Man muss auch mal die Kohle im Dorf lassen

Erneuerbare Energien weiter zur regionalen Wertschöpfung nutzen

Letzte Woche beschäftigte sich eine Fachtagung zum novellierten EEG mit Strategien, die unter den nun stark eingeschränkten Fördermöglichkeiten noch eine wirtschaftliche Nutzung erneuerbarer Energien für Anlagenbetreiber und Investoren zulassen. Veranstalter waren der Landesbetrieb Landwirtschaft (LLH) und die Arbeitsgemeinschaft für Rationalisierung, Landtechnik und Bauwesen (ALB).

Bioenergiedörfer erzeugen Strom und Wärme für den Eigenbedarf.

Foto: landpixel

Klaus Wagner, Leiter des Fachgebietes „Nachwachsende Rohstoffe, Bioenergie“ am LLH-Landwirtschafts­zentrum Eichhof, sprach in seiner Begrüßung von einem „sehr ernüchternden Thema“, denn das neue EEG habe zum Stillstand der zuvor dynamischen Entwicklung beim Bau von Biogasanlagen geführt. Immerhin rund 50 Besucher hatten die Veranstaltung wahrgenommen und gezeigt, dass dennoch ein Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien in der Landwirtschaft besteht.

Investoren und Banken verunsichert

Björn Staub vom LLH beleuchtete die aktuelle Entwicklung und stellte einen Wandel der Grundsätze bei der Förderung fest: „von einfach nach kompliziert, von langfristig nach kurzfristig und von umweltfreundlich nach kostengüns­-tig.“ Dies verunsichere Investoren und Banken.

Zurzeit seien in Hessen knapp 200 Biogasanlagen in Betrieb. Mit weiterem Zuwachs ist aber nicht zu rechnen, denn selbst die jetzt noch geförderten Anlagen mit maximal 75 kW könnten nur unter optimalen Bedingungen wirtschaftlich betrieben werden, so der Referent. Als Konsequenz bleibe nur die Optimierung bestehender Anlagen, die neben dem Betrieb (Substrat-Mix, effiziente Technik, Eigenverbrauch) vor allem die Flexibilisierung der Energieerzeugung (Gas- und Wärmespeicher) umfasse.

Optimierungsmöglichkeiten für bestehende Anlagen

Ãœber diese Optimierungsmöglichkeiten informierte Jochen Ackermann, Agrarberatung Nordhessen, Kassel. Bevor man über die Weiterentwicklung seiner Biogasanlage entscheide, müsse man sich zwei grundsätzliche Fragen stellen: „Nach welcher EEG-Version wurde meine Anlage in Betrieb genommen“ und „wie ist meine Anlage genehmigt“?

Je nach Beantwortung dieser Fragen stünden folgende Optionen im Raum:

Investitionen in die Wärmenutzung beziehungsweise in Wärmenetze. Diese werden mit bis zu 40 Prozent der Investitionskosten gefördert und der KWK-Bonus bleibt als Ãœberschuss. Der Wärmepreis für die Nutzer liege dann bei etwa 70 Prozent des Preises bei Nutzung von Heizöl. „Zusätzlich erfreut ein Nahwärmenetz die Nachbarschaft.“

repowering des Blockheizkraftwerkes. Durch ein neues BHKW mit höherem Wirkungsgrad kann die nötige Substratzufuhr (Mais) spürbar gesenkt und so die Wirtschaftlichkeit verbessert werden. Außerdem erleichtert ein neues BHKW die Nutzung der Flexprämie.

Inanspruchnahme der Flexprämie. Dies bedeutet, dass man eine Mehrleistung vorhalten muss. Das sei besonders interessant, wenn ein neues BHKW im Rahmen eines repowering angeschafft wird und das alte als Reserve laufen kann. Auch im Falle des Ausfalls eines BHKW ist eine zweites unbedingt von Vorteil.

Die Teilnahme an der Direktvermarktung gehört nach Einschätzung von Ackermann dazu und brachte im letzten Jahr bei einer 500-kW-Anlage Mehrerlöse von rund 15 000 bis 20 000 Euro. Allerdings werde durch immer mehr Teilnehmer der Erlös sinken; „insgesamt durch die notwendigen Investitionen eher eine wirtschaftlich neutrale Maßnahme.“

Veränderung des Substratinputs. Ein möglichst flexibler Input ermöglicht die Nutzung von gerade günstigen Rohstoffen, wie beispielsweise im aktuellen Jahr die „Herrgottsrüben“. Der Einsatz von Wirtschaftsdüngern ist immer gut, so Ackermann. Voraussetzung: Die Stoffe sind genehmigt und der Dosierer kann sie verarbeiten.

Nutzung alter Boni. Altanlagen können auch heute noch auf Boni zurückgreifen, die zum Genehmigungszeitpunkt galten; zum Beispiel: Umstellung auf Trockenfermentation und Inanspruchnahme des Technologie-Bonus; Wärmenutzung zubauen und KWK-Bonus erhalten.

Allgemeine Optimierungsmaßnahmen: Schwachstellenanalyse, Vergleich mit anderen Anlagen, Soll-/Ist-Vergleich der Gasausbeute, Kostenkontrolle, Futterverluste im Silo vermeiden, Zinskonditionen verbessern, Wartung und frühzeitiger Austausch der Technik.

Neubau von Anlagen mit maximal 75 kW: Macht laut Ackermann nur Sinn, wenn die Investitionskosten höchstens 500 000 Euro betragen, nur Mist und Gülle vom eigenen Betrieb eingesetzt werden sowie einfache und robuste Technik verbaut wird.

