haben die vor der Auspflanzung ab­zuschließenden Festpreisverträge einen hohen Stellenwert. Je nach betrieblicher Situation und Jahr sind 20 bis 50 Prozent der erwarteten Erntemenge ein solider Anteil. Daneben können bei ausreichender Basis zwischen Termin- und Kassamarkt auch circa 10 bis 20 Prozent Terminmarktkontrakte in Erwägung ge­zogen werden, um zusätzlich zum Markterlös Arbitragegewinne zu realisieren. Den bisher ge­nannten Vermarktungsmix können die Min-/Max-Verträge mit 20 bis-30 Prozent Anteil sehr gut ergänzen. Mit dem Rest der erwarteten Erntemenge, das sind 20 bis 40 Prozent freie Ware, kann man dann spekulieren. Man braucht diese freie Menge auch als Puffer, da die erzeugte Menge nicht genau planbar ist. In jedem Betrieb können andere Anteile am Vermarktungs-Mix richtig sein und gewählt werden. Dass Ziel, neben der angestrebten Sicherheit auch die Chancen zu erhalten, ist für unternehmerische Landwirte entscheidend.

Beide Seiten müssen verbindlich planen können

Es stellt sich nicht allein die Fra­ge, ob die Min-/Max-Verträge besser sind als Festpreisverträge oder als freie Ware, sondern die Min-/Max-Verträge sind zunächst einmal eine sinnvolle Ergänzung der vorhandenen, schon verstärkt eingesetzten Vermarktungsinstrumente. Die Min-/Max-Verträge haben einige Vorteile gegenüber den traditionellen Vermarktungs­instrumenten. Zunächst sichern die Verträge den Warenfluss, so dass beide Seiten verbindlich planen können. Gleichzeitig, dies ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil, verhindern sie Konfliktpotenzial, das Preisverhandlungen mitbrin­gen können. Käufer und Verkäufer können sich auf andere auch wesentliche Inhalte einer Handelsbeziehung konzentrieren. Gegenüber einem Festpreisvertrag bieten diese Verträge den Vorteil, die Gewinne bei einem aus Sicht des Landwirts günstigen Preisverlauf zu erhöhen, bei einer anderen Preisentwicklung senken sie zwar den Erlös, verhindern aber ruinöse Konditionen. Die Min-/Max-Verträge haben auch Vorteile gegenüber dem freien Marktpreis. Sie lassen den Landwirt „ruhiger schlafen“, auch wenn sich im Anbaujahr insgesamt eine sehr hohe Ernte andeutet. Ein wichtiger, von vielen Landwirten zunächst unterschätzter Vorteil „gedeckelter Preise“ ist die Marktpflege, da die Verarbeiter mit der Max-Spanne kalkulieren und damit noch konkurrenzfähige Produkte am Markt anbieten können, so dass die Absatzschiene auch in den Folgejahren erhalten bleibt. Dieser Vorteil kommt letztlich allen Marktpartnern zu Gute.

Der Terminhandel bietet Transparenz

Die Vorteile einer Terminmarktabsicherung liegen zum Teil in den Arbitragegewinnen und der Möglichkeit, jederzeit verkaufen zu können, ohne dass auf dem Kassamarkt ein Käufer gefunden werden muss. Beim Min-/Max-Vertrag hat man aber chon einen Käufer gefunden, ohne in schwierigen Situationen auf eventuell schlechte Konditionen eingehen zu müssen. Beim Min-/Max-Vertrag sind gegenüber einer Termin­marktabsi­cherung keine Sicherheiten zu leisten und auch keine Nachschüsse zu entrichten, die eine ordentliche Liquidität verlangen. Dennoch sollte auch die Terminmarktabsicherung, wie im Vermarktungsmix aufgeführt, gepflegt werden. Der größte Vorteil des Terminmarktes sind die transparenten und marktangepassten Kurse, die hauptsächlich durch die Teilnahme der Spekulanten am Terminmarkt ermöglicht werden. Die Spekulanten „wetten“ um Gewinne zu erzielen jeweils in die Richtung, die Angebot und Nachfrage vermuten lassen und stehen somit auch, wenn es die Situation hergibt, auf Seiten der Landwirte. Natürlich „wetten“ die Spekulan­ten auch auf sinkende Kurse, wenn es die Marktsituation so ergibt. Aber dieser Preisdruck würde ohnehin auch von den Verarbeitern am Kassamarkt ausgeübt werden, die sich aber umgekehrt im Falle knapper Ware mit preiserhöhenden Argumenten schwertun. Landwirte, Handel und Verarbeiter sind gut beraten, kreative Vermarktungsinstrumente anzubieten und diese auch zu nutzen. Je nach Jahr und Situation kann sich die anteilige Zusammensetzung des Vermarktungsmixes ändern. Wichtig ist, dass beide Seiten nicht in extreme Preissituationen kommen müssen. Das alleinige Absichern durch Festpreisverträge hat den Makel, in den meisten Jahren mit den Erzeugerpreisen daneben zu liegen. Daher stünde es auch dem Handel gut, sich neben der Sicherung einer auskömmlichen Handelsspanne für kreative Vermarktungsinstrumente stark zu machen, mit dem Ziel den Markt zu pflegen. Landwirte und Verarbeiter stehen dem Ganzen sicherlich aufgeschlossen gegenüber, aber letztlich kommen sie selten direkt zu Gesprächen zueinander.

 – LW 29/2017