„Der Landwirt kann wählen zwischen Strom oder Feuer“

Aufpassen bei Arbeiten mit Großmaschinen bei Freileitungen

Erntearbeiten wie Mähdrusch, Strohabfahren, Maishäckseln oder das Rübenroden werden heute in Windeseile erledigt. Und zwar oft mit Hightech-Maschinen, die der Höhe eines Bungalows kaum nachstehen. Ihr Einsatz birgt aber neue Gefahren, dessen sich der Landwirt bei der Arbeit auf den Ländereien bewusst sein sollte. Insbesondere wenn Stromleitungen unter­fahren werden. Welchen Sicherheitsabstand sollte man beachten? Wie verhält man sich, wenn ein Strommast gerammt, beziehungsweise die Leitung berührt oder abgerissen wurde? Darüber sprach das Wochenblatt mit Volker Müller von der Oberhessischen Versorgungsbetriebe AG (OVAG).

Beim Abtanken am Kornfeld kann die Frei­­leitung berührt oder der Sicherheitsabstand unterschritten und damit die Maschine unter Strom gesetzt werden.

Foto: Moe

„Für Land­­wirte können vor allem Stromleitungen im Mittelspannungsbereich (20 Kilovolt) gefährlich werden. Im Vergleich zu den Hoch­span­nungs­­­leitun­gen, verlaufen diese mit einer Min­dest­höhe (nach DIN) über Felder von 6 m, über Fahrwegen von 7 m und damit relativ tief über den Acker“, erläutert Volker Müller vom Bereich Arbeitssicherheit der OVAG in Friedberg. Müller informiert gelegentlich auch auf Bauernversammlungen speziell über die Arbeiten mit landwirtschaftlichen Maschinen in der Nähe von Freileitun­gen. Ein Mittelspannungs­netz ver­­teilt den Strom aus dem Hoch­span­nungs­netz (380 kV, 220 kV, 110 kV) und wird mit einer Span­nung zwischen 10 kV und 30 kV, meist 20 kV, betrieben. Im ländlichen Raum verlaufen Mittelspannungsnetze oft oberirdisch als Freileitung, während sie in städtischen Gebieten als Erdkabel verlegt sind. In der Sommerhitze dehnen sich die Leiterseile aus, werden länger und können dann bei einer Masthöhe von zum Beispiel 10 m auf eine Höhe von circa 7 m durchhängen. Schon beim Annähern an die Freileitung kann ein gefährlicher Spannungsüberschlag erfolgen und den Landwirt gefährden, berichtet Müller. Ist die Höhe der Leiterseile oder die Spannungshöhe nicht abzuschätzen, kann sich der Landwirt an den Betreiber wenden (Rufnummer beispielsweise an Mastaufklebern).

Bei welchen Arbeiten sollte man besonders aufpassen?

Bei welchen Arbeiten sollte man besonders aufpassen? Müller nennt hier vier typische Gefahrensituationen: Zur Zeit sind es die Mäh­drescher. Beispielsweise kann beim Ausfahren des Abtankrohrs die Frei­­leitung berührt oder aber der Sicherheitsabstand von 3 m unterschritten und damit die Maschine unter Strom gesetzt werden.

Besonders gefährlich sind auch die Arbeiten im September/Oktober mit den Maishäckslern, die das Häckselgut auf die teilweise 4 m hohen Ladewagen schleudern. Wird ein Feld angeschnitten muss das Häckselgut oft besonders hoch geblasen werden, wenn der Ladewagen nicht unmittelbar neben dem Selbstfahrerhäcksler laufen kann. Ist der Häckselgutstrahl nahe der Freileitung, kann sich ein gefährli­cher Stromkreis bilden.

Sehr gefährlich seien auch die Rübenarbeiten im Herbst, erläutert Müller. Außer, dass beim Rangieren der Zuckerrübenroder am Vorgewende diese den Frei­lei­tun­­gen nicht zu nah kommen, sollte ferner darauf geachtet werden, dass der Rübenhaufen weit von der Frei­­lei­tung liegt, so dass die Lademaus nicht in Kontakt mit der Strom­lei­tung treten kann.

Es gibt außerhalb dieser typi­schen Gefahrenlagen zur Ernte, Situationen auf die geachtet werden sollte. Zum Beispiel wenn Dünger, Kalk oder Mutterboden am Feldrand abgekippt wird. Dann kann beim Hochstellen der einige Meter langen land­wirt­schaft­lichen Kipper oder LKW-An­hän­ger die Freileitunung tangiert werden. „Der Supergau wäre das Umfahren eines Mastes“, berichtet Müller.

Was ist zu tun, wenn alles unter Strom steht?

Für Land­­wirte können Stromleitungen im Mittelspannungsbereich gefährlich sein. Diese verlaufen mit einer Min­dest­­­höhe über Felder von 6 m und von 7 m über Fahrwege relativ tief.

Foto: Moe

Wird mit Maschinen der Höhe von mehr als 4 m eine Freileitung unterquert und können Schutzabstände nicht eingehalten werden, solle sich der Landwirt oder Lohnunternehmer beim Betreiber der Freileitung wie die OVAG informieren, rät Müller. Mit dem Netzbetreiber können Maßnahmen abgesprochen werden, gegebenenfalls auch ein Freischalten der Leitung. Der Si­cher­heits­abstand beim Unterfahren, nicht beim Arbeiten und ohne Mitfahrer auf der Maschine, bei einer Leitung bis 110 kV beträgt 2 m.

Bei den Arbeiten mit landwirtschaftlichen Maschinen in der Nähe von elektrischen Freileitungen komme es zwar selten zu Unfällen. Wenn jedoch ein Unfall passiert, führe dies fast immer zum Totalschaden der Maschine. „Gerät die Arbeitsmaschine hierbei in Brand, hat der Landwirt möglicherweise nur noch die Wahl zwischen Strom und Feuer“, so Müller. Nach den einschlägigen Vor­schriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz sei folgendes zu beachten, wenn es beim Annähern an eine Freileitung zur Berührung oder zu einem Ãœberschlag kommt. So soll die Ma­schi­ne nicht verlassen werden. Denn sie steht gegenüber dem Erdreich unter gefährlicher Spannung, und es bildet sich ein sogenannter Spannungstrichter aus. Auf der Maschine ist man, solange kein Brand entsteht, in der Regel sicher. Wie ein Faraday­scher Käfig schirmt die Kabine den Fahrer vor der elektri­schen Spannung ab. Er muss die Maschi­ne aus dem Gefahrenbereich fah­ren, muss aber in der Kabine sitzen bleiben. Kann er die Ma­schine aber nicht mehr aus dem Gefah­renbereich bringen, ruft er vom Handy aus in der Kabine den Not­ruf 112 an. Am schnellsten geht es, wenn die Rufnummer des Netzbetreibers im Handy gespeichert ist. Auch ein Notfallaufkleber ist sinnvoll. Wichtig ist, zur Hilfe herbeieilende Personen zu warnen, nicht in den Spannungstrichter zu laufen. Im Spannungs­trichter, der circa 20 m im Erdreich um die Maschine verläuft, nimmt die Spannung spiralförmig ab.

Brennt die Maschine und der Landwirt muss das Gerät verlasssen, soll er mit einem möglichst weiten Satz von der Maschine springen und dann mit den Füßen auf dem Boden gelandet mit sehr kleinen Schritten den Spannungstrichter verlassen, weil eine gefähr­liche Schrittspannung entsteht. Moe