„All diese Punkte müssen aber exakt kalkuliert werden, denn ob sich eine Maßnahme lohnt, hängt immer von den individuellen Gegebenheiten und der jeweiligen Betriebsstruktur ab“, betonte der Fachmann.

Investitionen statt Ausgaben

Prof. Peter Heck vom Institut für an­gewandtes Stoffmanagement in Trier bemängelte, dass man in Berlin nicht die großen Chancen für die Regionen erkenne, die eine dezentrale Energieversorgung beinhalte. „Die regionale Wertschöpfung durch erneuerbare Energien bringt richtig viel Geld in die Regionen und kann für viele Dörfer den Unterschied zwischen Ausbluten und Zukunftsfähigkeit ausmachen.“

Statt anhaltend Geld für Energie aus den Dörfern abfließen zu lassen, würde die dezentrale Energieversorgung das regionale Gewerbe stärken. „In diesen Bereich zu investieren, heißt, dass die Kosten in Zukunft sinken werden und nicht ständig steigen“, so Heck. Außerdem schaffe die Biomassenutzung mehr Arbeitsplätze als Solar- oder Windenergie und sei dennoch günstiger als Heizöl.

„Große Stromtrassen sind intellektuell erbärmlich“

Die Stromtrassen, mit denen große Energiemengen aus Nord- nach Süddeutschland gebracht werden sollen, bezeichnete er als unnötig und Ausdruck alten Denkens. „Man meint offensichtlich, das Abschalten eines Kernkraftwerkes durch die Lieferung der gleichen Energie-Menge an diesen Punkt kompensieren zu müssen; das ist intellektuell erbärmlich.“

Auch müsse man damit aufhören, Unmengen an Kapazität abzuschalten, wenn gerade kein Bedarf besteht – wie dies bei der Windkraft übliche Praxis sei. Überschüssiger Strom gehöre unbedingt in Form von Wärme oder Gas gespeichert, auch wenn bei der Umwandlung Verluste entstehen.

Photovoltaikanlagen unter den aktuellen Voraussetzungen

„Wenn ich meinen Strom billiger erzeuge, als ich ihn einkaufe, lohnt sich der Eigenverbrauch“, erläuterte Elmar Brügger von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Für eine Investition in Photovoltaikanlagen gelte ab 2015, dass die Voll­einspeisung nicht mehr rentabel und der deshalb notwendige Eigenverbrauchsanteil für einen landwirtschaftlichen Betrieb bei etwa 40 Prozent liegen sollte, für ein Einfamilienhaus bei knapp 30 Prozent. „Entscheidend ist, dass Sie die Stromverbrauchskurve Ihres Betriebes kennen und die Anlage dementsprechend auslegen.“ Unter den heutigen Voraussetzungen seien auch Ost- und Westdächer durchaus interessant, weil sie dann Strom liefern, wenn er vermehrt gebraucht beziehungsweise teuer verkauft werden kann.

Der Umbau bestehender Photovoltaikanlagen auf den Eigenverbrauch sei relativ einfach und lohne sich vor allem dann, wenn eine Anlage erweitert wird und die Kapazität des Hausanschlusses übersteigt. Dann müsse der Strom an der nächsten Übergabestelle eingespeist werden, und das sei eben teuer.

Brügger hält die Photovoltaik für landwirtschaftliche Betriebe auch weiterhin für interessant, vor allem wenn der Strompreis weiter steigt und die Speichermedien (Batterien) noch günstiger werden. (Näheres zu Solarstrom unter dem neuen EEG in LW 47, S. 11)

Erfahrungen mit privaten Nahwärmenetzen

Zum Abschluss berichteten zwei Praktiker von ihren Erfahrungen mit privaten Nahwärmenetzen: Bernhard Riehl aus dem Bioenergiedorf Erfurtshausen und Günther Bott, Betreiber einer Biogasanlage in Naumburg-Heimarshausen. Riehl führte aus, dass sich die Bürger des 580-Einwohner-Ortes nach intensiven Gesprächen und einer entsprechenden Machbarkeitsstudie mit großer Mehrheit für die Gründung einer Genossenschaft ausgesprochen hatten – und das, obwohl die Energie zunächst etwas teurer geworden sei. „Aber der Preis ist nun zunächst fix und wird, wenn alles abbezahlt ist, wieder sinken. Mittlerweile seien 118 von 169 Häusern angeschlossen.

Die Versorgung erfolge über eine Biogasanlage mit 400 kW Wärmeleistung und zwei Bio-Kesselanlagen mit je 440 kW auf Hackschnitzelbasis. Der Genossenschaftsbeitrag liege bei 5000 Euro pro Hausanschluss und 24,80 Monatspauschale. Zusätzlich zur Wärmeleitung habe man auch gleichzeitig Glasfaserkabel für schnelles Internet mitverlegt.

Günther Bott betreibt seit 2005 in Heimarshausen eine Biogasanlage mit aktuell 300 kW elektrisch und 392 kW Wärmeleistung. An die Wärmenahversorgung sind 14 Wohnhäuser, zwei Ställe, ein Dorfgemeinschaftshaus, ein Freibad und ein Hotel angeschlossen. „Ohne KWK-Bonus wäre das nicht wirtschaftlich“, betont Bott. Und er ist sich sicher: Man braucht mindestens einen großen Abnehmer für die Wärme. Nur mit Wohnhäusern lohnt sich ein Nahwärmenetz nicht.

Björn Staub vom LLH stellte einen grundlegenden Wandel bei der Förderung erneuerbarer Energien fest.

Prof. Peter Heck bemängelte, dass man in Berlin die großen Chancen für die Regionen nicht erkennt.

Foto: Becker

Günther Bott, Heimarshausen: „Man braucht mindestens einen großen Abnehmer für die Wärme.“

KB – LW 49/2014